Keine Angst vorm Altern! Der "demographische Wandel" , so beruhigen die Regierung und ihre Expertengremien unisono, ist beherrschbar – vorausgesetzt die notwendigen Anpassungsmaßnahmen werden rechtzeitig ergriffen. Im Bereich der Sozialversicherungen sei dies in der gesetzlichen Rentenversicherung im Prinzip erfolgreich geschehen. Reformbedarf bestehe noch für die Kranken- und Pflegeversicherung. Mit Ausgaben von 158 Milliarden Euro im Jahr 2010 ist die gesetzliche Krankenversicherung die wichtigere dieser beiden Sozialversicherungen und weist die "dynamischere Ausgabenentwicklung" auf, wie die sogenannten Wirtschaftsweisen in ihrem Demographie-Gutachten vom Mai feststellen.

Insgesamt sei fast mit einer Verdoppelung der Ausgaben und einer Erhöhung ihres Anteils am Bruttoinlandsprodukt (BIP) um mehr als ein Drittel bis 2060 zu rechnen (von 7,9 auf 10,6 Prozent). Der Beitragssatz könne um fast 19 Prozent steigen. Eine Aussicht, die sowohl Krankenkassen als auch viele Versicherte zum Abschied vom Solidargedanken veranlasst.

Anschauungsmaterial dazu lieferte gerade erst die Pleite der City BKK. Im Prinzip haben ihre 168.000 Versicherten Anspruch darauf, bei jeder anderen gesetzlichen Krankenkasse als Neu-Mitglieder aufgenommen zu werden. Tatsächlich wurden viele von ihnen abgewimmelt. Das Bundesversicherungsamt musste damit drohen, gegen die unwilligen Versicherer einzuschreiten . Der Grund für die Sturheit: Die Mitglieder der City BKK gelten als krank und überaltert. Zwei Risikogruppen, die sich die Kassen in Zeiten des verschärften Wettbewerbs nicht freiwillig ins Haus holen wollen.

Außerdem hat die schwarz-gelbe Bundesregierung eine für die Kassen gefährliche Spirale in Gang gesetzt. Kostensteigerungen können sie nicht mehr über eine Erhöhung des KV-Beitrages weitergeben, sondern nur noch über Zusatzbeiträge , die die Versicherten allein zu tragen haben, da der Arbeitgeberanteil politisch festgeschrieben ist. Große Kassen, die als erste einen monatlichen Aufschlag von acht Euro gefordert hatten, verloren sofort spürbar an Mitgliedern. Gerade die "guten Risiken", das sind junge und gebildete Gutverdiener, wechseln zur billigeren Konkurrenz. Zurück bleiben Alte und Kranke, was neuen Druck auf den Beitrag schafft. Eigentlich sollte der Gesundheitsfonds in diesen Fällen helfen. Aus ihm wird den Kassen, die überdurchschnittlich viele Risikogruppen versichern, ein Ausgleich gezahlt. Dass das offenkundig nicht ganz funktioniert, beweist der Fall der City BKK.

Hinzu kommt ein weiterer, politisch gewollter Effekt: Die Regierungskoalition hat im Zuge der seit Januar geltenden Gesundheitsreform den Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung erleichtert. Zwischen Januar bis April wechselten dann auch fast 40 Prozent mehr als im Vorjahr zu den Privaten. Dabei steht uns der demografische Belastungstest der Sozialversicherungen erst noch bevor. Ohne die Konkurrenz der Privat-Krankenkassen und mit einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen, ließe sich das Problem etwas abmildern.