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Kritik an Wulffs Islam-Thesen Unionsfraktionschef Kauder legt nach

Kaum scheint die Diskussion um die Islam-Thesen von Bundespräsident Wulff verebbt, kommt aus der Union neue Kritik - und zwar vom Fraktionschef persönlich. Volker Kauder distanziert sich in ungewöhnlich deutlicher Form vom Staatsoberhaupt. Klar ist: Das Thema spaltet die CDU.
Unionsfraktionschef Kauder: "Der Islam kann unsere Wertordnung nicht bestimmen"

Unionsfraktionschef Kauder: "Der Islam kann unsere Wertordnung nicht bestimmen"

Foto: Stephanie Pilick/ dpa

Berlin - Die Rede des Bundespräsidenten am Tag der Deutschen Einheit hat viele Unionspolitiker gereizt. Offenbar so sehr, dass Unionsfraktionschef Volker Kauder fünf Tage später noch scharfe Kritik an Christian Wulff äußert. Er teile die Auffassung nicht, dass der Islam zu Deutschland gehöre, stellte der CDU-Politiker in der "Bild"- Zeitung klar.

Kauder distanzierte sich damit in ungewöhnlich deutlicher Form vom Staatsoberhaupt. Zuvor hatte er Wulffs Rede zum Tag der Deutschen Einheit lediglich als erklärungsbedürftig bezeichnet. Jetzt sagte Kauder: "Unsere Werteordnung, zu der auch die Religionsfreiheit gehört, müssen wir erhalten. Der Islam kann diese Wertordnung nicht bestimmen."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, kritisierte die Rede von Wulff als "interpretationsbedürftig". Er betonte: "Eine Konkretisierung des Satzes 'Der Islam gehört auch zu Deutschland' hätte sicherlich dazu beigetragen, Irritation zu vermeiden." Muslimisches Leben gehöre zwar zur gesellschaftlichen Realität in Deutschland. Der Islam sei aber nicht "Grundlage unserer Werteordnung, Traditionen und Kultur".

Der Bundespräsident hatte am Tag der Einheit gesagt, das Christentum und das Judentum gehörten zweifelsfrei zu Deutschland: " Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland." Daran entzündete sich die Debatte, die nun die Union spaltet.

Altkanzler Kohl versteht die Aufregung nicht

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe unterstützt den Bundespräsidenten. Wenn man die Rede von Wulff in ihrer Gesamtheit betrachte, dann sei unmissverständlich, dass er für die Werteordnung des Grundgesetzes eintrete. Die "Präsenz einer anderen Kultur in unserem Land" verunsichere viele Menschen, sagte Gröhe. Deshalb sollte die veränderte Realität aber nicht von der Politik tabuisiert werden.

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) teilte diese Meinung. Der Bundespräsident habe "richtig gesagt", dass in Deutschland der Islam zur gesellschaftlichen Realität gehöre. Müller fügte hinzu: "Dadurch wird aber das Bekenntnis zu unserer Grundordnung, dadurch wird das Bekenntnis zur Verfassung und den Werten, die dort festgelegt sind, nicht relativiert."

Einer hält die derzeitige Debatte für überflüssig: Altbundeskanzler Helmut Kohl. "Ich verstehe die jetzige Diskussion überhaupt nicht", sagte der CDU-Politiker am Freitag auf der Frankfurter Buchmesse. "Wir finden unser Glück, weil wir weltoffen sind." Schon immer hätten Menschen anderer Kulturen in Deutschland gelebt und sich auch assimiliert. "Und ich gehöre in meine pfälzische Heimat." Er wünsche sich für Deutschland, "dass wir positiv in die Zukunft gucken und nicht schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit in die Gegenwart tragen".

Die scharfe Kritik an den Äußerungen des Bundespräsidenten offenbare eine "Sinnkrise unter manchen Konservativen" und auch wenig Kenntnis des Islams, meinte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, dem "Tagesspiegel".

Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nahm Wulff vor Kritik in Schutz. "Vier Millionen Menschen in Deutschland sind islamischen Glaubens, der Islam ist längst Teil unseres Landes", erklärte Trittin. Wulff habe "diese Realität klar und unmissverständlich benannt und sich zu unseren islamischen Mitbürgern bekannt". Das verdiene Lob - "und kein Mobbing von den Rechtsaußen aus der Union", so Trittin.

kgp/dpa/dapd