Die Thüringer Justiz hatte Ende der neunziger Jahre den Geheimdienst des Landes unter Verdacht, mit den Mitgliedern des Nationalsozialistischen Untergrunds ( NSU ) zusammenzuarbeiten. Bei der Staatsanwaltschaft in Gera habe es den "ungeheuerlichen" Verdacht gegeben, dass das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) den Mitgliedern der rechtsextremen NSU möglicherweise Hilfestellung geleistet habe, sagte der Geraer Oberstaatsanwalt Gerd Michael Schultz vor dem NSU-Untersuchungsausschuss .

Schultz sagte als Zeuge vor dem Ausschuss, er habe eine Hilfestellung des LfV für die Gruppe zwar "nicht für wahrscheinlich" gehalten, doch sei dies ein "möglicher Ermittlungsansatz" gewesen. Es sei der Staatsanwaltschaft damals sehr merkwürdig vorgekommen, dass die ansonsten so erfolgreiche Zielfahndung des Landeskriminalamts die NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt , Uwe Mundlos und Beate Zschäpe trotz intensiver Spurensuche nicht habe finden können.

Auch die Fahnder hätten sich das nicht erklären können, sagte Schultz. Diese hätten damals vermutet, dass die Gruppe Unterstützung erhalte. Laut Schultz wurde der Verdacht gegen den Geheimdienst zusätzlich dadurch genährt, dass sich der Anführer des rechtsextremen Thüringer Heimatschutzes (THS), Tino Brandt, als V-Mann des Verfassungsschutzes entpuppt habe. Das habe sich in seiner Behörde lange Zeit niemand vorstellen können. Dem THS hatten auch Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe angehört.

Deshalb schickte die Staatsanwaltschaft schließlich einen Brief mit 22 detaillierten Fragen an die Spitze des Landesverfassungsschutzes, sagte Schultz. Unter anderem habe sie wissen wollen, ob der Geheimdienst über Erkenntnisse zum Aufenthaltsort des NSU verfüge oder ob jemand aus dessen Reihen für das LfV arbeite. In der Folge sei ein Vertreter dieser Behörde in Gera erschienen und habe alle Fragen knapp mit Nein beantwortet. "So etwas habe ich nie mehr erlebt", sagte Schultz.

Bundestag muss Sondersitzung einplanen

Der NSU soll für eine bundesweite Mordserie an neun Geschäftsleuten mit ausländischen Wurzeln und an einer Polizistin verantwortlich sein. Die Neonazi-Gruppe war jahrelang unentdeckt geblieben. Im Zuge der Aufklärung der Mordserie wurden zudem zahlreiche Pannen bei Geheimdiensten von Bund und Ländern bekannt. In Thüringen geriet besonders der frühere Chef des Landesverfassungsschutzes, Helmut Roewer , in die Kritik.

Der Bundestag muss wegen des knappen Zeitplans vor der Bundestagswahl möglicherweise eine Sondersitzung im Spätsommer einplanen. Der NSU-Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy ( SPD ) sagte, zur Not müsse das Parlament im August oder September über die Ergebnisse beraten. Auch mehrere Obleute sprachen sich für eine Sondersitzung aus. Regulär wäre bereits Ende Juni die letzte Sitzungswoche dieser Legislaturperiode.

Der Untersuchungsausschuss arbeitet seit Anfang 2012 die Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle NSU auf. Immer neue Enthüllungen über die Fehler bei den Ermittlungen hatten dem Ausschuss in den vergangenen Monaten viel zusätzliche Arbeit beschert.