Der Kiewer Bürgermeister Witali Klitschko hat einen skurrilen Ort gewählt, um seinen jüngsten "Coup" im Kampf gegen die Korruption zu präsentieren. Es ist das Busdepot 7 von Kyjiwpastrans, dem Kiewer Verkehrsverbund der ukrainischen Hauptstadt, weit draußen in der Vorstadt. Eine große, baufällige Halle, die gleich droht, in sich zusammenzubrechen. Vom anderen Ende der Halle her tönt Hundegebell.

"Sehen Sie, in welchem Zustand diese Autobusse sind?" Klitschko zeigt auf eine Reihe ausrangierter Busse hinter sich, mehr Müll als mobil. "Zugleich sind in den letzten Jahren drei Milliarden Hrywnja aus dem Unternehmen verschwunden."

Es war eine der Hauptforderungen des Maidan – der Kampf gegen das ewige Schmieren auf den Ämtern, gegen den Raubzug an den Staatsfinanzen und gegen das kleptokratische Regime unter Ex-Präsident Viktor Janukowitsch. Die protzige Villa Meschyhirja, das ehemalige Anwesen Janukowitschs am Rande Kiews, ist zu einem sinnfälligen Symbol des "Nie Wieder!" geworden: Nie wieder soll es in der Ukraine eine derart ausufernde Korruption geben, wie es sie unter dem Ex-Präsidenten gab.

Zwar ist das System Janukowitsch – eine Pyramide von Geldflüssen aus den verschiedensten Behörden – seit seiner Flucht zusammengebrochen. Bestochen, geschmiert, veruntreut und geschmuggelt wird allerdings noch immer. Und das im großen Stil: Es wird geschätzt, dass im vergangenen Jahr rund 100 Milliarden Hrywnja in den Taschen von Beamten verschwunden sind. "Die Korruption ist jetzt nicht mehr vertikal, sondern horizontal organisiert", schätzt Miroschnitschenko, stellvertretender Vorsitzender der Föderation der Arbeitgeber der Ukraine, laut dem Magazin Nowoje Wremja.

Ein Jahr nach dem Maidan geraten die Politiker immer mehr unter Druck, endlich Ergebnisse zu liefern. So auch Klitschko. Vor laufenden Kameras übergibt er einen internen Prüfungsbericht des Kiewer Verkehrsverbundes an einen Beamten des Innenministeriums. "Schlag gegen die Korruption in Kiew!" steht auf der Leinwand neben der Bühne – in Anspielung an die Partei des Ex-Boxers: UDAR – der Schlag.

Kleine Erfolge im Kampf gegen die Korruption hat es seit dem Maidan freilich gegeben. Antikorruptionsgesetze wurden beschlossen, so zuletzt die Gründung eines Antikorruptionsbüros. Die ersten Bewerbungen für das "ukrainische FBI" sollen schon eingegangen sein. Eine wirklich unabhängige Einrichtung, die Beamte und Politiker auf ihre Vermögensverhältnisse abklopft – das wäre ein absolutes Novum in der Geschichte der Ukraine. "Aus gesetzgeberischer Sicht sind alle Voraussetzungen gegeben, dass wir die Korruption in unserem Land endlich ausmerzen können", sagt Jegor Soboljew, Vorsitzender des Komitees für Korruptionsbekämpfung. Wie gut die Paragraphen in der Praxis umgesetzt werden, ist allerdings noch offen.

Soboljew, ein ehemaliger Journalist, sitzt seit den Wahlen im Herbst für die Partei des Lwiwer Bürgermeisters Samopomitsch (Selbsthilfe) im ukrainischen Parlament. Sein Resümee über die letzten zwölf Monate fällt nicht gut aus. "Wir haben heute zwei Lager im Land – Aktivisten und Bürger, die wirklich etwas gegen die Korruption machen wollen. Und das alte Lager aus Beamten und Politikern, die weiter stehlen wollen, wie bisher. Und weil sich die beiden Lager ständig bekämpfen, kommen wir nicht weiter, wie wir es gerne hätten."

Mitunter prallen die zwei Lager aufeinander – auch physisch. Vor zwei Wochen lieferte sich Soboljew mit einem Parlamentarier aus der Vaterlandspartei von Julia Timoschenko vor laufender Kamera eine Prügelei. Dabei ging es um ein neues Gesetz zur Verteilung von staatlichen Grundstücken, das laut Soboljew der Korruption wieder Tür und Tor öffnet. "Es wundert mich ja nicht, wenn solche Vorschläge von ehemaligen Parteigängern von der Partei der Regionen (Ex-Partei von Viktor Janukowitsch) kommen. Aber wenn deine Koalitionspartner dasselbe machen wie Janukowitsch – das ist für mich schwer auszuhalten. Da sind meine Nerven mit mir durchgegangen", sagt Soboljew heute.

Der Wertewandel, den der Maidan forderte, ist in den Amtsstuben nie wirklich angekommen, monieren Kritiker. Politik war in der Ukraine nie gleich Politik, sondern ein Geschäftsmodell, die Chance auf das große Geld. Schlüsselposten werden Experten zufolge für gutes Geld vergeben – es soll sogar Preislisten geben, von 10.000 bis drei Millionen Dollar für lukrative Posten auf den Ämtern oder bei Staatsunternehmen. Wer so viel investiert, möchte auch eine Rendite.