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Sexuelle Gewalt in der Ferienfreizeit CSU-Ministerin macht Spiele und FDP für Missbrauch verantwortlich

Bayerns Justizministerin Merk hat einen Verantwortlichen für die Fälle sexuellen Missbrauchs in einem Ferienlager auf Ameland ausgemacht: den eigenen Koalitionspartner. Weil die Liberalen Kinderpornografie im Internet lieber löschen als sperren wollen.
Bayerns Justizministerin Merk (CSU): "Laissez-faire-Politik der FDP bei Kinderpornos"

Bayerns Justizministerin Merk (CSU): "Laissez-faire-Politik der FDP bei Kinderpornos"

Foto: DDP

Extreme, schreckliche Ereignisse wie die, die sich offenbar in einem Feriencamp auf der Insel Ameland abgespielt haben, rufen in der Regel extreme Reaktionen hervor. Nicht alle sind sinnvoll, und manche schlicht ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Ein Beispiel für die letztere Kategorie hat gerade die bayerische Justizministerin geliefert. Beate Merk, CSU, hält den eigenen Koalitionspartner für mitverantwortlich für die mutmaßlichen sexuellen Gewalttaten im Schlafraum "Silbermöwe".

"Wenn man sich ansieht, welche Folgen der Konsum von schädlichen Videos haben kann, ist die Laissez-faire-Politik der FDP bei Kinderpornos im Netz grob fahrlässig", sagte die stellvertretende CSU-Vorsitzende laut dpa. Die Missbrauchstaten Jugendlicher zeigten Verrohungstendenzen, die "auch deshalb geschehen, weil man heutzutage im Netz problemlos alle erdenklichen Formen von Gewalt und Pornografie ansehen kann", sagte Merk.

Tatsache ist: Im Internet gibt es Pornografie, und viel davon ist geschmacklos bis unerträglich. Illegal ist sie aber nicht - in Deutschland existiert, wie in vielen anderen Ländern der westlichen Welt, kein Pornografieverbot. Auch Darstellungen von "Fisting" sind nicht verboten - einer besonders rabiaten Sexualpraxis, die auch im Zusammenhang mit den Übergriffen auf Ameland genannt wird.

"Fisting" ist nicht verboten

So beunruhigend das erscheinen mag: Dass Menschen übergroße Gegenstände in Körperöffnungen eingeführt werden, ist eine groteske, aber, solange dabei kein Zwang und keine Gewalt ausgeübt wird, eben auch nicht illegale Form pornografischer Darstellung. In Deutschland werden DVDs an Erwachsene frei verkauft, die auch mit dieser Art von Sexualpraxis offen werben. Um solche Darstellungen aus dem Netz und dem Land zu verbannen, müsste man ein Pornografieverbot aussprechen oder den derzeitigen Pornografiebegriff strenger fassen.

Das aber fordert Beate Merk nicht, wohl nicht einmal innerhalb der CSU würde man für eine solche Position eine Mehrheit finden. Die Ministerin hält ohnehin nicht einfach Pornografie, sondern Kinderpornografie und "Killerspiele" für verantwortlich für die Exzesse im Jugendcamp. Und zieht daraus den Schluss, dass alle Debatten über die Untauglichkeit des von-der-Leyenschen Sperrgesetzes offenbar doch Unsinn waren. Dabei steht im Koalitionsvertrag, man sei sich einig, "dass es notwendig ist, derartige kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren". Das hat die CSU so mitverabschiedet.

Diffuse Gefühle in der eigenen Wählerschaft vermutet

Nun aber geht Merks gedanklicher Kurzschluss so: Könnte man Seiten mit Kinderpornografie im Internet hinter einem Stoppschild verstecken, wären auf Ameland keine Kinder sexuell misshandelt worden. "Wenn ich feststellen muss, dass ich eine bestimmte Seite nicht löschen kann, darf ich nicht einfach mit den Schultern zucken und zur Tagesordnung übergehen. Dann muss ich diese Seite wenigstens sperren."

Und, weil das ja auch irgendwie mit Computern zu tun hat, wird auch gleich noch mal die alte Forderung wiederholt, "Killerspiele" zu verbieten. Obwohl es hierzulande keine "Killerspiele" zu kaufen gibt, in denen Menschen sexuelle Gewalt angetan wird.

Die Logik von Beate Merk ist die des Reflexes: Wenn etwas Entsetzliches passiert, muss man handeln, und zwar, indem man etwas anderes, was man selbst entsetzlich findet, möglichst schnell aus der Welt schafft, oder das wenigstens öffentlichkeitswirksam fordert. Fakt ist: Weder Spiel- noch Pornografieverbote haben in Deutschland derzeit Aussicht auf Erfolg.

Den Opfern sexueller Gewalt wird mit solchen Forderungen nicht geholfen, im Gegenteil: Sie werden auf plumpe Weise instrumentalisiert, um diffuse Gefühle zu bedienen, die man innerhalb der eigenen Wählerschaft vermutet.