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Mandy, Sindy und Ricco haben schlechte Karten

Reiseredakteurin
Deutschlands Bevölkerung - Symbolbild Deutschlands Bevölkerung - Symbolbild
Quelle: DPA
Der Familienname ist Schicksal, nicht jedoch der Vorname. Und trägt man den falschen, kann das berufliche Konsequenzen haben. Ein Gespräch mit Professor Udolph, Deutschlands einzigem Lehrstuhlinhaber für Namenskunde über germanische Namen.

Sie haben es sicher gut gemeint mit ihren Sprösslingen, die Eltern all der Kerstins, Petras, Manuelas, Heikos und Mikes. Wer konnte schon vor 35, 40 Jahren ahnen, dass Träger dieser Namen heute als wenig gebildet und eher unattraktiv eingeschätzt werden – so das Ergebnis einer Studie der Uni Chemnitz, mit der die akustische Wirkung von 60 Frauen- und Männernamen getestet wurde. Wer hingegen Katharina, Julia, Maria, Lea oder Lucas, Leon, Alexander heißt, hat Glück: diese Namen lösen positive Assoziationen aus.

Nicht umsonst führen sie die Top-Ten-Namenslisten an. Doch ein schlechtes Erlebnis mit einem dicken, dummen Alex reicht manchmal schon, dass man alle Alexander negativ sieht. Und wenn ein Name dann noch ein ganzes Jahrzehnt beherrscht (wie Alexander seit 1997), ist es nur eine Frage der Zeit, bis er das gleiche Schicksal erleidet wie die Kerstins und Heikos aus den 1960ern.

Schlimmer noch trifft es jene, deren Eltern sich bei der Namenwahl von erfolgreichen fremdsprachigen Liedern oder Filmen inspirieren ließen. Personalchefs wissen, dass die oberen Schichten kurzzeitige Moden scheuen und werden eine Mandy, Cindy oder einen Kevin instinktiv der mediengläubigen, bildungsfernen Unterschicht zuordnen – was ihnen als Bewerber für akademische Jobs Minuspunkte bringt. "Mandy Müller ist als Friseurin glaubhaft, als Anwältin oder Designerin dürfte sie es schwerer haben", sagt Prof. Jürgen Udolph, Inhaber des einzigen deutschen Lehrstuhls für Namenskunde in Leipzig. "Namen sind wie Stammbücher, sie erzählen viel über Herkunft und soziales Umfeld."

Familiennamen konnte man verändern

Heute sogar mehr als früher. Denn noch vor 200 Jahren konnte man in Deutschland seinen Familiennamen ändern. So latinisierten Bildungsbürger wie Lehrer, Ärzte, Anwälte und Beamte ihre Namen gern, vor allem, wenn diese auf eine einfache Herkunft der Vorfahren als Bauer oder Handwerker hinwiesen. Immerhin sind nach Schätzungen mehr als 30 Prozent aller Familiennamen Berufsbezeichnungen, ein Viertel ist persönlichen Charakteristika wie groß, klein, dick entlehnt.

Einige Nachnamen sind als Orts- und Landschaftsbezeichnungen relativ "neutral", doch nur der geringste Teil ist für den Träger "ehrenvoll", weil sie auf alte germanische oder adlige Abstammungslinien verweisen. Wer nicht gerade zu letzteren gehört, muss heute umso mehr mit seinem Vornamen punkten. Udolph: "Ein Problem, dass viele Eltern überfordert. Denn die Auswahl an Namen im deutschsprachigen Raum ist seit dem 11. Jahrhundert immer geringer geworden."

Christliche Namen werden mit den Kreuzzügen populär

Hintergrund: Mit dem Erfolg der ersten Kreuzzüge wurden christliche Namen so populär, dass zwei Dutzend von ihnen fast alle anderen bis dahin üblichen Namen verdrängten (was wiederum das Aufkommen von Familiennamen begünstigte). So hieß im 13. Jahrhundert in den Küstenstädten Lübeck, Stralsund und Rostock jeder fünfte Mann Johannes. Als im 16. Jahrhundert einige Pfarrer zur Taufe nur noch biblische Namen zuließen, schmolz der Anteil der germanischen auf unter zehn Prozent, was sich bis weit ins vorige Jahrhundert nicht änderte.

Erst in den 1980er Jahren kam es zu einem explosionsartigen Anstieg neuer Vornamen, wobei die Eltern vor allem mit alttes

tamentarischen und englischen Namen experimentierten. Da das deutsche Namenrecht inzwischen kaum noch Auflagen enthält – lediglich das Geschlecht des Kindes muss erkennbar sein – werden die Kreationen immer kühner, aber selten besser.


Für die Zukunft hält Udolph denn auch eine Rückbesinnung auf germanische Namen für möglich: "Genealogie ist nach Sex das zweithäufigste Suchwort im Internet. Mit steigendem Interesse an der Herkunft wächst auch das Bewusstsein für die eigene Geschichte. Wer etwa um die Bedeutung seines Familiennamens weiß, wird sich eher fragen, ob man diesen mit asiatischen, arabischen und afrikanischen Vornamen mischen sollte."

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Auch der Wunsch, den Kindern mit dem Namen eine Botschaft mitzugeben, spricht nach Ansicht des Leipziger Wissenschaftlers eher gegen ausländische und selbst biblische Idiome. Denn während deren Bedeutungsgehalt vor allem um Gott kreise, bezögen sich germanische Namen auf Allgemeineres wie Mut, Kraft, Durchsetzungsvermögen, Kampf, Freundschaft, Schutz, Weisheit, Ehre, Herrschaft und Heimat.

Udolph: "Nicht umsonst hat der Adel immer an Wilhelm, Friedrich, Ludwig, Dietrich und Hermann festgehalten." Die Qual der Wahl hat man mit diesen Namen aber auch nicht gerade, oder? – "Doch, die Zahl germanischer Namen geht in die Hunderte, und da sie meist aus zwei Wortwurzeln bestehen, sind den Kombinationsmöglichkeiten kaum Grenzen gesetzt."

Bitte keinen kruden Phantasienamen

Udolph, der nach zehnjähriger sprachwissenschaftlicher Forschungsarbeit in einem Buch die aufsehenerregende These veröffentlichte, wonach die Germanen ursprünglich aus Mitteldeutschland stammen und nicht aus Skandinavien, hält es für möglich, dass man in einigen Jahren germanische Vornamen den verschiedenen Stämmen wie Sueben (Schwaben), Chatten (Hessen), Hermunduren (Thüringer) zuordnen kann. "Und da sich viele Familiennamen auf eine Region zurückführen lassen, könnten Eltern dann auch den passenden Vornamen wählen. Denkbar, dass soviel Geschichtsverständnis auf Personalleiter mehr Eindruck macht als krude Phantasienamen."

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