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Kultur Reinhold Messners Tragödie

Vilsmaier stürzt mit "Nanga Parbat" ab

1970 bestieg Reinhold Messner die höchste Steilwand der Welt. Dabei verlor er auf nie vollständig geklärte Weise seinen Bruder. Joseph Vilsmaier hat diese Tragödioe am "Nanga Parbat" jetzt verfilmt. Leider wurde das Werk sehr einseitig. Von Messners "selbstkritischer Sicht" ist nichts zu spüren.

Am Anfang hält der Leiter der Expedition einen Vortrag, wie es gewesen ist. Dann aber platzt der kaum genesene Bergsteiger in die Runde, humpelt noch an Krücken nach vorne und sagt, wie es wirklich gewesen ist. Die Anfangsszene ist ein Schlüsselmoment für den Film „Nanga Parbat“.

Es geht darin um die tragische Erstbesteigung des 8125 Meter hohen „deutschen Schicksalsberges“ von der Rupalwand aus, der mit 4500 Meter höchsten Steilwand der Welt. Dr. Karl Maria Herrligkoffer leitete das Experiment 1970, Reinhold Messner, einer seiner Bergsteiger, scherte jedoch immer wieder aus dessen Team aus, bestieg die Route schließlich auf eigene Faust – und verlor dabei seinen Bruder Günther, der ihm nachkletterte.

Der Tod des Bruders lastete lange auf der Biografie Reinhold Messners. Zumal die Leiche des Jüngeren lange nicht gefunden wurde. Erst vor fünf Jahren wurden seine sterblichen Überreste geborgen. Immer wieder gab es deshalb diffuse Verdächtigungen, Gerüchte und Anschuldigungen, nicht zuletzt durch Herrligkoffer.

Die Sichtweisen dieser beiden Männer gegeneinander gestellt, das Geschehen von 1970 nacherzählt aus den Blickwinkeln dieser beiden Antipoden: Was hätte das für einen spannenden Film ergeben können. Zumal auch Herrligkoffer in einer früheren Expedition 1932 seinen Halbbruder Willy Merkl an eben diesem Berg verloren hatte. Zwei Brüder im Geiste, die das gleiche Ziel verfolgen, aber die Lorbeeren dem anderen nicht vergönnen.

Leider aber zwingt der Mann an den Krücken in der eingangs erwähnten Szene das Interesse gnadenlos auf sich. Das des Forums. Und das des Films. Keine Szene, in dem Herrligkoffer (dargestellt von dem eigentlich sehr nuancenreichen Karl Markovics) fortan nicht als unsympathischer, ja herrischer Pedant dargestellt würde. Der Film aber ist ganz auf der Seite von Reinhold Messner.

Der hat das Projekt sogar von Anfang an begleitet, hat die Story gemeinsam mit dem Filmemacher Joseph Vilsmaier entwickelt, die Schauspieler beraten und die Schauplätze mit ausgewählt. Das ist natürlich in keiner Weise zu beanstanden, rückt den fertigen Film aber von vornherein in den Verdacht einer gewissen Einseitigkeit, den er nicht mal im Ansatz widerlegen will. Selbst Reinhold Messner wollte nach eigener Aussage „selbstkritisch hinterfragen, was am Nanga Parbat passiert ist“. Davon freilich ist nichts zu spüren.

Vielleicht ging es dem Filmemacher ja wie dem Bergsteiger. Er hat den Berg rufen hören. Er ist der Faszination erlegen. Vilsmaier hat einst als Kameramann begonnen, steht noch heute bei all seinen Filmen selbst hinter der Kamera. Und legte einen großen Akzent darauf, wie man diesen Riesen – den neunthöchsten Berg der Welt und dem am schwersten zu bezwingenden – in atemberaubende Breitwandbilder packen kann, die den vertikalen Ausmaßen des Himalaya zuwiderlaufen.

Ein wenig plump dagegen, fast holzschnittartig geraten Vilsmaier die Personenführung und die ungelenke Brudergeschichte. Schon von klein auf denken die Messner-Jungs nur ans Kraxeln, bezwingen als erstes eine 12 Meter hohe Friedhofsmauer. Gucken sonntags in der Messe nur in die Kirchenkuppel, wie man sie auch bezwingen könnte. Wobei Günther von Anfang an darunter leidet, immer nur als der kleine Bruder angesehen zu werden.

Vilsmaier hat mit Florian Stettner und Andreas Tobias auf zwei noch unverbrauchte, nicht festgelegte Jungdarsteller gesetzt. Beide aber reichen an Charisma nicht im Entferntesten an Benno Fürmann und Florian Lukas aus dem Vergleichsfilm „Nordwand“ heran.

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Überhaupt „Nordwand“: Die Eigner-Wand ist gerade mal ein Drittel so hoch. Und doch gelang Philipp Stölzl damit vor anderthalb Jahren ein packender Film, das einen bis zum Schluss mitbibbern, ja trotz des bekannten Endes auf ein Irgendwie-Happy-End hoffen ließ. Ein Drama, das obendrein auf das Comeback des urdeutschesten aller Filmgenres, des Bergfilms, hoffen ließ. „Nanga Parbat“ schien dieses Versprechen einlösen zu wollen, und die Dramatik der 40 Jahre alten Geschichte schien sich zu potenzieren durch die tödlichen Unglücke (Karl Unterkirchner im Juli 2008, Walter Köblinger und Go Mi-sun im Juli 2009), die die Dreharbeiten vor Ort schicksalhaft umrahmten.

Und dennoch bleibt man am Ende des Films ratlos und seltsam unberührt zurück. Wohl auch, weil man allzu sehr glaubt, einer reinen Rechtfertigungskampagne Reinhold Messners beigewohnt zu haben. Ein wenig differenzierter hätte das Ganze schon werden können.

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