Zum Inhalt springen

Kindesmissbrauch Atheisten wollen Papst festnehmen lassen

Haftbefehl gegen den Papst? Wegen des Missbrauchsskandals wollen die prominenten Atheisten Richard Dawkins und Christopher Hitchens die Justiz drängen, Benedikt XVI. bei seinem Großbritannien-Besuch festnehmen zu lassen. Er habe sich Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht.
Richard Dawkins (im Oktober 2007): Papst Benedikt XVI. im Visier

Richard Dawkins (im Oktober 2007): Papst Benedikt XVI. im Visier

Foto: ddp

Richard Dawkins

London - Dass der Bestsellerautor und Chef-Atheist wenig Begeisterung für den Papst empfindet, ist soweit bekannt. Dass er ihn gleich ins Gefängnis werfen lassen möchte, ist allerdings neu.

Benedikt XVI.

Missbrauch von Kindern durch Priester

Zusammen mit seinem Autorenkollegen Christopher Hitchens ("God is not great") hat Dawkins nun eine Initiative gestartet, um genau das zu erreichen. Der Plan der beiden streitbaren Briten: soll hinter Schloss und Riegel. Grund ist der Umgang der katholischen Kirche mit dem .

Dawkins und Hitchens werfen dem Papst vor, die Vorkommnisse gezielt verschleiert zu haben. "Dieser Mann steht nicht außerhalb der Gesetze. Das institutionalisierte Verschweigen der Vergewaltigung von Kindern ist ein Verbrechen nach jedem Gesetz", wird Autor Hitchens in der britischen "Times" zitiert. Zusammen mit Dawkins hat er die beiden Menschenrechtsanwälte Geoffrey Robertson und Mark Stephens auf den Fall angesetzt.

Atheisten

Geht es nach dem Willen der , soll die britische Justiz beim geplanten Großbritannien-Besuch des Papstes vom 16. bis 19. September zuschlagen. Dann soll Benedikt XVI. London, Glasgow und Coventry besuchen. Dawkins und Hitchens werfen dem Kirchenführer Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Das ist ein völkerstrafrechtlicher Tatbestand, der seit den Nürnberger Prozessen im Jahr 1945 verwendet wird. Dabei geht es nach dem Verständnis des Internationalen Strafgerichtshofes normalerweise um Taten, die weit verbreitet oder systematisch sein müssen.

Die Atheisten und ihre Anwälte gehen nach eigenen Angaben davon aus, dass der Papst sich bei seiner Großbritannienreise nicht auf seine diplomatische Immunität berufen könnte - obwohl es sich um einen Staatsbesuch handelt. Der Vatikanstaat, an dessen Spitze Benedikt XVI. steht, sei schließlich nicht "von den Vereinten Nationen anerkannt", sagte der Jurist Stephens. Allerdings hat der Heilige Stuhl einen Beobachterstatus bei der Uno.

Das Verhältnis zwischen Dawkins und der katholischen Kirche dürfte der Vorstoß noch weiter verschlechtern - wenn das denn überhaupt geht. So hatte der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner in einer Predigt im vergangenen Jahr Dawkins' Ideen mit denen des Nationalsozialismus verglichen.

Welche Folgen die Ankündigungen für die Reisepläne des Papstes haben werden, muss sich zeigen. Die frühere israelische Außenministerin Zipi Livni musste im vergangenen Jahr eine Großbritannien-Reise wegen eines ähnlichen, allerdings konkreteren Falles absagen. Palästinenser hatten sie wegen angeblicher Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen verklagt. Ein Gericht in London hatte einen Haftbefehl wegen des Vorwurfs erlassen, dass israelische Soldaten während des Gaza-Kriegs an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein sollen.

"Kardinal Ratzinger hat den Fall nicht gedeckt"

Der Vatikan hat den Papst unterdessen erneut gegen Beschuldigungen verteidigt, er sei in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht energisch genug gegen einen pädophilen Geistlichen in den USA vorgegangen. US-Medien hatten berichtet, der damalige Kardinal Joseph Ratzinger habe sich 1985 als Präfekt der Glaubenskongregation gegen die rasche Entlassung des Priesters ausgesprochen. "Kardinal Ratzinger hat den Fall Stephen Kiesle aus Kalifornien nicht gedeckt", sagte dagegen der Vizepressesprecher des Vatikan, Padre Ciro Benedettini. Vielmehr habe der heutige Papst, wie auch aus einem Brief klar ersichtlich sei, "einzig darum gebeten, die Sache gründlicher zu untersuchen zum Wohl aller Beteiligten", kommentierte er die neuen Vorwürfe weiter.

Papst Benedikt XVI.: Neue Vorwürfe zu seiner Amtsführung in den achtziger Jahren

Papst Benedikt XVI.: Neue Vorwürfe zu seiner Amtsführung in den achtziger Jahren

Foto: Pier Paolo Cito/ AP

Nach den Berichten der "New York Times" hatte Kiesle selbst zusammen mit dem damaligen Bischof von Oakland, John Cummins, 1981 erstmals den damaligen Papst Johannes Paul II. um Entlassung gebeten. Erst vier Jahre später sei ihnen dann in einem von Ratzinger unterzeichneten Schreiben mitgeteilt worden, dass in dem Fall mehr Zeit benötigt werde. Für eine Entscheidung müsse das Wohl der gesamten Kirche in Betracht gezogen werden.

Unter anderem die "New York Times" berichtete weiter, dass Cummins in einem Brief an Ratzinger 1982 weitere Informationen über den Priester übermittelt und erneut dessen Entlassung erwünscht hatte. "Ich bin davon überzeugt, dass es keinen Skandal geben wird, wenn dem Antrag stattgegeben wird, und dass es tatsächlich - aufgrund der Natur der Sache - einen größeren Skandal für die Gemeinde geben könnte, wenn es Vater Kiesle erlaubt würde, ins aktive Priesteramt zurückzukehren", zitierte die Zeitung aus dem Schreiben. Erst 1985 habe sich Ratzinger dann wieder gemeldet und um mehr Zeit gebeten. Außerdem habe er auf das noch junge Alter des Priesters verwiesen. Kiesle war zu diesem Zeitpunkt 38 Jahre alt.

Kiesle war 1978, sechs Jahre nach seiner Priesterweihe, erstmals wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden. Nach Angaben der Diözese Oakland durfte er nach seiner Verurteilung zunächst nicht mehr als Seelsorger arbeiten. Außerdem habe er sich in Behandlung begeben. 1985 habe er aber wieder ehrenamtlich im Jugendgottesdienst einer seiner alten Gemeinden gearbeitet. Erst 1987 sei er schließlich aus dem Priesteramt entlassen worden.

chs/dpa