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Politik (Print DW)

Das liberale Ausnahmetalent

Chefredakteur
Johannes Vogel gibt den Job als Chef der Jungen Liberalen ab - und hinterlässt eine Lücke

Er ist 27 Jahre alt und sieht jünger aus. Das ist einer seiner Vorteile. Es hilft beim Unterschätzt-werden. Innerhalb der FDP ist Johannes Vogel, der Chef der Jungen Liberalen (JuLis), längst zur wichtigen Perspektivgestalt geworden. Auch die Altvorderen trauen ihm viel zu. Er, der abends dank Turnschuhen, Jeans und Wuschelfrisur auch mit dem Gitarristen einer Indie-Band verwechselt werden könnte, führt eine 17-Mann-Abteilung jener JuLis, die es nach den 14,6 Prozent für die FDP in den Bundestag geschafft haben. Dort etabliert er als arbeitsmarktpolitischer Sprecher selbstbewusst und unbekümmert einen neuen sympathischen Tonfall, der in dieser Fraktion nicht gerade üppig gesäht ist.

Talkshows laden den unkonventionellen FDPler gern ein. Dort fällt er mit einem parteiuntypisch ungegelten Charme auf. Dass Vogel seine politische Arbeit bei den Grünen begann, in einem eher rot-grünen Haushalt aufwuchs und nie auch nur andeutungsweise Liberalismus auf seine ökonomischen Kernbotschaften reduzierte, hat ihn zum Emissär in jene Milieus junger Wähler werden lassen, die die FDP bisher nicht erreichen konnte. Mehr noch: Unter seiner Führung haben die JuLis die alten Klischees über diese vermeintliche Streberorganisation zum Teil entkräften können - auch dank eines gesegneten Maßes Selbstironie. Mit einem unorthodoxen Werbespot vor der Wahl gelang den Julis ein Überraschungserfolg. Der Spot zeigte die vielen Gesichter einer Organisation, die mehr zu bieten hat als den alerten BWLer mit Aktenkoffer oder die angehende Juristen mit Perlenkette. Leute wie den JuLi-Vorstand Hanni Wolf, einem "taz"-Redakteur oder Skater nicht unähnlich, verdeutlichte, dass die JuLis Individualität und Eigenbrötlerei fördern und nicht verhindern.

Nach fünf Jahren als Bundesvorsitzender der JuLis will Vogel nächstes Wochenende bei den Vorstandswahlen nicht mehr antreten. Für die FDP birgt dies die Gefahr, dass die JuLis als intellektuelles wie lebensweltliche Inspirationsquelle an Kraft verlieren. Selbst politisch Andersdenkenden erkennen in Vogel, der mit 22 Jahren in die Bundespolitik fand, ein Ausnahmetalent: rhetorisch versiert und unangepasst, wenn es darum geht, der eigenen Partei auch unangenehme Programmpunkte zur Diskussion zu stellen. Das wurde schon deutlich, als die JuLis 2005 auf dem Bundesparteitag die Forderung nach Wiederabschaffung des "großen Lauschangriffes" durchsetzen konnten, obwohl es dafür absehbar keine parlamentarische Mehrheit geben kann.

Von Anfang an ging es Vogel um einen ganzheitlichen Liberalismus, der auch soziale Fragen ernst nimmt. Er tut dies nicht nur aus Überzeugung, sondern auch, weil er die FDP nur so langfristig als eine mittelgroße Partei erfolgreich wirken sieht. Vogel glaubt, dass dieser Liberalismus für noch viel mehr Menschen "anschlussfähig" sei. Bei der vergangenen Bundestagswahl sind viele ehemalige SPD-Wähler zu den Liberalen gekommen. Gerade in den Städten gäbe es jedoch unzählige liberal gesinnte Jüngere, die heute meist noch grün wählen. "Für viele dieser Menschen", sagte Vogel der "Welt am Sonntag", "wären wir nach meiner festen Überzeugung aber die bessere politische Heimat."

Die FDP muss von allen drei Parteien gewinnen können. "Bei den grünen Wählern sind wir da", so Vogel. "bisher am schlechtesten." Gerade hier sehe er aber großes Potenzial für die liberale Botschaft einer freieren und menschlicheren Gesellschaft. "Gerade weil sich die Grünen als Partei bei näherem Hinsehen doch oftmals als staatsgläubig und deutlich weniger tolerant als gedacht entpuppen. Bei den Grünen-Wählern bleibt also eindeutig noch am meisten zu tun", findet Vogel.

Um seine Karriere muss er sich keine Gedanken machen, selbst falls die FDP bei der nächsten Wahl einen Denkzettel erhält. Vogel ist ein Mann der Zukunft mit einer schon viel versprechenden Gegenwart. Er kann warten. Die JuLis werden an Vogels Strategie festhalten. Noch nie hatten sie mehr Mitglieder. Liberalismus in der Jugendorganisation einer Partei bedeutet - in den Worten Vogels - "eine besondere Sensibilität für die Freiheit zukünftiger Generationen" zu entwickeln: "Dass schafft natürlich eine besondere Sensibilität für Umwelt- und Klimaschutz sowie Nachhaltigkeit bei den Staatsfinanzen und den sozialen Sicherungssystemen." Zudem haben die JuLis einen dezidiert "weltinnenpolitischen" Anspruch in der Außenpolitik formuliert. Für Vogel als überzeugten Liberalen ist das selbstverständlich: "Wenn man an universelle Entfaltungsrechte glaubt, kann man diese nicht nur für die Menschen im eigenen Land haben wollen." Hört man da einen künftigen Außenminister heraus?

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