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Die neue Macht der Bürgerlichen

Hatte sich lange Jahre die Berner Parteienlandschaft nur in überschaubaren kleinen Schritten verändert, so wurde sie bei der Wahl am Wochenende geradezu umgepflügt. Die Partei der SVP-Dissidenten, die neue BDP, holte aus dem Stand einen Wähleranteil von 16 Prozent und 25 Sitze im Grossen Rat, obwohl auch die SVP mit 26,6 Prozent gegenüber ihrem Ergebnis von 2006 kaum Terrain einbüsste. Die FDP erlebte einen brutalen Absturz, verlor einen Drittel ihrer Grossratssitze und ist noch eine 10-Prozent-Partei. Auch die SP erlitt starke Verluste; auch ihr Wähleranteil erreichte einen historischen Tiefstand von 18,9 Prozent.

Das Berner Volk bestätigte am Wochenende die rot-grüne Mehrheit im Regierungsrat, anderseits sorgte es bei der Parlamentswahl dafür, dass im Grossen Rat statt einer wackeligen wieder eine solide bürgerliche Mehrheit herrscht. Beides hat – es tönt etwas paradox – mit dem SVP-BDP-Duell zu tun. Der Hauskrach führte zum einen dazu, dass die bürgerlichen Parteien einander im Regierungsratswahlkampf nicht wirklich unterstützten, was die Wiederwahl der rot-grünen Regierungsmehrheit zumindest erleichterte. Der SVP-BDP-Krach aber führte eben auch dazu, dass beide Parteien bei der Grossratswahl stark mobilisierten und die Wähleraufmerksamkeit auf sich zogen – was am Ende, trotz FDP-Absturz, zur Wiederherstellung einer klaren bürgerlichen Mehrheit im Kantonsparlament führte.

Während es im Regierungsrat schon 1986 bis 1990 eine erste Episode mit einer rot-grünen Mehrheit gegeben hatte, so schien die bürgerliche Mehrheit im Grossen Rat über die Jahrzehnte hinweg unerschütterlich – bis zum Jahr 2006: Mit der Verkleinerung des Parlaments von 200 auf 160 Sitze und der Vergrösserung der Wahlkreise verloren SVP und FDP ihre historische Mehrheit. Sie belegten nur noch 73 Sitze, und eine hauchdünne bürgerliche Mehrheit von 81 Sitzen gab es nur noch unter Einbezug von EDU, Freiheitspartei und Schweizer Demokraten. Dies führte dazu, dass in den letzten vier Jahren die bürgerlichen Fraktionsspitzen deutlich mehr Druck aufbauten auf Leute, die von der Parteilinie abweichend stimmen oder zur falschen Zeit Kaffee trinken wollten. Es kam oft auf jede einzelne Stimme an.

Diese Zeiten sind nun vorbei. Mit 86 Sitzen haben SVP, BDP und FDP wieder eine gefestigte bürgerliche Mehrheit. Mit den fünf EDU-Männern beträgt sie sogar 91 Mandate. Doch was wird sich damit ändern? Wird der Grosse Rat wieder eine pointiert bürgerliche Politik betreiben? Wird er vermehrt auf Konfrontation zur rot-grünen Regierungsmehrheit gehen? Wird die bürgerliche Mehrheit in der Finanzpolitik einen forscheren Spar- und Steuersenkungskurs fahren? Es ist zu bezweifeln.

Denn zum einen ist das bürgerliche Lager trotz rechnerischer Mehrheit natürlich immer noch nicht geeint. Die Missstimmung zwischen BDP und SVP dauert an. Zudem haben beide Parteien am Wochenende gemerkt, dass ihr Wahlerfolgs-Heil in der Abgrenzung von der jeweils anderen Partei liegt. Offen ist zudem, wo sich die BDP mittelfristig in der Parteienlandschaft positionieren will. Wie die SVP politisieren wollen, nur ohne Schmähreden – das reicht irgendwann nicht mehr.

Zum zweiten war es ja auch in der Vergangenheit so, dass viele Auseinandersetzungen im Parlament nicht nach dem Rechts-Links-Schema liefen. Bei Strukturreformen oder bei Bildungsfragen stimmten oft die FDP und die SP gegen die SVP. In Energie- und Umweltfragen stimmten manchmal die Bürgerlichen gegen die Rot-Grünen (etwa als sie die Lenkungsabgabe auf Strom bodigten), manchmal aber auch Teile der Bürgerlichen mit den Rot-Grünen (so als der Rat den obligatorischen Gebäudeenergieausweis beschloss).

Regelmässig entlang der Frontlinie Bürgerliche gegen Rot-Grüne verliefen dagegen die zentralen Auseinandersetzungen in Finanzfragen: Wenn es um Sparprogramme oder Steuersenkungen ging, dann wagte kaum einer, von der Parteilinie abzuweichen, weder auf der linken noch auf der rechten Seite. Die Positionen schienen wie betoniert, wie, als letztes Beispiel, die Steuersenkungsdebatte in der Märzsession zeigte, als das bürgerliche Lager gegen heftige Opposition von Rot-Grün ein Steuersenkungsprogramm von 300 Millionen Franken durchsetzte.

Auch da aber wird sich möglicherweise nicht allzu viel ändern. Was die Bürgerlichen an Steuersenkungen erreichen wollten, haben sie schon in der Vergangenheit mit ihrer wackeligen Mehrheit durchgesetzt. Diese Pläne können sie künftig mit soliderer Mehrheit mit weniger Anstrengung durchbringen. Nicht nur SVP-ler forderten nun zwar im Wahlkampf einen forscheren bürgerlichen Finanzkurs, der weitergehende Steuersenkungen dank Aufgabenabbau beim Staat ermöglichen möchte. Dafür aber wird wohl auch das nun grössere bürgerliche Lager keine Mehrheit finden. Zum einen hat sich die BDP schon mehrfach für ein sorgfältiges Haushalten mit den Staatsfinanzen ausgesprochen. Und zweitens gibt es innerhalb des bürgerlichen Lagers die starke Gruppe der Gemeinden- und Landregionenvertreter: Sie will weder einen Staatsabbau, der die Landregionen spürbar treffen könnte, noch Steuersenkungen, die auch die Gemeindekassen leeren. Und diese Gruppe hat schon in der letzten Steuersenkungsrunde die bürgerlichen Steuersenkungsvorkämpfer zu einem Kompromiss gezwungen – noch bevor sie sich im Parlament gegenüber der Ratslinken durchsetzten.