Verstößt der US-Drohnenkrieg gegen internationales Recht?

Die Obama-Regierung setzt weiter auf gezielte Tötungen mit Drohnen auch in Nicht-Kriegsgebieten wie Pakistan oder Jemen

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Der Einsatz von bewaffneten Drohnen zur gezielten Tötung von mutmaßlichen Terroristen und Widerstandskämpfern ist auch für die Obama-Regierung eine beliebte Option geblieben. Sie gefährdet keine eigenen Truppen, ersetzt verdeckte Operationen in Ländern, in denen offiziell nicht Krieg geführt wird, ist kostengünstig und findet bislang in einem rechtlich ungeklärten Raum statt, wenn Menschen mit den Drohnen, die in den USA ferngesteuert werden, etwa in Pakistan, im Jemen oder in Somalia verfolgt und getötet werden, "Kollateralschaden" und Verwechslungen inbegriffen.

Nachdem die Bürgerrechtsorganisation ACLU eine Klage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (FOIA) an das Verteidigungs-, Außen- und Justizministerium gestellt hat und eine bislang verwehrte Einsicht in die rechtlichen Grundlagen für den Einsatz von Drohnen im Ausland zur Tötung von Menschen verlangt, hat sich am Dienstag auch ein Ausschuss des Repräsentantenhauses mit dem heiklen Thema beschäftigt. ACLU sagt, die US-Bürger hätten das Recht zu wissen, ob sich die Einsätze an internationales Recht halten und ob sie mit den Interessen und Werten des Landes vereinbar sind. Erfahren will ACLU nicht nur die rechtlichen Grundlagen, sondern auch den Umfang des Drohnenprogramms, die Zahl der getöteten Zivilisten sowie die Kontrollmechanismen.

Im Kongress hatte der Unterausschuss zur Nationalen Sicherheit und Auswärtige Angelegenheiten des Committee on Oversight and Government Reform die Anhörung mit dem Titel Rise of the Drones: Unmanned Systems and the Future of War veranstaltet. Der Vorsitzende John F. Tierney, ein Demokrat, fragt beispielsweise, ob der Einsatz von Kampfdrohnen eine offizielle Kriegserklärung oder eine Genehmigung für die Anwendung von Gewalt erfordert, woraus man schließen kann, dass auch die Abgeordneten keine Ahnung haben, auf welcher Grundlage Pentagon und CIA hier agieren. Eine Frage sei auch, ob die Genfer Konventionen noch für das Führen eines "unmanned war" zuständig seien. "Unmanned" sind freilich nur die Robotfahrzeuge selbst bislang, gesteuert und bedient werden sie weiterhin von Menschen. Noch sind keine autonomen Kampfroboter im Einsatz.

Aber Tierney will auch wissen, wer ein legaler Kämpfer ist: der USAF-Pilot, der Tausende von Kilometern vom Einsatzort entfernt die Drohne steuert, oder derjenige, der die Drohne vor Ort wartet, ausrüstet und startbereit macht. Und problematisch könnten auch die Belastungen für die Piloten sein, die eine Drohne steuern, Menschen töten und dann zum Abendessen nach Hause gehen.

Seltsam ist in der Tat, dass der Einsatz von bewaffneten Drohnen etwa in Pakistan nicht nur von der Regierung geduldet wird, sondern dass hier niemand von einem Krieg sprechen will. Peter Singer vom Brookings Institute sagte, dass allein in diesem Jahr bis 12. März 112 Angriffe mit Drohnen erfolgt seien. Normalerweise würde man hier von einem Krieg sprechen. Singer fragt, ob dies deswegen so sei, weil die Drohnen meist von der CIA gesteuert würden, weil der Kongress darüber nie diskutiert habe, weil es so kostengünstig ist oder weil es noch keine Kriterien der Verantwortung gibt, wenn Roboter über Tausende Kilometer hinweg gesteuert werden. Er gibt zu bedenken, dass Drohnen, ausgestattet mit Raketen oder biologischen, chemischen oder radioaktiven Waffen, zwar jetzt die Kriegsführung für die USA vereinfachen, aber dass sie auf jeden Fall auch von Feinden, von kleinen Gruppen und Terroristen verwendet werden.

Rechtsprofessor Kenneth Anderson von der American University ist der Meinung, dass die US-Regierung und der US-Kongress dringend die rechtliche Grundlage für den Einsatz bewaffneter Drohnen klären müssen, da dies im Ausland zunehmend als Verletzung des internationalen Rechts gesehen wird. Am Drohnenprogramm beteiligte CIA- und Pentagon-Mitarbeiter könnten so auch in Gefahr laufen, im Ausland wegen Kriegsverbrechen angeklagt zu werden.

Als rechtliche Grundlage sieht Anderson in Nicht-Kriegsgebieten wie in Pakistan oder Jemen das Recht auf Selbstverteidigung in einem bewaffneten Konflikt. Wo immer der Feind sich aufhält, könne er im Prinzip verfolgt und getötet werden, meint der Professor, dennoch müsse die rechtliche Grundlage geklärt sein. Begrenzte und gezielte Angriffe auch durch CIA-Mitarbeiter könnten auch deswegen im Rahmen der Selbstverteidigung erlaubt sein, weil sie dazu dienen, eine weitere Eskalation des Konflikts zu vermeiden. Wenig beizutragen hat der Professor aber, wie es denn mit internationalem Recht vereinbart werden könnte, dass Menschen einfach aufgrund irgendwelcher Vermutungen einfach gezielt getötet werden dürfen. Außerhalb des Schlachtfelds eines erklärten Kriegs könnte es sich schlicht um Mord handeln. Doch für Anderson steht nur die rechtliche Begründung aus, ansonsten sieht er das Drohnenprogramm als einen "humanitären Schritt vorwärts", weil es eben eine gezielte Tötung von Feinden ermöglicht, die sich hinter Zivilisten verstecken und Kriegsverbrechen begehen.