Politik

Offizielle Zahlen stimmen nicht Arbeitslosenstatistik ist geschönt

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(Foto: picture alliance / dpa)

Seit Jahren veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit eine Arbeitslosenstatistik, die nicht der Realität entspricht. Offiziell weist die BA für November 2,713 Millionen Arbeitslose aus. In Wirklichkeit sind es Millionen mehr. Dazu zählen Tausende Ältere, die als nicht vermittelbar gelten sowie Dauererkrankte, Ein-Euro-Jobber, privat Vermittelte und Menschen in einer Fortbildung.

In Deutschland sind als von der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgewiesen. Zu ihnen zählen ältere Menschen ebenso wie jene, die sich in einer von der BA finanzierten Ausbildung befinden, Langzeiterkrankte, Ein-Euro-Jobber, solche, die sich aufgegeben und sich nicht bei der BA gemeldet haben, und schließlich jene Arbeitslosen, die von privaten Agenturen vermittelt werden sollen. Das hat das Bundesarbeitsministerium in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen bestätigt.

Menschen in einer Fortbildungsmaßnahme gelten nicht als arbeitslose.

Menschen in einer Fortbildungsmaßnahme gelten nicht als arbeitslose.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Allein unter den erstgenannten befinden sich mehr als 100.000 ältere Menschen, die aus der Statistik herausgerechnet werden. Wer mindestens 58 Jahre alt ist und wenigstens zwölf Monate bezieht, ohne ein Jobangebot bekommen zu haben, gilt nicht als arbeitslos. Im November 2011 waren dies bereits knapp 105.000 Personen. Diese Regelung war bereits 2008 von der schwarz-roten Bundesregierung eingeführt worden. Würde man allein diese Gruppe in die Statistik einrechnen, ergibt sich eine Arbeitslosenquote der 55- bis 64-Jährigen von 9,7 und nicht von 8,0 Prozent.

Offiziell hatte die BA für November 2011 rund 2,713 Millionen Arbeitslose vermeldet und darauf verwiesen, dass dies 214.000 weniger seien als vor einem Jahr.

Ministerium weist Kritik zurück

Das Bundesarbeitsministerium bestätigte die Zahlen, wies den Vorwurf der Trickserei aber zurück. "Es wird nichts verschleiert", hieß es. "Entscheidend ist nicht die Art der statistischen Erfassung, sondern dass Ältere in Beschäftigung bleiben und wieder schnell in Beschäftigung finden", erklärte das Ministerium. Auch über 58-Jährige erhielten weiterhin Jobangebote und würden betreut. Zudem enthalte die amtliche Arbeitslosenstatistik sehr wohl auch die entsprechenden Zahlen; sie würden lediglich in der Rubrik "Unterbeschäftigung" ausgewiesen.

Wer privat vermittelt wird, gilt nicht mehr als Arbeitssuchender.

Wer privat vermittelt wird, gilt nicht mehr als Arbeitssuchender.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wer an den sogenannten "Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung" teilnimmt, wird ebenfalls nicht als arbeitslos erfasst. Im Klartext betrifft das Jobsucher, die mit Trainings und Weiterbildungen auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden sollen. Speziell über diese Rechnung gibt es immer wieder heftigen Streit unter Politikern, denn tatsächlich sind Erwerbslose, die zum Beispiel an einem Computerkurs teilnehmen, selbstverständlich weiterhin ohne Job. Die Begründung der BA, warum diese Arbeitslosen offiziell nicht mehr arbeitslos sind: Sie stehen für die Dauer ihrer Weiterbildung der Jobvermittlung nicht zur Verfügung; man nennt sie daher "stille Reserve".

Kranke und Private sind nicht arbeitslos

Jobcenter können Arbeitssuchende auch einen Gutschein ausstellen, mit dem sie sich dann eine private Arbeitsvermittlung organisieren können. Seit 2009 werden diese durch private Träger vermittelten Arbeitslosen nicht mehr in die offizielle Statistik aufgenommen, weil auch sie für die Vermittlung durch die Jobcenter nicht mehr zur Verfügung stehen.

Auch Langzeiterkrankte gelten nicht als arbeitslos, denn nach offizieller Definition kann nur als arbeitslos zählen, wer tatsächlich auch vermittelbar ist. Dauerhaft Krankgeschriebene können dies nicht und sind deswegen auch nicht vermittelbar, also auch nicht "arbeitslos".

Auch ein Ein-Euro-Job ist ein Job

Über 100.000 Ältere tauchen in der Statistik nicht mehr auf.

Über 100.000 Ältere tauchen in der Statistik nicht mehr auf.

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Menschen, die im Rahmen der sogenannten "Bürgerarbeit" beschäftigt sind, gelten ebenfalls nicht als arbeitslos. Die Bürgerarbeit wurde von der BA im Juli 2010 gestartet. Ziel ist es, geeignete Arbeitssuchende, die nach einem halben Jahr Vermittlung durch das Jobcenter dennoch keine Arbeit gefunden haben, in einer gemeinnützigen Aufgabe zu beschäftigen und auch zu bezahlen.

Auch die sogenannten "Ein-Euro-Jobber" werden nicht als arbeitslos gezählt. Offiziell heißen solche Jobs "Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung" und stehen für Empfänger von ALG II zur Verfügung. Sie sollen vor allem Langzeitarbeitslosen helfen, den Weg zurück in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Sie erhalten keinen Lohn sondern nur eine Aufwandsentschädigung. Die liegt in der Regel zwischen 1 Euro und 2,50 Euro. Dennoch gelten Menschen in solchen "Arbeitsgelegenheiten" nicht mehr als arbeitslos.

Hinzu kommt, dass nicht jeder, der Arbeitslosengeld I oder II erhält, tatsächlich keine Arbeit hat. Rund ein Drittel aller ALG-Empfänger stockt auf: Das sind Arbeitnehmer, die in ihren Jobs zu wenig verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und deswegen Hilfe vom Staat bekommen. Darunter fallen jene, die für ihren Start in die Selbstständigkeit einen Gründungszuschuss bekommen. Auch Menschen in Altersteilzeit, die auf Arbeitslosengeld angewiesen sind, gelten nicht als arbeitslos.

Die Grünen werfen der Bundesregierung deshalb vor, bei den Arbeitslosenzahlen vor der Einführung der Rente mit 67 zu tricksen. Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer forderte in der "Süddeutschen Zeitung" eine "ehrliche Arbeitslosenstatistik, die nicht länger die Probleme verschleiert".

Die Änderung der statistischen Erfassung Älterer war seinerzeit sehr umstritten. Gegen die Änderung hatte sich auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ausgesprochen. Die Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit hatte in ihrer Stellungnahme vor der Änderung gewarnt, weil damit "die Arbeitslosigkeit dieser Altersgruppe künstlich reduziert" würde. "Unseres Erachtens gibt es keine Notwendigkeit für eine Regelung, die dazu führt, dass die Arbeitslosigkeit dieser Altersgruppe weniger stark wahrgenommen wird." Außerdem bestehe die Gefahr, dass sich Jobcenter nicht mehr um ältere, aus der Statistik herausgefallene Erwerbslosen zu bemühten, hatte IAB zu bedenken gegeben.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa

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