Bis auf fünf Stellen hinter dem Komma genau werden Asylbewerber in Deutschland verteilt. So muss Nordrhein-Westfalen 21,24052 Prozent aller ankommenden Flüchtlinge aufnehmen, Bremen dagegen nur  0,94097 Prozent. Festgelegt ist das seit Langem im Königsteiner Schlüssel, der sich nach der Einwohnerzahl und dem Steueraufkommen der einzelnen Bundesländer bemisst.

Der Schlüssel gilt allerdings nur für die Verteilung auf die Länder. Wie diese dann die Flüchtlinge wiederum auf ihre Kommunen und Kreise verteilen, ist ihnen überlassen und unterliegt keinem einheitlichen System.

Erstmals zeigt unsere Karte nun die Verteilung der Flüchtlinge auf Kreisebene. Denn es ist ganz unterschiedlich geregelt, wie viele Asylbewerber jeweils in den Landkreisen, Städten und Gemeinden unterkommen. Jedes Land hat dazu seine eigenen Quotierungsverfahren.

Nordrhein-Westfalen etwa verteilt die Asylbewerber nach Bevölkerung und Fläche, Hessen berücksichtigt Ausländeranteil und Einwohnerzahl, Baden-Württemberg legt allein die jeweilige Bevölkerungszahl zugrunde.

Einige Länder führen keine Statistik darüber, wie viele Flüchtlinge tatsächlich in den Landkreisen ankommen. Andere, wie Baden-Württemberg, wollten ihre Daten lieber für sich behalten. Hier mussten wir uns auf eigene Berechnungen verlassen, die wir anhand des Königsteiner Schlüssels und der Art der Verteilung im jeweiligen Land vorgenommen haben. Die Realität sieht sicher auch in Süddeutschland nicht so homogen aus, wie es die Karte erscheinen lässt.

Wo uns absolute Zahlen vorliegen, sind die Landkreise und kreisfreien Städte grau eingefärbt. Je kräftiger ein Landkreis eingefärbt ist, desto mehr Flüchtlinge kommen auf 1.000 Einwohner. Die Daten der schraffierten Länder liegen unsere eigenen Berechnungen zugrunde.

Auch stießen wir bei unseren Recherchen auf einige Ungereimtheiten: Hessen hätte zum Beispiel dem Königsteiner Schlüssel entsprechend 13.098 Flüchtlinge im ersten Halbjahr aufnehmen müssen, hat aber laut Pressestelle 17.601 Flüchtlinge auf seine Landkreise verteilt. Im Saarland sind dagegen statt 2.176 nur 1.966 Asylbewerber in den Städten und Gemeinden gelandet. Auch Sachsen hat etwa 2.000 Menschen weniger auf die Kreise verteilt, als gesetzlich in dem Bundesland unterkommen sollten.

Ein Grund könnten Flüchtlinge sein, die bereits im vergangenen Jahr Asyl beantragt haben, aber erst dieses Jahr verteilt wurden. Ein weiterer Grund ist die lange Bearbeitungszeit. Ausländer, die sich asylsuchend melden, werden zunächst in die Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder geschickt, um anschließend auf Kreise und Städte weiterverteilt zu werden. Es dauert oft Wochen und Monate, bis Asylbewerber da ankommen, wo sie hinsollen.

Dazu kommen Sonderregelungen: Die Kreise und Städte, in denen sich Erstaufnahmeeinrichtungen befinden – wie in Neumünster, Suhl oder im Harz – sind häufig von der weiteren Verteilung ausgenommen. Bremen hat im ersten Halbjahr 2015 nach eigenen Angaben mehr als 2.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zusätzlich aufgenommen. Hessen drückt bei der Verteilung hier und da ein Auge zu, damit Familien nicht auseinandergerissen werden. So kommen Flüchtlinge manchmal doch in ein anderes Bundesland, als ursprünglich vorgesehen. Selbstverständlich spiele auch die aktuell verfügbare Kapazität in den Kreisen eine Rolle, sagt die Pressestelle des Landes.

Freie Wohnungen

Unsere zweite Karte zeigt den kommunalen Leerstand, also Wohnungen, die der jeweilige Kommune oder einer Firma gehören, die mindestens zu 50 Prozent im Eigentum der Gemeinde ist. Die Zahlen hat das Statistische Bundesamt im Zensus 2011 erhoben. Aktuellere Erhebungen über den Wohnungsmarkt gibt es nicht.

Der Wohnungsmarkt ist enormen Schwankungen ausgesetzt und die Zahlen werden sich in den letzten vier Jahren sicher verändert haben. Dennoch lässt sich nach Angaben des Bundesamtes eine Tendenz daraus ablesen: Im Osten stehen tendenziell mehr Wohnungen frei. Die Landkreise in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg verfügen laut Zensus 2011 über die meisten leerstehenden Wohnungen in kommunalem Besitz. Aber auch einige Regionen im Westen verzeichnen erheblichen Leerstand. Auffällig sind etwa Saarbrücken, Köln und Duisburg.

Interessant ist auch, dass in Dortmund, der Stadt am anderen Ende des Ruhrgebiets, nur sehr wenige kommunale Wohnungen leer stehen. Die Pressestelle der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Dogewo erklärt den Unterschied zu Duisburg mit politischen Entscheidungen der Vergangenheit. Auch ziehen nach Dortmund im Gegensatz zu Duisburg in den letzten Jahren wieder mehr Menschen.

Geht man davon aus, dass in jeder leerstehenden Wohnung drei Geflüchtete wohnen könnten, wäre selbst im rheinland-pfälzischen Pirmasens Platz für über 600 Flüchtlinge. Die Stadt hat im ersten Halbjahr 2015 jedoch nur 87 Asylbewerber aufgenommen. Selbst Berlin könnte in seinen 7.243 leerstehenden Wohnungen deutlich mehr Menschen unterbringen als die zugewiesenen 15.290.

Doch die dezentrale Unterbringung ist umstritten. Nur in wenigen Bundesländern kommen Flüchtlinge in Wohnungen unter. In Bayern herrscht sogar eine Lagerpflicht, die das bayerische Innenministerium 2002 unter Günther Beckstein (CSU) einführte. Eine Bleibe, so die Autoren des Gesetzes, dürfe nicht zum Bleiben ermutigen.

Immer wieder fordern Politiker, bei der Verteilung nicht nur die Einwohnerzahl und das Steueraufkommen zu berücksichtigen. Eine gerechtere Quote müsse auch Faktoren wie die Arbeitslosigkeit, den Wohnungsleerstand oder den Ausländeranteil berücksichtigen.

Jüngst forderte deshalb etwa der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann auch den Leerstand mit einzubeziehen. Sein erklärtes Ziel: Mehr Flüchtlinge in den bevölkerungsarmen Osten.

Prompt wurde von anderen Politikern der Königsteiner Schlüssel verteidigt – er sei bewährt, gerecht und man dürfe ihn nicht so einfach über den Haufen werfen.

Die Kaufkraft der Landkreise

Unsere dritte Karte zeigt deshalb eine weitere Komponente: die Kaufkraft der Landkreise. Der Mittelwert liegt bei 100. Die Einwohner in Landkreisen mit höherem Wert geben mehr Geld aus, diese verfügen folglich auch über ein höheres Steueraufkommen. Kurz: Sie sind reicher. Umgekehrt gilt das genauso. Auch hier ist nicht allein der Osten betroffen: Gelsenkirchen oder der Kreis Bitburg-Prüm in der Eifel liegen gleichauf mit Görlitz und Mittelsachsen.

Besonders gute Voraussetzungen für die Aufnahme von Flüchtlingen – das zeigen die beiden Karten – bieten Städte, in denen einerseits die Bevölkerung finanziell gut dasteht und die Kommune andererseits über ausreichend Leerstand verfügt. Das ist etwa in Mannheim, Wolfsburg, Coburg, Potsdam, Krefeld, Straubing, Frankfurt am Main und Stuttgart der Fall.

In all diesen Städten wurden im ersten Halbjahr 2015 nicht mehr als zwei Asylbewerber auf 1.000 Bewohner untergebracht.