Kritik an geplanter Überwachung von EM-Zuschauern

In Polen, einem der Gastgeber der kommenden Fußball-Europameisterschaft, soll das System zur automatischen Erkennung von Gefahren getestet werden. Für den FDP-Politiker Alexander Alvaro ist das System verfassungswidrig.

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Der FPD-Abgeordnete im Europaparlament Alexander Alvaro hat seine Kritik am geplanten Einsatz des Überwachungssystems Indect zur Fußball-Europameisterschaft der Männer 2012 erneuert. Er stört sich unter anderem daran, dass für das System bereits Menschen als auffällig gälten, die im Aufnahmefeld einer Überwachungskamera sehr schnell laufen, die sich gegen die Laufrichtung einer Menge bewegen, Gepäck stehen lassen oder sich im Stadtbereich ein Auto näher betrachten. "Das Vorgehen widerspricht allen Datenschutzbestimmungen und ist in Deutschland eindeutig verfassungswidrig", sagte Alvaro laut einem Bericht des WAZ-Portals derwesten.de. Stephan Urbach von der Piratenpartei bezeichnete Indect kürzlich laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung als "Gedankenpolizei".

Indect (Intelligent Information System Supporting Observation, Searching and Detection for Security of Citizens in Urban Environment) ist ein Informationssystem zur Unterstützung der Suche, der Entdeckung und der Überwachung von Bürgern in städtischen Umgebungen. Das System soll schnell alle optischen und elektronischen Informationen aus Videoaufzeichnungen, Kommunikationsdaten, Handyortungen, sozialen Netzwerken wie Facebook, Internetseiten und Bevölkerungs- und Polizeidateien sammeln, die über eine Person, die sich auffällig verhält, weltweit verfügbar sind. Fangesänge sollen abgehört und analysiert werden. Das System soll anhand der Daten selbstständig entscheiden, ob eine weitere Überwachung eines Verdächtigen nötig ist. Dabei könnten auch Drohnen eingesetzt werden.

An dem Projekt, das innerhalb des 7. Rahmenforschungsprogramms der Europäischen Union gefördert wird, arbeiten unter Führung der Krakauer Technischen Universität 17 Forschungseinrichtungen, Konzerne und Polizeibehörden. An der Entwicklung sind auch zwei deutsche Unternehmen und die Universität Wuppertal beteiligt. An der Universität regt sich seit Jahren Widerstand gegen das Projekt.

Polen, neben der Ukraine Gastgeber der EM, will laut Alvaro die Überwachung in- und ausländischer Fans anhand des Systems erproben. Die Stadt Lodz baut laut derwesten.de an Straßen 70 Kameras mit einem 360-Grad-Blickwinkel und 35facher Vergrößerung auf. Warschau habe die Videokameras der U-Bahn und am Flughafen für das Projekt freigegeben. Insbesondere sollen Gefahren wie etwa durch das Werfen gefährlicher Gegenstände aufgedeckt werden.

Das EU-Parlament hatte bereits im Juni strenge Auflagen für Indect gefordert. Im November erhielt das EU-Parlament wie schon zwei Jahre zuvor verlangt von der EU-Kommission weitere Dokumente zu Indect. Laut einer Mitteilung von Alvaro habe die Kommission selbst eingeräumt, dass die aktuellen Datenschutzbestimmungen des Projekt Besorgnis erregend seien. Im Februar hatte der griechische EU-Abgeordnete Stavros Lambrinidis kritisiert: "Die Kommission macht Informationen nicht öffentlich und Indect selbst hat beschlossen, dass Informationen, die für die Reputation des Projekts schädlich sein könnten, nicht veröffentlicht werden." (anw)