Zum Inhalt springen

Pofalla zur Spähaffäre "Mir wurde vorgeworfen, dass ich etwas beendet hätte, was ich nicht beendet habe und deshalb gar nicht hätte beenden können"

Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla, der die Spähaffäre 2013 für beendet erklärte, hat sich im NSA-Ausschuss heftig verteidigt. Fehler haben aus seiner Sicht nur andere gemacht.
Ex-Kanzleramtschef Pofalla (CDU): "Ich war mal Minister - Sie nicht!"

Ex-Kanzleramtschef Pofalla (CDU): "Ich war mal Minister - Sie nicht!"

Foto: Soeren Stache/ dpa

Ein Pofalla bereut nichts. Und falsche Höflichkeit hat ein Pofalla auch nicht nötig. "Es gibt einen Unterschied zwischen uns. Ich war mal Minister, Sie nicht", sagt er zu der Handvoll Bundestagsabgeordneter, die ihn als Zeuge in der Spionageaffäre geladen haben. Das sitzt. Sie schauen ihn an, er schaut zurück, sie stellen Fragen, er entgegnet etwas, aber viele Antworten klingen nach: Was wollt ihr eigentlich von mir?

Was sich der NSA-Untersuchungsausschuss erhofft, sind Erklärungen: Warum Angela Merkels Ex-Kanzleramtschef im Sommer 2013 den Eindruck erweckte, dass die Massenüberwachung der NSA ein großes Missverständnis sei. Warum er sagte, dass die USA ein No-Spy-Abkommen angeboten hätten - das dann nie zustande kam. Warum er lange nie etwas von übergriffiger US-Spionage gewusst haben will. Einen Tag nach den neuesten WikiLeaks-Enthüllungen gewinnt all das noch mehr an Bedeutung.

Am Donnerstagabend wies Pofalla die Vorwürfe vehement zurück - und sparte nicht mit Kritik:

1. Sein bekanntestes Zitat wurde mutwillig verdreht: Er habe nie behauptet, die NSA-Affäre als solches sei beendet. Aber dass Millionen deutsche Bürger ausgespäht worden seien, das habe sich nie bestätigt. "Der Vorwurf der vermeintlichen Totalausspähung in Deutschland ist vom Tisch" - diese Aussage habe sich speziell auf diesen Verdacht bezogen. "Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung", betonte Pofalla auch jetzt. "Mir wurde vorgeworfen, dass ich etwas beendet hätte - was ich nicht beendet habe und deshalb gar nicht hätte beenden können".

2. Es gab ernsthafte Absichten für ein No-Spy-Abkommen: "Die US-Seite hat uns den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten" - auch diese Aussage (hier als YouTube-Video ) habe der Wahrheit entsprochen, sich aber niemals auf die US-Regierung, sondern auf die NSA bezogen. Noch kurz vor Ende seiner Amtszeit sei ihm der Abschluss eines solchen Abkommens "in greifbarer Reichweite" erschienen. "Ich weise den Vorwurf der Beschönigung, der Täuschung, der Lüge zurück." Warum aus dem Abkommen dann doch nichts wurde, das entziehe sich seiner Kenntnis.

3. Er wusste nichts, er konnte nichts wissen: Und zwar von den Selektoren, mit denen die USA in Europa und Deutschland rechtswidrig spioniert haben sollen. "Kein einziger Vermerk in dieser Sache ist jemals an mich gerichtet gewesen." Im Gegenteil, die Kooperation mit den USA sei essenziell. "Ich bin froh, dass Deutschland bis heute von einem Terroranschlag verschont geblieben ist. Versuche, uns zu schaden, hat es zu Genüge gegeben."

4. Von Medien und Parlament ist er enttäuscht: Das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium, das sich mit Nachrichtendiensten beschäftigt, sei in Wahrheit ziemlich geschwätzig. "Merkt eigentlich niemand, was an dieser Stelle seit einigen Jahren falsch läuft? Wie soll da Vertraulichkeit gewahrt werden?", so Pofalla.

Sich verteidigen, ohne sich kleinzumachen: Ungeschickt stellt sich Pofalla nicht an, auch wenn es sein erster größerer Auftritt nach seinem Abschied aus der Politik ist. Er lächelt selbstsicher und klopft auf seine blaue Aktenmappe, wenn er etwas betonen will. Mittlerweile ist er Bahn-Lobbyist, er sieht gesünder und erholter aus als früher.

Es wird auch deutlich, unter welch massivem Druck Pofalla damals gestanden haben muss. Er, der seinen Sommerurlaub abbrach und sich stattdessen mit kryptischen Datensätzen beschäftigte, war am Ende die Spottfigur, der Chefverhinderer. Sein "Beenden der Spähaffäre" lieferte Stoff für unzählige Tweets, Satireshows, Fotomontagen, Schlagzeilen. Er trifft einen Punkt mit der Einschätzung, dass die Sache teilweise eine Eigendynamik entwickelte. Viele komplizierte Wendungen der Spähaffäre gingen unter.

Zugleich beweist Merkels einst wichtigster Mitarbeiter einen akuten Mangel an Selbstkritik. Lieber hält er der SPD ihren verkorksten Wahlkampf vor. Damals schossen die Sozialdemokraten scharf gegen die Union. "Sie haben sich zu früh gefreut, sie haben sich geirrt!", sagt Pofalla zum SPD-Obmann Christian Flisek und setzt gönnerhaft hinterher: "Das müssen Sie in Zukunft eben als Lebenserfahrung mitnehmen". Im Gegensatz zu Flisek habe er "20 Jahre anwaltliche Erfahrung". Irgendwie macht er mit solchen Sätzen genau das, was er allen anderen vorwirft: das Spiel mit Emotionen über die Sache stellen.

Dabei sind in der Aufklärung noch immer so viele Fragen offen. Man weiß, dass deutsche Spitzenpolitiker und Beamte zum Teil seit Jahrzehnten von Verbündeten abgehört wurden. Und es ist klar, dass die Dienste verbündeter Staaten Tools einsetzen, die jeden Internetnutzer weltweit ausspähen können. Von Pofalla, so viel wird an diesem Abend klar, sind keine Antworten zu erwarten. Damit reiht er sich ein in die Riege der Spitzenpolitiker, die jegliche Mitverantwortung von sich weisen.

Nur einmal räumt Pofalla einen Mini-Fehler ein. Was er im Rückblick anders machen würde? "Ich hätte mich noch präziser ausdrücken müssen."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.