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Hamburg „Stolperviertel“

Wieder schwere Krawalle in Altona

Jugendliche aus dem Stolperviertel werfen Steine auf Polizei. Deren Eltern wollen sich heute mit der Polizei zusammensetzen. Für neue Ausschreitungen waren offenbar extra Nachahmer angereist.

Polizei und die Eltern einiger junger Jugendlicher und Heranwachsender, die seit Monaten durch Straftaten für verstärkte Polizeipräsenz im „Stolperviertel“ sorgen, wollen sich heute an einen Tisch setzen. Die Situation war erstmals in der Nacht zum Freitag nach der Überprüfung einer Gruppe junger Männer eskaliert und hatte zu krawallartigen, mehrere Stunden dauernden Auseinandersetzungen mit der Polizei geführt. Auch am Wochenende kam es zu schweren Zwischenfällen. Laut Polizei waren diese aber von „Krawalltouristen“ ausgelöst worden.

Brennende Autos, Steinwürfe auf Polizisten: In der Nacht zum Sonnabend schien wahr zu werden, was in der Nacht zuvor vor allem von jungen Männern aus dem Viertel angekündigt worden war. Es gab Krawall im „Stolperviertel“ an der Holstenstraße. Erneut waren 150 Jugendliche auf der Straße, Autos brannten. Doch diesmal waren es nicht die Jugendlichen und jungen Männer, die die Polizei schon seit Mai vergangenen Jahres im Visier hat. „Es hat ein Gespräch zwischen einem Polizeiführer und mehreren Vätern gegeben“, sagt Hauptkommissar Holger Vehren. Die Väter haben offenbar großen Einfluss auf ihre Söhne. Minuten später waren die problematischen Jugendlichen von der Straße verschwunden. Erst später kam es zu den Brandstiftungen.

Jetzt hofft die Polizei, dass die Gespräche am heutigen Montag zur Beruhigung in dem Viertel beitragen. „Es wird dabei klar deutlich gemacht werden, dass seitens der Polizei Straftaten nicht geduldet und konsequent verfolgt werden“, sagt Vehren. „Wir sind aber gleichzeitig gesprächsbereit.“

Ein Smart stand in Flammen

Ausschreitungen hatte es in der Nacht zum Sonnabend dennoch gegeben: Gegen 23 Uhr beschwerten sich Anwohner vermehrt über gezündete Böller und Schüsse aus Gaspistolen, die immer wieder aus Hinterhöfen zu hören waren. Gegen 23.30 Uhr stand dann an der Karl-Wolff-Straße ein Smart in Flammen. Es war ein Fahrzeug der Flotte von Car2Go, das von Brandstiftern angezündet wurde. Das Feuer griff auch auf einen davor geparkten Dacia über. Um kurz vor 2 Uhr war es dann ein Kia, der brannte – ebenfalls ein Leihwagen. Als diesmal eine Streifenwagenbesatzung das Feuer löschen wollte, prasselten Steine auf sie nieder. Die Beamten mussten in ihren Wagen flüchten. Erst ein größeres Polizeiaufgebot bekam die Lage unter Kontrolle. Dabei konnte auch einer der Steinewerfer festgenommen werden. Es ist ein 21 Jahre alter Ungar, der in Deutschland keinen festen Wohnsitz hat. Wie ihn stuft die Polizei die beteiligten Steinwerfer aus der Nacht als „Krawalltouristen“ ein. In der Nacht zu Sonntag gingen erneut 80 Jugendliche auf die Straße. Böller wurden gezündet, zu weiteren Ausschreitungen kam es aber nicht.

Ob die Situation dauerhaft in dem Viertel besser wird, bleibt abzuwarten, denn die Polizei ist dort bei vielen Jugendlichen Feindbild. Shirts und Mützen mit Abkürzungen wie „A.C.A.B.“, was für „All Cops are Bastards“ steht, werden demonstrativ getragen. Gleichzeitig beklagen Jugendliche und Anwohner die dauernde Polizeipräsenz und den in ihren Augen nicht zimperlichen Umgang mit ihnen durch die Polizei. Die Präsenz war mit sogenannten Schwerpunkteinsätzen in dem Viertel verstärkt worden, nachdem es vermehrt zu Überfällen auf angetrunkene Kiez-Gänger und zu anderen Straftaten gekommen war. Die Drahtzieher wurden von der Polizei schnell identifiziert. Der Kern der Gruppe, die in wechselnder Beteiligung für Taten verantwortlich gemacht wird, wird auf zehn Personen im Alter von 16 bis 24 Jahren geschätzt. Das Umfeld beziffert die Polizei auf rund 30 junge Leute.

„Bei solchen jungen Männern besteht oft eine Unzufriedenheit darüber, dass sie in einer Umgebung leben, in der andere die Normen und Werte bestimmen. Die Polizei ist bei solchen Gruppen oft Feindbild, weil sie als Machtinstrument der Anderen gilt“, sagt der Kriminologe Wolf Kemper (Leuphana Universität Lüneburg). „Ein oft nichtiger Anlass gibt den Grund, um latente Aggression zu entladen.“

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