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Integration in Deutschland: Forscher sehen "neue Potenziale"

Foto: Kay Nietfeld/ picture alliance / dpa

Integration Migranten werden den Deutschen immer ähnlicher

Wie steht es um die Integration von Zuwanderern in Deutschland? Wissenschaftler haben nun eine Studie zum Thema vorgelegt. Die Erkenntnis: Migranten gleichen sich den Deutschen immer mehr an - und hängen sie in manchen Punkten sogar ab.

"Deutschland braucht eine Willkommenskultur." Diese Forderung prägt seit Jahren die Debatte über die Integrationin Deutschland. Manche Politiker sehen die Bundesrepublik bereits auf dem Weg zu einer modernen Einwanderungsgesellschaft. Doch wie sieht die Lage der Migranten in der Bundesrepublik wirklich aus?

Dieser Frage sind Forscher des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung in der Studie "Neue Potenziale"  nachgegangen, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wird. Die Wissenschaftler haben dafür die Daten des Mikrozensus 2010 ausgewertet. Der Mikrozensus ist eine von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder durchgeführte Bevölkerungsbefragung, die etwa 800.000 Menschen erfasst.

Doch wann ist ein Zuwanderer eigentlich integriert? Aus der Sicht des Berlin-Instituts ist Integration dann gelungen, "wenn die durchschnittliche wirtschaftliche und soziale Lebenslage der Migranten beim Mittelwert der Gesellschaft angekommen ist".

2009 hatte das Institut seine erste Studie zum Thema veröffentlicht - seither hat sich die Integration von Migranten leicht verbessert. Hauptverantwortlich dafür ist nach Einschätzung der Forscher die verbesserte Wirtschaftslage. Von der sinkenden Arbeitslosigkeit haben auch die Migranten profitiert. Trotzdem sind bundesweit Menschen mit Migrationshintergrund zwei- bis dreimal so häufig arbeitslos wie Einheimische.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie "Neue Potenziale" im Überblick:

  • Menschen mit Migrationshintergrund werden der einheimischen Gesellschaft immer ähnlicher. Sie werden als Gruppe älter, sie leben häufiger allein, gründen seltener Familien und haben in den Familien weniger Kinder.

  • Spätestens seit 2005 ist der Akademikeranteil unter den Zuwanderern deutlich über dem Mittelwert der einheimischen Bevölkerung. "Von einer 'Armutszuwanderung' als Massenphänomen kann keine Rede sein", stellen die Forscher klar. Das ist eine Folge des Fachkräftemangels in Deutschland. Längst werben Unternehmen keine gering qualifizierten Gastarbeiter an, sondern gut ausgebildete Personen. Trotzdem sind viele hochqualifizierte Migranten ohne adäquaten Job.

  • Zahlreiche andere Migranten vererben ihren geringen Bildungsstand jedoch an ihre Kinder. So macht unter den hierzulande geborenen Türken jeder Vierte Abitur - das liegt deutlich unter dem Wert der Einheimischen von 43 Prozent. Türken stellen nach Spätaussiedlern die zweitgrößte Migrantengruppe und zeigen die stärksten Integrationsprobleme. Ganz anders Zuwanderer aus Asien: Ihnen gelingt es sogar zu einem Drittel häufiger Abitur zu machen, als es unter Einheimischen üblich ist.

Die türkischen Mädchen schließen die Schule deutlich häufiger mit dem Abitur ab als die Jungen. "Generell gehören unter allen Migranten die Frauen zu den Bildungs- und damit Integrationsgewinnern", konstatiert das Berlin-Institut. Trotzdem schaffen es viele in Deutschland geborene Kinder von hochqualifizierten Einwanderern nicht, das Bildungsniveau ihrer Eltern zu halten. Sie sind überproportional häufig unter Schulabbrechern zu finden.

Die Bundesrepublik ist auf Zuwanderer angewiesen

Die Forscher fordern daher einen Ausbau der frühkindlichen Bildungsangebote, um Kinder aus Migrantenfamilien zu fördern. Auch strukturell müsse sich manches verbessern: "Das durch den Föderalismus stark zerklüftete deutsche Bildungssystem ist schon für Einheimische schwer zu durchschauen", urteilt die Studie. "Ein bundesweit einheitlicheres Bildungssystem würde es auch Migranten erleichtern, den größten Nutzen daraus zu ziehen."

Die Bundesrepublik leidet unter den Folgen einer jahrelang verfehlten Integrationspolitik, konstatieren die Forscher. Die Bildungsdefizite der Einwanderer, die einst als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, ließen sich angesichts des Alters dieser Menschen kaum noch beheben.

Insgesamt sei die gesellschaftliche Akzeptanz für Zuwanderung gewachsen, schreiben die Wissenschaftler. Die Deutschen hätten erkannt, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft maßgeblich vom Zuzug ausländischer Fachkräfte abhänge. Auch sei inzwischen unumstritten, dass es notwendig sei, die hier lebenden Migranten besser zu integrieren.

Die Bundesrepublik ist nämlich maßgeblich von der Zuwanderung abhängig: Bis 2050 dürfte die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um elf Millionen Menschen abnehmen - selbst wenn pro Jahr im Saldo 200.000 Migranten dazukommen sollten. Mit diesem Problem steht Deutschland in der EU nicht allein da. Die Forscher fordern: "Es sind massive Anstrengungen vonnöten, um Zuwanderer aus Nicht-EU-Ländern zu gewinnen."