Die Funktionsjacken des Jahres 2011 im Härtetest
Wasserdicht und atmungsaktiv: Funktionsjacken im Test

Wasserdichte, atmungsaktive Funktionsjacken sind Bestseller. Kein Wunder, dass jedes Jahr zig neue Modelle auf den Markt kommen. outdoor hat die spannendsten Newcomer getestet.

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Foto: Benjamin Hahn

Ohne eine wasserdichte, atmungsaktive Funktionsjacke kommt kein Outdoorer aus. Doch wer gerade erst ins Thema ein­steigt, wird von der riesigen Auswahl an Modellen fast erschlagen: In den Läden hängen Dutzende Jacken dicht gedrängt auf ­meterlangen Kleiderstangen. Um die Auswahl zu erleichtern, hat outdoor unter den ­aktuellen Funktionsjacken die elf interessan­testen Neuheiten zum Test angefordert. Sie kosten zwischen 130 und 500 Euro, das Spektrum reicht vom spartanischen Leichtgewicht bis hin zum üppig ausgestatteten Komfortmodell. Auch in puncto Materialkonstruktion unterscheidet sich das Testfeld: Es besteht aus einer Zweilagenjacke, drei 2,5-Lagenjacken und sieben Dreilagenjacken.

Regenjacken für Wanderer & Outdoor-Sportler

Alle elf Testkandidaten durchlaufen ­zunächst den outdoor-Waschmarathon. Zehn Wäschen simulieren den Gebrauch mehrerer Monate. Erst danach geht es in die Regenkam­mer, um die Wasserdichtigkeit der Jacken zu prüfen. Die Kunst der Hersteller liegt darin, die vielen Einzelteile zu einem regen­dich­ten Ganzen zusammenzufügen – das Material an sich lässt in der Regel keinen Tropfen durch. Traditionelle Schwachpunkte sind zum Beispiel Reißverschlüsse, Kapuzenzüge­ oder sich lösende Nahtbänder (Tapes), die zum Abdichten von innen auf die Nähte ­geklebt werden. Diese Mängel bringt die ­Powerberegnung, die einem mehrstündigen, sturmge­peitschten Wolkenbruch gleicht, ­gnadenlos ans Licht. Bis auf eine Ausnahme übersteht das Testfeld die Tortur aber ohne ernsthafte Wassereinbrüche, allenfalls punktuell dringt durch Saugeffekte etwas Nässe ein oder Bündchen werden feucht. Acht ­Modelle gehen selbst bei Dauerregen nicht baden, mit zwei übersteht man zumindest ein heftiges Gewitter schadlos – mehr brauchen die meisten Wanderer nicht.

Der Klimakomfort auf dem Prüfstand
Auch die Atmungsaktivität stimmt – so das Ergebnis der outdoor-Labormessungen. Alle Materialien bieten gute bis sehr gute Werte, eines schneidet sogar überragend ab. Allerdings kondensiert auf der Innenseite der drei 2,5-Lagenjacken trotz guter bis sehr guter Messwerte mehr Feuchtigkeit als bei den ähnlich leistungsfähigen Zwei- und Dreilagenmaterialien – eine Beobachtung, die der Praxistest auf der Schwäbischen Alb und in den All­gäuer Alpen bestätigt. Grund: die innen­liegende Beschichtung (0,5-Lage) der 2,5-Lagenjacken, die kaum Feuchtigkeit aufnimmt. »Deshalb kaufe ich mir kein 2,5-Lagenmodell«, sagt outdoor-Redakteurin Kerstin Rotard.

Trotzdem haben 2,5-Lagenjacken ihre ­Berechtigung: Als extrem leichter, kompakter und preiswerter Regen- und Windschutz für Touren bei vorwiegend schönem Wetter. Dann steckt die Jacke die meiste Zeit im Rucksack und kommt nur in den Pausen zum Einsatz – oder wenn man von einem Gewitter überrascht wird. Vor allem die Helium von Outdoor Research (135 €, 190 Gramm) sticht heraus. Das preisgünstige, minimalis­tische Federgewicht trotzt den Elemen­ten und trägt sich ordentlich.

Sucht man ­einen möglichst leichten, klein verpackbaren (Not-)Wetterschutz, der sich nicht nur zum Wandern eignet, sondern auch fürs Klettern oder für Klettersteige, kauft man das 2,5-Lagenmodell von Vaude. Das Mischabel Jacket (200 €, 240 Gramm) punktet mit hohem Wetterschutz und top Bewegungsfrei­heit, die Kapuze passt über einen Kletterhelm. Für wochenlange Treks in Schlechtwettergebieten oder den Alltagsgebrauch eignen sich die 2,5-Lagenjacken allerdings weniger – ihre dünnen und extrem leichten Materialien sind nicht robust genug und werden schneller ­undicht als Zwei- und Dreilagenmodelle, bei denen in den meisten Fällen dickere, aber auch schwerere Materialien verarbeitet werden.

Dreilagenjacken: vielseitige Topmodelle
Wer etwas Robusteres sucht, greift am besten zu einer der drei empfehlenswertesten Dreilagenjacken im Testfeld. Sie sind echte Allrounder, die sowohl auf Wanderungen und Treks überzeugen als auch auf Klettersteigen oder Bergtouren. Sie vereinen Strapazierfähigkeit und geringes Gewicht mit Komfort und Wetterschutz. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen den Modellen. Der minimalistische Berghaus-Schlupfer etwa wiegt kaum mehr als die Leichtjacken und glänzt mit perfektem Wetterschutz: Er hält nicht nur dicht, sein mächtiger Kragen und der aus­ladende, versteifte Kapuzenschild bilden ­zudem ein Bollwerk gegen eisigen Wind.

Die Falketind Mountain Light von Nor­rona und das The North Face Half Dome ­Jacket halten einem ebenfalls Wind und Wetter vom Leib, sind allerdings etwas schwerer als die Berghaus-Jacke. ­Dafür bieten sie aber ein noch besseres Klima: Über lange Pitzips kann man bei großer Anstrengung zusätzlich Dampf ablassen. Außerdem glänzt das geschmeidige The-North-Face-Modell mit noch höherem Tragekomfort als die Konkurrenz – es kostet aber auch am meisten.

Der aktuelle outdoor-Jackentest bietet somit für jeden Geschmack etwas: sowohl günstige 2,5-Lagenjacken für Sommertouren als auch ­robuste, extrem vielseitig einsetzbare – und teurere – Dreilagenmodelle.

In der rechten oberen Randspalte finden Sie alle getesteten Funktionsjacken im Detail. Weitere Top-Funktionsjacken gibt es hier:

Der outdoor-Funktionsjacken-Check

OD 0411 Funktionsjacken Details Ausstattung

1. Justierbare Kapuze mit Wetterschutzschild
Die Kapuze hat entscheidenden Einfluss auf den Wetterschutz. Ein steifer, ausladender und an den Seiten weit heruntergezogener Schild hält Wind und Regen ab. Damit die Kapuze Kopfbewegungen mitmacht, sollte sie sich über eine Volumenverstellung ­anpassen lassen. Am komfortabelsten ist ein horizontaler Schnürzug, der knapp über den Ohren um den Hinterkopf läuft und die Kapuze wie eine Kappe fixiert.

2. Hoher Kragen mit ­weichem RV-Kinnschutz
Je höher und fester der Kragen, ­desto besser kann man sich bei stürmischem Wetter dahinter verkriechen. Gleichzeitig darf er aber auch nicht wie ein Korsett wirken. Der Reißverschluss muss abgedeckt sein, sonst scheuert er.

3. Praxisgerecht positionierte Taschen
Die besten Taschen nützen nichts, wenn man sie nicht erreicht, weil sie durch einen umgeschnallten Rucksackhüftgurt verdeckt werden. Ideal sind Brusttaschen oder hochgesetzte Schubtaschen. Taschen mit Netzfutter lassen sich auch zur ­Belüftung nutzen. Sie müssen dann aber hundertprozentig dicht sein, sonst geht man bei Regen baden.

4. Ventilationsreißverschlüsse unter den Achseln
Auf langen, anstrengenden Aufstiegen kommen selbst die besten wasserdichten, atmungsaktiven Materialien an ihre Grenzen. Sogenannte Pitzips sorgen für die nötige Abkühlung – so wie wenn man bei Hitze das Fenster öffnet. Je länger die Zips ausfallen, desto effektiver funk­tioniert der Luftaustausch.

5. Verstellbare Ärmelbündchen
Ärmelbündchen müssen sich bei Kälte eng verschließen lassen, in geöffnetem Zustand aber für genügend Ventilation sorgen. Im Idealfall kann man die Ärmel sogar bis zum Ellenbogen hochschieben – auch das sorgt für Abkühlung.

So testet outdoor Funktionsjacken

OD 0411 Funktionsjacken Test
Benjamin Hahn
Nicht zu übersehen: Saugeffekte am RV.

Powerberegnung
Sie entspricht einem stürmischen Wolkenbruch und entlarvt ­erbarmungslos die Konstruktions- und Verarbeitungsfehler bei den Testkandidaten. Diese Standardberegnung ermöglicht die Vergleichbarkeit der unterschiedlichsten Jacken über ­Jahre hinweg – im Praxiseinsatz wäre das nicht möglich, da zu unterschiedliche Bedingungen herrschen.

Klimaprüfung
Das Jackenklima ermittelt outdoor in mehreren Schritten. Zum einen bestimmt das outdoor-Labor den Dampfdurchgang der Materialien, zum anderen aber auch die Menge an Kondensat (je weniger, desto besser) und die Feuchtigkeitsverteilung auf der Materialinnenseite: Je großflächiger sich Nässe auf der Innenseite verteilt, desto angenehmer das Klima. Mit diesen Werten und den Ergebnissen aus Praxistests wird die Atmungsaktivität bestimmt. Zusätzlich misst outdoor die Fläche der Tapes und sich überlappender Materiallagen (Konstruktion): Weniger Tapefläche und Überlappungen bedeuten, dass mehr Feuchtigkeit aus dem ­Jackeninnern entweicht. Auch die Qualität der Imprägnierung beurteilt outdoor. Sie zeigt sich nach der Power­beregnung: Ein gut imprägniertes Außengewebe nimmt kaum Nässe auf, erhält die Atmungsaktivität und fühlt sich nicht klamm an.

Praxistest
Der Tragekomfort der Testjacken lässt sich nur im Praxiseinsatz ­bewerten. Hier achtet die outdoor-Testcrew unter anderem darauf, wie bequem sich die Kapuzen tragen und ob sie Kopfbewegungen mitmachen. ­Zudem wird die Bedienung ­benotet – und das selbst mit dicken Handschuhen.

Jacken Know-How

Konstruktion
Wasserdichte, atmungsaktive Materialien bestehen aus zwei, zweieinhalb oder drei Lagen. Zweilagenjacken besitzen zudem ein separates Futter, bei Dreilagenlaminaten wird das Futter aufgeklebt. Die drei ­Lagen verstärken sich gegenseitig, selbst mit Leichtgeweben erzielt man eine hohe Strapazierfähigkeit. Die 2,5- Lagenkonstruktion gleicht auf den ersten Blick einem Dreilagenlaminat, statt des Futters kommt innen aber eine Beschichtung (0,5-Lage) zum Einsatz. 2,5-Lagenjacken sind nicht so robust, aber extrem leicht und kleinst verpackbar.

MVTR
Abkürzung für die Dampfdurchgangsrate, also die Atmungsaktivität. Aufgrund verschiedener Messmethoden sind Herstellerwerte meist nicht vergleichbar.

RET
Bezeichnet den Feuchtigkeitsdurchgangswiderstand von innen nach außen – eine weitere Möglichkeit, die ­Atmungsaktivität eines Materials anzugeben. Die outdoor-Praxistests zeigen allerdings, dass RET-Werte nur bedingt aussagekräftig sind.

Tapes
Damit die Nähte dicht halten, werden innen Nahtbänder (Tapes) aufgeklebt. Die Verwendung von schmalen ­Tapes (8–13 mm)verbessert den Klimakomfort.

Wassersäule
Forschungen an der Eidgenössischen Materialprüfanstalt (EMPA) in St. Gallen und outdoor-Tests zeigen, dass Funk­tionsjacken dicht sind, wenn das Material dauerhaft 4000 Millimeter Wassersäule ­bietet. Ob es 15000 oder 30000 Millimeter Wassersäule hat, spielt also keine Rolle.

Testfazit und Ergebnisse

Der aktuelle outdoor-Funktionsjackentest bietet für jeden Geschmack etwas: sowohl günstige 2,5-Lagenjacken für Sommertouren als auch ­robuste, extrem vielseitig einsetzbare – und teurere – Dreilagenmodelle. Die leichteste Jacke im Test ist das Helium Jacket von Outdoor Research. Sie wiegt 190 g bei einem Packmaß von 0,6 Liter. Preislich liegen die Jacken zwischen 130 und 500 Euro. Alle weiteren Preise und die Testurteile gibt es hier:

  • The North Face Half Dome Jacket, (Testsieger), 500 Euro, Überragend
  • Outdoor Research Helium Jacket, (Kauftipp), 130 Euro, Sehr gut
  • Berghaus Mt. Asgard Smock, 300 Euro, Sehr gut
  • Direct Alpine Devil Alpine Jacket, 329 Euro, Sehr gut
  • Haglöfs Lim/Lim Q Jacket, 220 Euro, Sehr gut
  • Norrona Falketind Mountain Light Dri3, 299 Euro, Sehr gut
  • Vaude Mischabel, 200 Euro, Sehr gut
  • Jack Wolfskin Dissenter Jacket, 260 Euro, Gut
  • Ortovox La Grave/Alagna, 399 Euro, Gut
  • Schöffel Cascade Jacket M/L, 180 Euro, Gut