Jahrelange Versäumnisse Warum die Bundeswehr auf einem Haufen Schrott sitzt

Selten zuvor stand die Bundeswehr so einsatzunfähig da, wie in den vergangenen Tagen. Schuld sind jahrelange Versäumnisse der Militärführung und ein kompliziertes Verhältnis zur Rüstungsindustrie.

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Armee mit Schrott
Helme der Bundeswehr Quelle: dpa
Der Puma-Panzer ist nicht zu bremsen Quelle: dpa
Eine Rekrutin der Bundeswehr sichert auf einem Truppenübungsplatz eine Patrouille. Quelle: dpa
Mitte September 2014 sorgte diese Panne für Aufsehen und lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit nach längerer Zeit wieder auf die Ausrüstungsmängel bei der deutschen Bundeswehr: Weil die Transall-Maschinen der Bundeswehr technische Defekte aufwiesen, konnten die Ausbilder, die kurdische Peschmerga-Kämpfer bei ihrer Arbeit gegen den radikal islamischen IS im Irak vorerst nicht zu ihrer Mission aufbrechen. Sie mussten die Maschinen auf dem Militärflugplatz Hohn wieder verlassen. Es ist die jüngste, aber bei weitem nicht die erste Blamage in Sachen Bundeswehrausrüstung. Quelle: AP
Wie jetzt durch einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ bekannt wurde, gab es auch bei den Bordhubschraubern vom Typ Sea Lynx der Marine erhebliche Ausfälle. Von 22 Maschinen sei keine einzige einsatzbereit, so das Blatt, was sich nach dem der „SZ“ vorliegenden internen Dokument 2014 auch nicht mehr ändern werde. Im Juni wurde demnach in einem Modell einer Fregatte ein 20 Zentimeter langer Riss entdeckt, woraufhin der komplette Betrieb mit dem Modell zunächst eingestellt wurde. Wohl zu Recht: Danach wurden an drei weiteren Hubschraubern ähnliche Schäden gefunden. Quelle: dpa
Bereits im August gab es Berichte über nur bedingt einsatzfähiges Bundeswehrmaterial. So meldete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ unter Berufung auf ein internes Dokument des Verteidigungsministeriums, von den hier Schau fliegenden Kampfjets des Typs Eurofighter seien nur acht von 109 Maschinen voll einsatzbereit. Von 67 CH-53-Transporthubschraubern konnten demnach im August ebenfalls nur sieben in die Lüfte gehen. Quelle: dpa
Und auch die Bundeswehrhubschrauber vom Typ NH-90 glänzten nicht gerade mit Bereitschaft: Laut „Spiegel“ waren im Sommer nur fünf von 33 voll intakt, während unter den Transall-Maschinen des Typs C-160 auch damals nur 21 flugtüchtig waren. Quelle: dpa

Ihre Fahrzeuge sind nicht einsatzfähig. Ihre Flugzeuge stranden auf dem Weg nach Afrika auf einer Insel. Bei ihren Helikoptern fällt einfach die Bewaffnung ab. Täglich kommen neue Hiobsbotschaften hinzu. Die Bundeswehr scheint plötzlich nur noch einen Haufen Schrott zu besitzen.

Über das Wort „plötzlich“ können Rüstungsexperten nur lachen. Intern sind die Probleme seit langem bekannt. Dabei ist eine defekte Transall nur Symptom für Probleme, die weit tiefer gehen und den Zustand von Deutschlands Armee grundsätzlich in Frage stellen. Schon 2011 galt keine Armee der Nato als weniger effizient und schlechter ausgerüstet als die Bundeswehr.

Da kann die Regierung noch so sehr betonen, dass die gegenwärtigen Einsätze nicht gefährdet sein: Die Probleme der Bundeswehr sind gigantisch. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen selbst spricht von einer „richtig großen Baustelle“.

„Keiner kümmert sich“

Kein Verteidigungsminister der vergangenen Jahre habe sich intensiv mit dem Grundbetrieb der Armee befasst, räumt von der Leyen mittlerweile selbst ein.  „Vergleichen Sie die Bundeswehr mit einem Auto, das weiterverkauft wird“, sagt Heinz Schulte, Chef des Informationsdienstes Griephan und deutscher Rüstungsexperte. „Jeder neue Fahrer weiß, dass Reparaturen nötig wären. Aber so lange noch alles läuft, kümmert sich keiner.“ Statt das Getriebe zu warten, wird neu lackiert.

Einsatzbereitschaft der Waffensysteme der Bundeswehr

In den vergangenen Jahren  wurde der Bundeswehr sogar Geld für Wartungsaufgaben entzogen. Der Verteidigungsetat lag zuletzt bei 32,8 Milliarden Euro, leicht unter Vorjahreswert. Das reicht laut SIPRI-Bericht immerhin für Platz 7 der Weltrangliste. Gemessen an der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands sind die Militärausgaben aber viel zu gering, sagen Bündnispartner. Die Bundesrepublik gibt nur 1,3 bis 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Armee aus. Zwei Prozent gelten auf Nato-Ebene als annehmbarer Wert.

Viel gravierender: Der Anteil der Mittel, der für Material ausgegeben wird, ist in den vergangenen Jahren auf 16 Prozent gesenkt worden. Die Nato gibt 20 Prozent als Ziel vor, besser wären 30. Die Folge des Spardrucks: Wichtige Ersatzteile wurden nicht bestellt und fehlen nun für Reparaturen. Korrigieren lässt sich das nicht so einfach. Die Produktion von komplexen Ersatzteilen dauert Monate, in Extremfällen bis zu zwei Jahre. Die Folgen bekommt die Bundeswehr gerade mit voller Härte zu spüren.

Doch das ist nur die eine Seite des Mängelproblems. Denn trotz aller Baustellen, trotz aller Geldsorgen sind 2013 etwa 1,5 Milliarden Euro an den Bundeshaushalt zurückgeflossen, in diesem Jahr sei es voraussichtlich eine Milliarde.

Das mag am Missmanagement liegen, wie die Opposition gerade betont. Aber auch daran, dass viele Mittel für Rüstungsgüter nicht abgerufen worden, weil die Industrie nicht rechtzeitig lieferte. Und auch das führt zu den hohen Schadens Pannen und Peinlichkeiten. Die Bundeswehr benutzt Geräte, die längst ausgemustert sein sollten. Weil es aufgrund von Lieferproblemen beim A400M keinen Ersatz gibt, muss etwa der veraltete Transportflieger Transall gerade Höchstleistungen bringen und entwickelt sich deshalb zum besonderen Sorgenkind: Gerade einmal 24 von 56 Flugzeugen sind derzeit einsatzbereit.

Verspätungen mit Ansage

Dass sich Rüstungsprojekte verspäten und immer teurer werden, hat Tradition. Der Kampfhubschrauber Tiger wurde seit Mitte der Achtziger  entwickelt, ein erster Prototyp flog 1991, aber die Bundeswehr konnte die Hubschrauber erst 2013 nach dutzenden Umbauten, Korrekturen und Modernisierungen zur Unterstützung in Afghanistan einsetzen.

Ebenfalls in den Achtzigern entwickelten Industrie und europäische Armee einen neuen Kampfjet. Es dauerte Jahrzehnte. Der als „Jäger 90“ geplante Flieger wurde erst in Eurofighter 2000 umbenannt und erst 2006 als Eurofighter Typhoon erstmals in Dienst gestellt. Ein Name ohne Jahreszahl schien den Verantwortlichen am Ende wohl sicherer.

Die Konstruktion dauerte nicht nur länger, sie wurde auch sehr viel teurer. 65 Millionen D-Mark sollte das Flugzeug laut Planungen 1988 kosten. Der Stückpreis explodierte, liegt mittlerweile bei knapp 139 Millionen Euro.

Als Kunde verliert die Bundeswehr an Bedeutung

Tiger und Eurofighter sind keine Einzelfälle. Seit dem Sommer prüft ein Konsortium im Auftrag des Verteidigungsministeriums die die kostspieligsten Pannen-Projekte. Auf der Prüfungsliste  stehen auch das Transportflugzeug A400M, der Transporthelikopter NH90, die Fregatte 125 und das Drohnen-Projekt Eurohawk. Insgesamt werden laut Verteidigungsministerium Waffen-Deals im Gesamtwert von etwa 50 Milliarden Euro unter die Lupe genommen. Keiner davon verlief ohne Probleme, ohne Verspätung, ohne erhebliche Preissteigerungen.

Die Ergebnisse sollen am Montag vorgestellt werden. „Das wird nochmal ungemütlich werden”, kündigte Verteidigungsministerin von der Leyen bereits an. Eine interessante Wortwahl nach den Enthüllungen der vergangenen Tage. Dass es gerade bei großen Rüstungsprojekten immer wieder zu schweren Problemen kommt, hat mehrere Gründe. Sie lassen sich exemplarisch an den Pannen-Projekten von Heer, Luftwaffe und Marine aufzeigen, stehen jedoch nie allein.

Veränderte Grundlagen

Die Schwierigkeiten beginnen schon bei der Ausganglage: Das Verhältnis zwischen Armee und Rüstungsindustrie hat sich in den vergangenen 30 Jahren gewandelt. Zur Zeit des Kalten Krieges bestellte die Bundeswehr gleich Hunderte Leopard-Panzer auf einen Schlag. Mehr als 2100 waren 1990 für die Bundeswehr im Einsatz. Nach Abschluss der Neuausrichtung sollen noch 225 bleiben.

Neue Waffensysteme werden längst in kleineren Stückzahlen bestellt und in den Einsatz geschickt. Mit der deutschen Armee als einzigem Kunden könnte kein großes Rüstungsunternehmen überleben.

Die Unternehmenslogik, die daraus folgt, ist nachvollziehbar: Produziert wird, was sich gut exportieren und verkaufen lässt. Und das ist zunächst einmal Standardware, die in vielen Ländern an zum Einsatz kommt. 2013 betrug der Auslandsanteil des deutschen Waffenkonzerns Rheinmetall schon 72 Prozent. Tendenz steigend.

Sonderwünsche wie Eigenproduktionen oder Umrüstungen für deutsche Bedürfnisse werden erfüllt, kosten aber extra. „Wir haben keine abgestimmte Industriepolitik zwischen der Bundeswehr und einer Industrie, die nicht mehr auf die Bundeswehr angewiesen sein kann“, sagt Rüstungsexperte Schulte.

Braucht die Bundeswehr mehr Geld?

Zugleich wollen die großen EU-Nationen aber auch nicht auf die heimische Rüstungsindustrie verzichten. Um den Bestand zu schützen, verteilt auch die Bundeswehr Aufträge häufig bewusst an deutsche Unternehmen. Es ist eine einfache Rechnung mit einem ungünstigen Ausgang für die Bundeswehr: Weniger Bestellungen und die Fokussierung auf heimische Armeen führt zu einer schlechteren Verhandlungsposition. Zudem erzeugt diese Situation weitere Probleme, die sich potenzieren. 

Permanente Nachbesserungen

Die Oberen der Bundeswehr wollen für die Soldaten beste und modernste Geräte. Daran ist nichts falsch. Doch von der Entwicklungsphase bis zur Fertigstellung von Panzern oder Flugzeugen dauert es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. In diesem Zeitraum ändern sich die Anforderungen an das Produkt. Technik wird weiter entwickelt, die Weltlage ändert sich, neue Krisensituationen und Einsatzziele entstehen. Dafür müssen einmal bestellte Fahrzeuge und Flieger angepasst werden.

Das ist nicht so leicht. Die Systeme sind nicht modular aufgebaut, müssen aber perfekt zusammenspielen. Schon eine kleinere Änderung, ein neuer Adapter, ein neuer Anschluss, eine verbesserte Software kann große Änderungen nach sich ziehen.

Geburtsfehler und Probleme bei Gemeinschaftsprojekten

Beispiel A400M: Der dringend benötige Nachfolger der Transall ist seit vier Jahren überfällig. Im Winter diesen Jahres soll Deutschland zwar endlich das erste Exemplar bekommen. Doch der Flieger bereitet offenbar noch immer Probleme. Zudem übersteigen Entwicklung und Herstellungskosten den Plan schon jetzt um einen Milliardenbetrag. Ursula von der Leyen geht öffentlich auf Konfrontationskurs, zetert wegen der verspäteten Lieferung und droht dem Hersteller Airbus wegen der  „Minderleistungen” gar mit einem Abnahmestopp.

Die Problem-Projekte der Rüstungsindustrie
Airbus A400MEs sollte das Vorzeigeprojekt von Airbus (früher EADS) werden: Mit dem Transportflugzeug A400M wollten die Europäer den Russen und Amerikanern zeigen, zu welchen technischen Fähigkeiten sie in der Lage sind. Herausgekommen ist ein Desaster. Die Auslieferung der ersten Maschinen war für 2009 geplant, geliefert wurde allerdings bisher kaum eine Maschine. Die Franzosen haben derzeit zwei Maschinen in ihrem Besitz, Deutschland soll 2014 den ersten A400M erhalten.Quellen: Bund der Steuerzahler, HRI, Bundesverteidigungsministerium Quelle: dpa
Die Verzögerungen in der Produktion haben auch die Kosten in die Höhe getrieben. So sollen die Mehrkosten laut Verteidigungsministerium satte 9,3 Milliarden Euro betragen – obwohl die Bundesregierung bereits die Notbremse gezogen hat und Flieger abgestellt hat: Von den ursprünglich bestellten 73 Maschinen sollen der Bundeswehr nun nur noch 40 zur Verfügung gestellt werden. Weitere 13 will Deutschland direkt weiterverkaufen. Käufer wurden bisher allerdings noch nicht gefunden. Quelle: AP
EurofighterDie Anfänge des Kampffliegers „Eurofighter“ gehen bis in die frühen 80er-Jahre zurück. Mit ihm wollten die Europäer den übermächtigen sowjetischen Kampfjets etwas entgegensetzen. Doch auf dem Weg der Entwicklung kam Airbus die Geschichte in die Quere. Denn Ende der 80er-Jahre fiel zunächst die Berliner Mauer, später brach die Sowjetunion zusammen. Doch alles kein Problem: Mit großem Verhandlungsgeschick gelang es Airbus die Regierungen in Europa davon zu überzeugen, an dem Projekt festzuhalten. Quelle: obs
So sicherte der Rüstungskonzern zu, dass der Eurofighter im Laufe der Jahre immer weiter modifiziert werde und so den neuen Rahmenbedingen angepasst werde. Allerdings zeigten die ersten ausgelieferten Jets etliche technische Probleme, deren Behebung weitere Kosten verursachten. Ursprünglich sollte eine Maschine circa 33 Millionen Euro (Preis von 1998) kosten, am Ende schoss der Preis auf 138,5 Millionen Euro in die Höhe. Die Bundeswehr nimmt daher nur noch 140 von ursprünglich geplanten 250 ab. Doch es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der Eurofighter trotz aller Probleme ein durchaus konkurrenzfähiges Flugzeug ist. Dies zeigte sich 2005 in einem „Schaukampf“, bei dem zwei amerikanische F-15-Kampfjets gegen eine Eurofighter-Trainingsmaschine antraten und zu Überraschung aller Beteiligten der Eurofighter dieses Gefecht klar für sich entscheiden konnte. Quelle: dpa
NH 90Der Mehrzweckhubschrauber von NH Industries sollte das Rückgrat der deutschen beziehungsweise europäischen Hubschrauberflotte werden. 2010 erhielt die Bundeswehr die ersten Helikopter, die von einer Expertengruppe eingehend getestet wurden. Ihr Urteil war vernichtend. Sie kamen zu dem Schluss, dass, wann immer es möglich sei, alternative Luftfahrzeuge zum Transport von Infanteriekräften zu nutzen seien. Die Mängelliste ist lang und skurril. Zum Beispiel ermöglicht die geringe Bodenfreiheit Soldaten nur auf befestigtem Boden den Ausstieg. Außerdem ist die Heckrampe nicht für den Ausstieg ausgerüsteter Soldaten geeignet, da deren Konstruktion zu schwach ist. Doch das noch lange nicht alles... Quelle: dpa
Der Innenraum des NH90 ist derart eng bemessen, dass eine Infanteriegruppe mit Gepäck für 24 Stunden nur dann in den Hubschrauber passen würden, wenn sie ihre Waffen und das Gepäck ohne Sicherungen auf den Boden legen. Diese Beengtheit macht eine Anbringung eines Bordgeschützes außerdem praktisch unmöglich, weshalb der Helikopter im Ernstfall mit anderen Mitteln verteidigt werden müsse. Zu guter Letzt können schwere Waffen aufgrund fehlender Gurte nicht transportiert werden. Ursprünglich waren 122 NH 90 geordert worden, letztlich werden es Stand jetzt circa 100 werden. Kostenpunkt: 8,6 Milliarden Euro. Immerhin gibt es zu diesem Preis weitere Kampfhubschrauber im Paket... Quelle: dpa
TigerUnd zwar 57 Kampfhubschrauber Tiger. Die Pläne für die Eurocopter-Maschine reichen bis in das Jahr 1984 zurück. Zusammen mit der französischen Regierung gab die Bundesregierung eine Alternative zum PAH-1 in Auftrag. Dieser ging an Eurocopter (Airbus) mit dem Entwurf des Tigers. Dieser Mehrzweck-Kampfhubschrauber sollte in Konkurrenz zum amerikanischen Apache treten. Quelle: REUTERS

Für Branchenkenner stellt sich die Situation freilich weniger einseitig dar. „Da kann sich das Ministerium nicht aus der Verantwortung stehlen“, sagt Militärexperte und Unternehmensberater Michael Santo. „Denn die Auftragsvergabe bei der Bundeswehr erfolgt nach einem fatalen Grundprinzip: Ich bestelle, und danach beginne ich an den Spezifikationen zu schrauben, nach und neu zu verhandeln. Die Komplexität wächst ins Unermessliche.“

Gezielte Vergabe an europäische Unternehmen

Für viele Militärexperten hatte schon die Bestellung des Transportfliegers einen Geburtsfehler. Die A400M ist ein Gemeinschaftsprojekt: Am Entwurf waren neben Deutschland auch Frankreich, Spanien und das Vereinigte Königreich beteiligt. Das Konsortium wünschte sich offenbar ein Prestigeobjekt, das in europäischer Eigenregie entsteht. „Statt auf das Triebwerk eines erfahreneren kanadischen Anbieters zu setzen, haben die Regierungen entschieden, Airbus ein neues entwickeln zu lassen“, sagt Schulte. „Das musste ja zu Problemen führen.“

Tatsächlich machten in der Vergangenheit vor allem die Triebwerke Schwierigkeiten. Plötzlich tauchten etwa  Metallspäne im Ölkreislauf einer der Antriebseinheiten auf. Und allein weil  Luftfahrtexperten die Überwachungssoftware nicht zulassen wollten, verzögerte sich die Auslieferung um ein volles Jahr.

Probleme bei Gemeinschaftsprojekten sind keine Seltenheit. Die gibt es auch beim Langzeitproblem Tiger-Hubschrauber: Wegen den zahlreichen Verzögerungen, Problemen und einer veränderten Bedarfslage reduzierte die Bundeswehr 2013 ihre Bestellung. Statt der ehemals georderten 80 Tiger braucht die Armee nur 57 Exemplare. Das klingt sinnvoll und birgt Sparpotenzial, sollte man meinen.

Doch der Tiger ist kein Projekt eines einzigen Unternehmens, auch wenn Airbus Helicopters die Federführung übernommen hat. Hersteller aus ganz Europa liefern Einzelteile zu – in unterschiedlicher Geschwindigkeit. „Weil die Italiener die hochkomplexen Kampfsitze bereits gefertigt haben, fordern sie für die geringere Bestellung eine hohe Ausgleichszahlung“, sagt Schulte. „Da muss man sich doch fragen, wie wirtschaftlich das noch ist.“

Abstimmung zwischen vielen Partnern

Aber nicht nur bei europäischen Gemeinschaftsprojekten sorgen die unterschiedlichen Interessen der Vertragspartner und vor allem die Beteiligung mehrerer Unternehmen für Probleme und hohe Kosten.

Um nicht auf ein einzelnes Unternehmen angewiesen zu sein, lässt etwa die Marine ihre Flotte von verschiedenen Firmen produzieren. „Ein einzelner Einsatzgruppenversorger wird von einer Arbeitsgemeinschaft aus drei Werften hergestellt“, sagt Schulte. „Das würde natürlich kein Schiffbauer in der Privatwirtschaft machen.“

Die Beteiligung mehrere Produzenten treibt die Kosten in die Höhe. Der Stückpreis der von gleich vier Werften produzierten Fregatte 125 hat sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Viel zu teuer, sagen Kritiker. 

Abstimmungsprobleme zwischen den Werften und Produktionspannen haben die Auslieferung zudem verzögert. Ursprünglich sollten die Schiffe ab 2014 in Dienst gestellt werden. Der Termin wurde immer wieder verschoben. Immerhin: Mittlerweile ist die erste F125 vom Stapel gelaufen. Die anderen werden in einigen Jahren folgen.

Qualität zeigt sich erst im Einsatz

Selbst wenn Fahrzeuge und Fluggeräte einmal ausgeliefert sind, reißen die Probleme nicht ab. Mängel werden häufig erst entdeckt, wenn sich die Maschinen unter realen Bedingungen beweisen müssen.

Gerade hat die Bundeswehr mittgeteilt, dass der Eurofighter Qualitätskontrollen nicht bestanden hat. Bohrungen am Rumpf des Kampfjets  könnten im schlimmsten Fall zur Ablösung von Bauteilen führen. Als Sofortmaßnahme halbierte der Hersteller Airbus die freigegebene Lebensdauer von 3000 auf 1500 Flugstunden. Für ein Milliarden-Euro Projekt ist das ein herber Schnitzer. Schwachstellen sind aber offenbar bei Neu- und Eigenentwicklungen nie ganz auszuschließen.

Problemanfälligkeit und Wartungsbedarf lassen sich vorab kaum simulieren. Die tatsächlichen Stärken und Schwächen der Produkte zeigen sich erst im Einsatz. Das sorgte schon häufiger für böse Überraschungen. Auch weil beim Zeitpunkt der Bestellung nie ganz klar ist, wo Jets mal fliegen und die Panzer mal rollen werden.

Die Pannen der Bundeswehr
Ein Tornado-Jet der Bundeswehr stürzt in der Eifel ab, die Piloten retten sich mit dem Schleudersitz. Ein Expertenteam sei mittlerweile vor Ort, sagte ein Sprecher der Bundeswehr. Die angrenzende Autobahn 48 wurde wegen Trümmerteilen auf der Straße gesperrt. Wie es zu dem Unglück kam, war laut Polizei und Luftwaffe zunächst unklar. Weitere Menschen, Gebäude oder Autos waren von dem Unglück aber offenbar nicht betroffen. Wie hoch der Schaden ist, ist noch nicht bekannt. Anders sieht es mit den Kosten aus, die für Auslandseinsätze der Truppe anfallen... Quelle: dpa
Die Auslandseinsätze der Bundeswehr haben den deutschen Steuerzahler seit 1992 knapp 17 Milliarden Euro gekostet. Das geht nach Angaben des Magazins „Spiegel“ aus einer internen Berechnung des Verteidigungsministeriums hervor, die ein Beamter des Hauses kürzlich Vertretern der Industrie präsentiert habe. Demnach war der Zeitraum 2010 bis 2012 mit 1,4 Milliarden Euro pro Jahr besonders teuer. Nur 2002, als die Bundeswehr ihren Afghanistan- Einsatz aufbaute, sei mit 1,5 Milliarden Euro mehr ausgegeben worden. Die Summen beziffern dem Bericht zufolge die zusätzlichen, spezifischen Einsatzkosten. Der Sold der eingesetzten Soldaten werde getrennt berechnet. Darüberhinaus leistete sich die Bundeswehr eine ganze Reihe kostspieliger Investitionsflops. Quelle: dapd
Drohne Euro-HawkMit Projektkosten von etwa 600 Millionen Euro ist die Drohne nicht gerade günstig. Jetzt steht das Projekt vor dem Aus. Der Grund: Die Euro-Hawk hat keine Zulassung für den Luftverkehr - Die Kosten für die Nachrüstung würden sich auf 500 bis 800 Millionen Euro belaufen. Quelle: Steuerzahlerbund Quelle: dpa
IT-Projekt HerkulesDer Name verspricht mehr, als er hält: Es war das ehrgeizigste IT-Projekt in der Geschichte der Bundeswehr - und es wurde zu einem Fiasko. In dem Gemeinschaftsprojekt von Siemens und IBM wollte der Bund die völlig veraltete Informations- und Kommunikationstechnik der Streitkräfte modernisieren. Die Kosten sprengten allerdings den geplanten Rahmen: Die Ursprungskalkulation mit 6,8 Milliarden Euro war bereits 2013 überholt. Quelle: dpa
Transportflugzeug A400M Der Airbus A400M soll die alte Transall der Bundeswehr ablösen. Die neue Maschine kann schneller Truppen und große Mengen von Material transportieren - auch gepanzerte Fahrzeuge oder Hubschrauber. Rund 200 Bestellungen aus Deutschland, Frankreich und weiteren Nationen liegen vor ... Quelle: dpa
... und sie warten noch immer: Der Auslieferungstermin wurde bereits mehrfach verschoben, dass Projekt liegt deutlich hinter seinem Zeitplan. Eine Erstauslieferung an Deutschland wird nach Angaben des Steuerzahlerbundes im Herbst 2014 erwartet - wenn sich nichts verschiebt. Quelle: Presse
Dabei ist der Ausliefertermin nicht das einzige Problem, mit dem der Airbus zu kämpfen hat: Ein permanenter Kostenanstieg hat die Ursprungsplanung von 20 Milliarden Euro längst gesprengt. Derzeit wird mit Kosten von rund 27 Milliarden Euro geplant. Im Jahr 2011 haben die interessierten Länder deshalb mehrere Milliarden Euro nachfinanziert, damit das Projekt nicht eingestellt wird. Quelle: dpa

Veränderte Auftragslage

17 Einsätze absolviert die Bundeswehr derzeit. Viele davon sind klein, mit wenigen Kräften zu stemmen. Aber alle sind unterschiedlich. Die Spannbereite reicht vom Kampfeinsatz in Afghanistan über die Piratenjagd vor Afrika bis zur Ausbildungsmission in Mali.

Weil sich kommende Aufgabe schwer einschätzen lassen, sind vor Jahren oder Jahrzehnten bestellte Produkte nicht immer optimal an die neuen Anforderungen angepasst. So bemängeln Militärs etwa das vergleichsweise schwache Bordgeschütz der deutschen Variante des Eurocopter Tiger, die vor allem als  Unterstützungseinheit konzipiert worden. Die französische Variante etwa ist stärker bewaffnet, kann im Extremfall besser ins Kampfgeschehen eingreifen.

Ähnliche Kritik gibt es aus Teilen der Truppe am Nachfolger des Transportpanzers Fuchs. Der schwergepanzerte Boxer dient dazu, Soldaten sicher durch feindliches Gebiet zu bringen. Dass er bei Kampfeinsätzen wie in Afghanistan auch gut zur Unterstützung der Bodentruppen dienen könnte, wurde bei der Planung vernachlässigt. Die Bewaffnung ist vielen Militärs zu schwach. Der eher abfällige Ausdruck „gepanzertes Taxi“ macht unter Soldaten die Runde.

Rüstungsexperte Schulte schätzt die  Situation als weniger dramatisch ein.  „Die große Aufgabenvielfalt der Bundeswehr ist nicht das Problem. Die Armee ist für die Einsätze gerüstet.”

Belastungsgrenze erreicht

Schwierig ist die Vielzahl der Einsätze. Mit ihren Schiffen muss die Marine  nicht nur Piraten vor Somalia jagen sondern auch noch amerikanische Schiffen, die chemische Waffen transportieren, Geleitschutz geben. Die Luftwaffe transportiert mit der veralteten Transall nicht nur Soldaten und Waffen, sondern soll auch die Luftbrücke zur Ebola-Hilfe unterstützen.

Trotz Mängelliste und Nachschubproblemen schickt die Bundeswehr Soldaten und Geräte in neue Einsätze.  Wie das enden kann zeigt der Fall Transall-Transportmaschine, die auf dem Weg zum Ebola-Hilfseinsatz im Senegal defekt auf Gran Canaria liegengeblieben ist. „Die Grenze der Belastbarkeit ist an vielen Stellen längst erreicht, wenn nicht überschritten“, sagt Schulte.

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