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Hamburgs Nein zu Olympia Die Quittung

Die Hamburger haben in einem Referendum die Olympia-Bewerbung für 2024 verhindert. Wundern muss man sich darüber nicht - es gibt zu viele gute Gründe für ein Nein.
DOSB-Vorstandschef Vesper: Thema auf lange Sicht erledigt

DOSB-Vorstandschef Vesper: Thema auf lange Sicht erledigt

Foto: Axel Heimken/ dpa

Das war dann doch deutlich, und zwar anders deutlich als erwartet. Am Nachmittag noch hatten Umfragen eine klare Mehrheit um die 55 Prozent für die Olympia-Befürworter prognostiziert, es kam anders. Die Mehrheit der Hamburger ist gegen Spiele in der eigenen Stadt. Damit ist das Thema Olympische Spiele in Deutschland auf lange Sicht erledigt.

Hamburg hat sich sehr damit geschmückt, eine Bewerbung abzugeben, die durch Etiketten wie Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit, auch Kosteneffizienz bestechen sollte. Sozusagen ein Gegenprogramm zu den baulichen und finanziellen Größenwahn-Spielen wie Peking 2008 oder Sotschi 2014. Aber selbst das hat die Bürger nicht überzeugt. Und gezeigt, dass es letztlich gar nicht darum ging, wie die Hamburger Bewerbung konzipiert worden war.

Es gibt grundsätzlich in der Bevölkerung mittlerweile ein tief sitzendes Misstrauen gegen Olympische Spiele und Fußballweltmeisterschaften, diese Supertanker der Sportveranstaltungen. Ein Misstrauen, das sich die großen Sportverbände selbst hart erarbeitet haben. Die Fifa, das IOC, der Leichtathletik-Weltverband IAAF, der Radsportverband UCI, zuletzt gar der Saubermann unter den Verbänden, der Deutsche Fußball-Bund - sie haben mit ihrer absolutistischen Mentalität, die sie über Jahrzehnte praktiziert haben, jegliches Wohlwollen zerstört.

Die Funktionäre haben alles dafür getan, den Eindruck zu erwecken, dass vor allem sie selbst - gemeinsam mit ein paar allmächtigen Großsponsoren - am Ende von solchen Events am meisten profitieren. Noch die Fußball-WM in Brasilien im Vorjahr war ein Beispiel dafür, wie wenig ein Land letztlich von einem solchen Ereignis hat, wenn die vier Wochen im Schaufenster der Welt vorbei sind.

Der Hochleistungssport ist zutiefst diskreditiert

In diesem Jahr ist das gesamte System kollabiert, Spitzenfunktionäre sind inzwischen abgesetzt, sitzen in Haft oder warten auf ihren Prozess. Täglich kommen neue Meldungen darüber, wie versumpft der Sport an seiner Spitze durch die Verbandsherren geworden ist.

Der komplette organisierte Hochleistungssport ist durch die Verbände diskreditiert, und jetzt bekommen sie von den Bürgern dafür die Quittung. Nicht nur in Hamburg, zuvor in München und Berchtesgaden, aber auch in Oslo, in Toronto, in Boston. Überall dort, wo sich Bürger gegen Spiele ausgesprochen haben.

In Hamburg haben sich die Politik, allen voran Bürgermeister Olaf Scholz, und ein Großteil der Medien früh auf eine nahezu rückhaltlose Unterstützung der Bewerbung festgelegt. Seit Wochen haben sie das Motto "Feuer und Flamme" durch die Stadt getragen, gerade in den Zeitungen hatte das Züge einer Kampagne. Früher hätte dies wohl Wirkung gezeigt, heute nährt so etwas eher Unbehagen.

Ein Unbehagen, das in Deutschland möglicherweise noch etwas größer ist als anderswo. Und auch dadurch gefüttert wird, dass die Erfahrungen, die man zuletzt mit Großprojekten gemacht hat, nicht wirklich ermutigend sind. Stuttgart 21, die Elbphilharmonie, der Flughafen BER in Berlin-Schönefeld - zuletzt bewiesen deutsche Planer vor allem, dass sie es nicht können.

Und noch ein Grund, warum die Bewerbung scheiterte: Die Alternativen für 2024 sind eben nicht China, Katar oder Russland. Die Konkurrenz heißt Paris oder Rom oder Los Angeles. Allesamt Städte, die nicht nur bereits bewiesen haben, dass sie Olympische Spiele ausrichten können. Sondern auch Städte, die wahrlich nicht im Verdacht stehen, dass Olympia ihnen von einem diktatorischen Regime übergestülpt wird.

Auch wenn das offizielle Hamburg mit seinem Hang zum Lokalpatriotismus das nicht gerne hört: 2024 kann auch nach dem heutigen Entscheid Olympische Spiele erleben, die man richtig gut in Erinnerung behält. Deutschland hat in jenem Jahr außerdem jetzt die Chance, eine Nummer kleiner eine Fußball-EM auszurichten. Das ist Aufgabe genug.

Es werden an diesem Abend in Hamburg einige traurig sein. Aber eigentlich muss das niemand.