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Waigel erklärt sich für unschuldig an Euro-Krise

Koehler Hosts Dinner For Former Chancellor Kohl Koehler Hosts Dinner For Former Chancellor Kohl
Theo Waigel hat sich bei Reinhold Beckmann von den Euro-Problemen in Griechenland distanziert
Quelle: Getty Images/Getty
Bilanztricks, chaotische Zustände, Korruption: "Griechenland in Not – ist der Euro noch zu retten?", fragte Reinhold Beckmann angesichts der Krise düster. Die Antwort seiner Gäste fiel in der Tat erstaunlich pessimistisch aus. Nur der "Vater des Euro" glaubte an das ewige Leben seines Geschöpfs.

Durch Wetten auf die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands haben Spekulanten die sowieso schon desolate wirtschaftliche Situation des Landes noch erheblich verschärft. Nun bangen die Mitglieder der Euro-Zone um ihre eigene Stabilität: Stürzt uns der drohende Staatsbankrott Griechenlands in die nächste, noch größere Finanzkrise? Und was bedeutet die angespannte Stimmung für das doch eigentlich gute Verhältnis zwischen Griechen und Deutschen?

Das fragte Reinhold Beckmann seine Runde. Wobei die Besetzung durchaus erahnen ließ, welche Talente der Gastgeber den Griechen zuschreibt – und welche nicht: Ex-Finanzminister Theo Waigel und „Mr. Dax“ Dirk Müller waren als Experten für die harten Fakten zuständig, während die griechischstämmige Mehrheit der Anwesenden eher Auskunft über die Gefühlslage der stolzen Hellenen geben sollte. Verblüffenderweise hielten sich die Geladenen an diese Rollenverteilung.

So betonte Waigel gleich zu Beginn in mahnendem Unterton, dass er den Beitritt Griechenlands zur Euro-Zone nicht zu verantworten hat: „Das war mein Nachfolger. Ich hätte mir das vorher gut angesehen.“

Was er denn da gesehen hätte, das blieb sein Geheimnis. Doch Waigel beherrscht das Spiel mit Zuckerbrot und Peitsche und verteilte sofort im Anschluss an diese Ohrfeige Lob: „ Man muss auch zugestehen, dass die Griechen ein beachtliches Konsolidierungsprogramm auf den Weg gebracht haben.“

Diesen Ansatz verstand Börsenexperte Müller überhaupt nicht: „Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise erklärte die schwarz-gelbe Koalition, man müsse mit allen Mitteln den Konsum ankurbeln und von den Griechen verlangt man nun, das sie sparen.“

FDP-Europaparlamentarier Jorgo Chatzimarkakis zeigte Reue: „Deutschland hat von der Konsumwut der Griechen profitiert. Wir haben alle weggeschaut.“ Die Debatte verlief artig und ungewöhnlich diszipliniert für eine politische Talkshow. Kein Wunder: Es mangelte einfach an erkennbaren politischen Fronten.

Einzig Dampfplauderer Chatzimarkakis sorgte für ein wenig Streitkultur, in dem er eine Doppelrolle erfüllte: Er gerierte sich gleichzeitig als Waigels größter Fan und als dessen einziger Kritiker.

Gemeinsam mit dem „Vater des Euro“ erklärte Chatzimarkakis, wer der eigentliche Schuldige der Krise sei: Ex-Finanzminister Eichel. Tatsächlich hatte der Nachfolger Waigels konsequente Bestrafungen Deutschlands durch die EU stets abgewehrt, wenn das Land die tolerierte Obergrenze für die Neuverschuldung in Höhe von drei Prozent des Bruttosozialprodukts mal wieder überschritt.

„Da haben sich die Kleinen natürlich gesagt, warum sollen wir uns daran halten, wenn es die Großen nicht tun“, wetterte Chatzimarkakis. Doch auch die Politik Angela Merkels griff er an: „Die Banken, die wir gerade gerettet haben, bringen uns nun mit ihren Spekulationen wieder in die Bredouille: die Commerzbank, die Deutsche Bank.“

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Hermes Hodolides, bekannt als Vasry Sarkakis aus der Lindenstraße, war der einzige „echte“ Grieche in der Runde. Den "Focus"-Titel mit der Überschrift „Betrüger in der Euro-Familie“ fand er „ungeheuerlich. Das Vertrauen ist gebrochen. Hätte sich Angela Merkel hinter uns gestellt, dann wären die Zinsen nicht so hoch gegangen.“

Dass am Anfang der Beziehungskrise beider Nationen aber staatliche Bilanztricks gegenüber den Euro-Wächtern standen, blendete er aus. Basis der Euro-Gemeinschaft ist die Stabilität der gemeinsamen Währung. Griechenland tut jedoch traditionell einiges dafür, diese Stabilität zu schwächen.

Am stärksten krankt das Land an seinem maroden Gemeinwesen. Der Staat wird als Diktator empfunden, „dem man sich entziehen muss“, wie der Journalist Alexandros Stefanidis die Seelenlage seiner Landsleute erklärte. Stefanidis hat unter dem Titel „Highway to Herllas“ jüngst im „SZ“-Magazin beschrieben, wie die Bestechung das gesamte öffentliche Leben beherrscht. Ein Viertel der Erwerbstätigen arbeiten nach inoffiziellen Schätzungen als Beamte. Nach seiner Wahl ließ der Ministerpräsident noch einmal 64.000 neue Staatsposten schaffen – „Klientelpolitik“, wie Stefanidis betonte.

Experte Müller sah nur zwei Möglichkeiten: „Entweder wir akzeptieren jahrzehntelange Transferzahlungen oder wir entlassen die Griechen aus der Euro-Zone.“

Doch Griechenland ist ja nicht der einzige Euro-Staat, der am Abgrund taumelt: Im Moment sieht es auch für Spanien nicht gut aus. „Und wenn uns Spanien um die Ohren fliegt, dann geht es um ganz andere Summen,“ mahnte Müller.

Dass die Staaten durch Spekulanten, „die darauf wetten, dass einem Nachbarn das Haus abbrennt“, wie es Chatzimarkakis beschrieb, absichtlich unter Druck gesetzt werden, gehört dabei zu den Perversionen des Kapitalismus. Reinhold Beckmann stellte am Ende der Sendung die entscheidende Frage: „Warum schafft es die Politik nicht, diesen Gaunern das Handwerk zu legen?“

Theo Waigel behauptete allen Ernstes, Europa hätte gegenüber den großen amerikanischen Banken „Folterinstrumente“ parat: „Dann macht man denen klar, dass sie den nächsten großen Auftrag nicht bekommen.“

Darüber konnte Max Müller nur lachen: „Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die sich von uns beeindrucken lassen. Dafür sind wir viel zu abhängig von ihnen.“ Müller legte sich fest: „In den nächsten Jahren werden wir eine Währungsreform erleben.“

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