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Deutschland Drohnen-Affäre

Was die Kanzlerin an Thomas de Maizière bindet

Thomas de Maiziere, CDU - Thomas de Maiziere, CDU -
Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommern 1993: Angela Merkel und Thomas de Maiziere
Quelle: Paul Glaser, alle Rechte -/Paul Glaser -
Thomas de Maizière ist nicht irgendein Vertrauter Angela Merkels: Er ist der wichtigste Mann der Kanzlerin. Die beiden sind durch die Geschichte ihrer beiden Familien eng miteinander verbunden.

Der Anruf Angela Merkels (CDU) ließ nicht lange auf sich warten. Kaum waren die kritischen Worte des FDP-Generalsekretärs Patrick Döring über Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) öffentlich geworden, musste FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler der Kanzlerin am Telefon Rede und Antwort stehen. Was denn in Döring gefahren sei, wollte sie wissen. So zumindest schreibt es der „Spiegel“.

Merkel muss es hinnehmen, wenn die Opposition dem Verteidigungsminister wegen der Drohnen-Affäre zusetzt und gar einen Untersuchungsausschuss einrichten will. Wagt jedoch jemand aus den eigenen Reihen der Koalition eine Attacke auf ihren engsten Vertrauten, bekommt er es mit ihr zu tun.

Döring war de Maizière vor der zweiten Anhörung des Ministers im Verteidigungsausschuss mit den Worten angegangen, er erwarte von einem Verteidigungsminister, dass er in der Lage sei, Fehlentwicklungen rechtzeitig erkennen und einschätzen zu können. Und dann hatte er noch hinzugefügt: „Er ist nicht nur disziplinarisch, sondern auch politisch Chef des Hauses.“

Damit machte der FDP-Generalsekretär klar, wer seiner Ansicht nach für Missstände im Zusammenhang mit der Drohne Euro Hawk verantwortlich ist und aus dieser Verantwortung die Konsequenzen ziehen muss.

Nicht irgendein Vertrauter Merkels

Döring war klar, dass er diesen Angriff gegen einen engen Vertrauten der Kanzlerin führte. Aber weiß er auch um das besondere Verhältnis zwischen dem Minister und der Kanzlerin? Thomas de Maizière ist nämlich nicht irgendein Vertrauter Angela Merkels. Er gehört nicht in die Reihe der Kauders, Pofallas oder Altmaiers, die im Laufe der Jahre die Gunst der CDU-Vorsitzenden gewannen und nun von ihren Gnaden Politik machen.

Zwischen Thomas de Maizière und Angela Merkel gibt es eine Verbindung ganz anderer Art, die über Jahre gewachsen ist und in einer Zeit erste Wurzeln trieb, als Deutschland noch ein geteiltes Land war, das nach Einheit strebte. Er gehört zu jenen, die der 35 Jahre alten Physikerin 1989 den Weg aus dem ersten in ein zweites Leben ebneten.

Es war nämlich Thomas de Maizière, der den Aufstieg der Pressesprecherin der bei den Volkskammerwahlen gescheiterten Reformpartei Demokratischer Aufbruch ermöglichte. Thomas de Maizière ist ein Cousin des letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière. Beide entstammen einer hugenottischen Familie aus Lothringen.

Wechsel von der Wissenschaft in die Politik

Die Geschichte führte Angela Merkel, Thomas de Maizière und dessen Cousin Lothar zusammen. Letzterer war in den 80er-Jahren in die Spuren seines Vaters getreten und gehörte dem damals von Gregor Gysi geleiteten Berliner Rechtsanwaltskollegium an.

Auch verfügte er über eine Zulassung beim Militärgerichtshof der DDR. Und wie sein Vater war Lothar de Maizière beim MfS als Inoffizieller Mitarbeiter registriert und soll als solcher in der Maske des evangelischen Kirchenfunktionärs unter dem Decknamen „Czerny“ bei der Durchsetzung staatlicher Kirchenpolitik mitgewirkt haben. So jedenfalls steht es in den Stasi-Unterlagen.

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Lothar de Maizière gewann dann an der Seite von Helmut Kohl die einzige freie Volkskammerwahl und holte seinen Vetter Thomas aus der West-Berliner Senatskanzlei als Experten für alles in seine Ost-Berliner Regierungszentrale. Und gemeinsam machten sie Angela Merkel zur stellvertretenden Regierungssprecherin. Die Entscheidung für die damals 35 Jahre alte Physikerin kam nicht von ungefähr.

De Maizière kannte über seine Kirchenarbeit Merkels Vater Horst Kasner sehr gut. Mit der Anstellung als Regierungssprecherin vollzog Angela Merkel nach ihrem Engagement beim Demokratischen Aufbruch endgültig den Wechsel von der Wissenschaft in die Politik.

Für sie ging es weiter bergauf

Neben Thomas de Maizière und Lothar zählte auch dessen Staatssekretär Günther Krause zu den Förderern Merkels. Nachdem Lothar de Maizière wegen der Stasi-Vorwürfe zurückgetreten war, avancierte Krause in der ersten gesamtdeutschen Regierung zum Verkehrsminister und wurde Chef der CDU Mecklenburg-Vorpommerns.

Merkel repräsentierte als Bundesministerin für Frauen und Jugend den CDU-Landesverband, und Thomas de Maizière verließ infolge der Stasi-Affäre um seinen Vetter Lothar Berlin und ging als Staatssekretär zunächst ins Schweriner Kultusministerium, später in die dortige Staatskanzlei. Als Krause über die „Putzfrauenaffäre“ stolperte, übernahm Merkel den CDU-Landesvorsitz.

Für Angela Merkel und Thomas de Maizière ging es weiter bergauf. Sie löste Klaus Töpfer als Umweltminister ab, wurde CDU-Chefin und schließlich Kanzlerin. Thomas de Maizière wechselte zunächst zu Kurt Biedenkopf nach Sachsen. Er wurde Finanzminister, Justizminister und Innenminister des Freistaates.

Aus Sachsen nach Berlin geholt

Über viele Jahre hinweg lag die enge Verbindung zwischen ihnen im Verborgenen. Sichtbar wurde sie erst wieder im Jahr 2005, als Merkel die Bundestagswahl gegen Gerhard Schröder gewann. Damals besetzte sie das für die Koordination ihrer Politik in der großen Koalition mit der SPD so wichtige Amt des Kanzleramtschefs nicht mit einem Mann oder einer Frau aus der CDU-Führung oder aus der Bundestagsfraktion.

Für viele vollkommen überraschend holte sie Thomas de Maizière aus Sachsen nach Berlin. Sie entschied sich für den Menschen, dem allein sie zu 100 Prozent vertraute. Und de Maizière machte einen guten Job. Das fanden sogar die Genossen aus der mitregierenden SPD.

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Nach der Regierungsbildung mit der FDP 2009 übernahm de Maizière das Amt des Innenministers. Im Jahr darauf übernahm er parallel zu seinen Aufgaben für den erkrankten Finanzminister Schäuble auch die Beratungen im Rat für Wirtschaft und Finanzen zur Euro-Krise und den Verhandlungen zum Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM). Auch hier wieder zeigte sich das große Vertrauen, das Merkel in ihn setzt. Und als schließlich Karl-Theodor zu Guttenberg nicht mehr zu halten war, musste er die riesige Baustelle übernehmen, die der Freiherr bei der Bundeswehr hinterlassen hatte.

Durch die Geschichte der Familien eng verbunden

Oft genug hat Thomas de Maizière in den vergangenen Jahren für seine Chefin die Kohlen aus dem Feuer geholt. Niemals konnte ihm irgendjemand oder irgendetwas gefährlich werden. Bis jetzt.

Ausgerechnet wenige Wochen vor der Bundestagswahl rückt ihn der Skandal um die Drohne Euro Hawk ins Fadenkreuz der Opposition. Und mit dem FDP-Generalsekretär Döring wagen sich sogar Kritiker in den eigenen Reihen aus der Deckung – offenbar nicht ahnend, dass Thomas de Maizière einen besonderen Schutz genießt.

Er ist der wichtigste Mann der Kanzlerin. Denn seine politische Geschichte ist durch die Geschichte der beiden Familien eng mit der ihren verbunden.

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