Gut jeder zweite Deutsche wünscht sich einer Umfrage zufolge Joachim Gauck als neues Staatsoberhaupt . In einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag sprachen sich 54 Prozent für den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler als neuen Bundespräsidenten aus. An zweiter Stelle folgten mit jeweils 34 Prozent Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière ( CDU ) und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier .

Gauck bleibe auch weiterhin der Favorit der SPD für das höchste Staatsamt, sagte Parteichef Sigmar Gabriel. "Er täte unserem Land gut und hätte großes Vertrauen bei den Bürgern." Gauck war bereits bei der vergangenen Wahl 2010 von SPD und Grünen aufgestellt worden und im dritten Wahlgang in der Bundesversammlung gegen den nun zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff unterlegen.

Gleichzeitig forderte Gabriel die Kanzlerin auf, ohne Vorfestlegung in die Gespräche mit SPD und Grünen zu gehen. "Wir machen nicht mit, wenn wir nach der Methode "Friss, Vogel, oder stirb" einen Kandidaten vorgesetzt bekommen", sagte der SPD-Chef. Denn trotz der Präferenz für Gauck werde auch die SPD nicht mit absoluten Vorfestlegungen in die Gespräche um die Wulff-Nachfolge gehen. Sollte die Koalition keine ernsthaften Gespräche mit der SPD und den anderen Parteien im Bundestag führen, so werde es einen Gegenvorschlag geben. "Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt." 

Auf der Suche nach einem parteiübergreifend anerkannten Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten kommen die Spitzen von Union und FDP im Laufe des heutigen Tages erneut im Kanzleramt zusammen. Möglicherweise gibt es auch ein Treffen mit den Oppositionsparteien SPD und Grüne. Allerdings gestaltet sich die Suche nach einem passenden Nachfolger für den zurückgetretenen Wulff als schwieriger als gedacht. Merkels erster Anlauf für einen Konsenskandidaten scheiterte.

Scheel fordert von Wulff Verzicht auf Ehrensold

Alle Beteiligten hatten sich nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa darauf geeinigt, als neues Staatsoberhaupt den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle , vorzuschlagen. Der 48-Jährige lehnte aber nach kurzer Bedenkzeit ab. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) steht nicht zur Verfügung.


Als weiterer möglicher Kandidat wurde der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber , genannt. Aber auch gegen ihn gibt es in der schwarz-gelben Koalition Vorbehalte. Am Samstagabend fiel in Verhandlungskreisen der Name von Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU). Die 67-Jährige will sich im März nach 17 Jahren von ihrem Amt zurückziehen. Auch in der CSU-Präsidiumssitzung wurde über Roth gesprochen.



In der Bevölkerung wünschen sich jedoch – unabhängig von der Person – 79 Prozent der Bürger einen Kandidaten, der nicht aus dem Politikbetrieb kommt. Nur 16 Prozent gaben in der Emnid-Umfrage an, der Kandidat solle ein ausgewiesener Parteipolitiker sein. Von der Bedeutung des Amtes sind die Deutschen weiterhin überzeugt. Nur 30 Prozent waren der Meinung, Deutschland könne nach zwei Rücktritten in zwei Jahren auf einen Bundespräsidenten verzichten.

Altbundespräsident Walter Scheel forderte Wulff dazu auf, auf seinen lebenslangen Ehrensold in Höhe von jährlich 199.000 Euro zu verzichten. "Ich wünsche mir, dass Christian Wulff als Bundespräsident a. D. klug genug ist und auf seinen Ehrensold verzichtet", sagte Scheel der Bild am Sonntag . Damit könnte Wulff in der Bevölkerung verloren gegangenes Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.

Eine deutliche Mehrheit der Deutschen hält diesen Schritt laut einer Emnid-Umfrage ebenfalls für richtig: So seien 78 Prozent der Meinung, Wulff solle auf den Ehrensold verzichten – nur 19 Prozent hielten die Pension für angemessen.