"Als Frau hast du in Ägypten keine Chance", sagt Mary und wuchtet einen Stapel mit Broschüren auf den Klapptisch. "Hier hilft dir niemand." Vor einiger Zeit, sagt Mary, lange Locken, pinker Lippenstift, seien sie und ihre Schwester angegriffen worden. Erst warfen die Männer mit Steinen, dann umzingelten sie die Mädchen und traten ihnen in den Bauch.

"Das war am helllichten Tag auf einer Hauptverkehrsstraße", sagt sie. "Alle haben weggeschaut, sogar die Frauen." Seitdem ist die Wirtschaftsstudentin Mitglied in der Frauenrechtsgruppe "I saw harassment". Sie wolle nicht mehr schweigen, sagt sie. Deshalb ist sie an diesem Nachmittag zusammen mit Vertretern von 14 Frauenorganisationen auf den Platz vor der Kairoer Oper gekommen.

Sie haben Stände aufgebaut, verteilen Sticker und Infozettel. "Wir wollen zeigen: Wir sind da. Wir vertreten unsere Rechte." Denn heute, sagt Mary, haben Frauen in Ägypten soviel Angst wie selten zuvor.

Wie massiv die sexuelle Belästigung in Ägypten ist, zeigte jüngst ein Vorfall an der Kairoer Universität. Eine blonde Frau in schwarzen Hosen und einem pinken, langärmeligen Pullover musste vom Sicherheitsdienst weggeführt werden, nachdem eine Horde grölender Männer die Jurastudentin attackiert und versucht hatte, ihr die Kleider vom Körper zu reißen. 

Belästigung angeblich selbst provoziert

Doch nicht nur über die Videobilder, die im Internet kursieren, ist eine hitzige Debatte entbrannt. Für weltweite Empörung sorgten auch die Reaktionen auf den Vorfall. Die Studentin habe die Männer durch ihr "nuttiges Outfit" provoziert, kommentierte ein ägyptischer Talkmaster. Auch der Direktor der Universität, Gaber Nasser, erklärte zunächst, sie sei wohl "nicht angemessen gekleidet" gewesen. Erst unter dem öffentlichen Druck verurteilte Nasser die Übergriffe und versprach, alle Anstrengungen im Kampf gegen Belästigung an der Universität zu unterstützen.

"Das ist ein Witz", ruft Fathi Farid. "Ausgerechnet Jurastudenten jagen eine Frau über den Campus und der Direktor tut nichts." Farid, Gründer von "I saw harassment", lässt sich auf einen Stuhl im Schatten fallen. Gerade noch stand der Aktivist auf der Bühne vor der Oper und sprach darüber, wie immer wieder Gründe gefunden würden, um die Opfer zu beschuldigen. Wie fatal es sei, dass so viele Ägypterinnen glaubten, mit der falschen Kleidung oder falschen Geste die Übergriffe zu provozieren. "Sie müssen verstehen: Die Männer sind die Übeltäter. Belästigung ist eine Verletzung der Menschenwürde."