Bundestagsbeschluss Stromkonzerne dürfen CO2 in die Erde pumpen
Berlin - Energiekonzerne dürfen künftig an ausgewählten Standorten klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) in unterirdischen Speichern einlagern. Der Bundestag machte am Donnerstag den Weg frei für die Erprobung der umstrittenen CCS-Technik bis 2017, mit der das Klima besser geschützt werden soll. 306 Abgeordnete stimmten dafür, 266 dagegen, es gab eine Enthaltung. CCS steht für "Carbon Capture and Storage".
Vor der Abstimmung hatte die Opposition der Regierung in einer hitzigen Debatte vorgeworfen, gegen die Ängste der Menschen das umstrittene Gesetz durchzusetzen. Sie lehnt die Technik als zu gefährlich ab. Bürgerinitiativen fürchten durch ein unkontrolliertes Entweichen des Gases Schäden für Umwelt, Tiere und Menschen. Im Gesetzentwurf wird festgelegt, dass es ausreichende Deckgebirge über Speichern geben muss.
Bei CCS wird zum Beispiel bei der Kohleverbrennung CO2 abgetrennt und per Pipelines in unterirdische Lager gepresst. Die zwei bis drei Lager werden auf eine Kapazität von maximal je drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr beschränkt.
Der CDU-Abgeordnete Jens Koeppen kritisierte eine Panikmache und eine "German Angst". Ohne CCS könne die Erderwärmung nicht auf zwei Grad begrenzt werden. "Es ist eine risikoarme Technologie." Matthias Miersch von der SPD betonte, Haftungsfragen und mögliche Belastungen für das Trinkwasser durch entweichende Giftstoffe seien völlig unzureichend berücksichtigt worden.
Streit um Ausstiegsklausel
Den Befürwortern geht das verabschiedete Gesetz hingegen nicht weit genug. Energieversorger, aber auch Teile der FDP kritisieren, dass es in dem Gesetz eine Ausstiegsklausel gibt. Länder wie Schleswig-Holstein und Niedersachsen könnten davon Gebrauch machen. Im Norden gibt es viele mögliche Speicherstätten, der Widerstand gegen CO2-Speicher ist dort aber auch besonders groß.
Damit könnte die Anwendung auf Brandenburg beschränkt bleiben. Dort will das Unternehmen Vattenfall in Jänschwalde bis 2015 ein 250-Megawatt-Demonstrationskraftwerk errichten. Es soll bis zu 1,5 Milliarden Euro kosten, davon 180 Millionen Euro EU-Fördermittel. Vor einigen Wochen hatte der Konzern im brandenburgischen Ketzin einen Pilotversuch zur unterirdischen Einlagerung des klimaschädlichen Kohlendioxids gestartet.
Aus der FDP gab es massive Kritik an der Ausstiegsklausel, die Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) ursprünglich verhindern wollte. Der FDP-Energieexperte Horst Meierhofer fürchtet, dass sich Länder dann auch beim Netzausbau oder bei einer möglichen neuen Suche nach einem Atommüll-Endlager verweigern könnten. CCS werde so verhindert.
Hoffen auf Exportschlager-Effekt
Die Bundesregierung will die CCS-Technologie mit dem Gesetz bis 2017 erproben lassen. Sie hofft nicht nur auf einen Klimaschutz-Effekt von CCS, sondern auch dass die Technologie zum Exportschlager wird. 2009 war ein erster Anlauf an Schleswig-Holstein gescheitert. Mit dem Gesetz wird eine Vorgabe der EU umgesetzt.
In modernen Kohlekraftwerken soll bei CCS anfallendes CO2 von anderen Abgasen getrennt werden. Dazu wird die Kohle nicht wie bislang üblich in normaler Luft verfeuert, die zum Großteil aus Stickstoff besteht, sondern in einem Gemisch aus reinem Sauerstoff und Rauchgas.
In mehreren Reinigungs- und Aufbereitungsstufen wird das abgetrennte CO2 unter hohem Druck verflüssigt und transportfähig gemacht. Nachdem es per Pipelines unter die Erde gepresst wird, soll es von undurchlässigen Gesteinsschichten eingeschlossen werden.
Verbände gespalten, Vattenfall droht
Umweltschützer sind sich uneinig: Greenpeace und der BUND lehnen CCS ab, der klimaschädlichen Kohleverstromung solle so nur ein grünes Mäntelchen umgehängt werden. Der WWF empfiehlt zur Erreichung der Klimaziele eine Erprobung von CCS.
Scharfe Kritik kam auch von Vattenfall - wenn auch aus anderen Motiven. Das Unternehmen stört sich vor allem an der Ausstiegsklausel - und stellte gleich den gesamten Erfolg der Technologie in Deutschland in Frage. "Wenn das CCS-Gesetz so kommt, wie es heute im Bundestag verabschiedet wurde, dann wird Vattenfall über Jahre nicht in der Lage sein, diese Technologie in Deutschland weiter voranzutreiben", sagte Sprecher Hartmuth Zeiß. Er hoffe auf Änderungen durch den Bundesrat, der das Gesetz noch billigen muss. Sonst drohe der deutschen Technologieführerschaft bei CCS das Aus.
Auch andere Energiekonzerne hatten sich angesichts des Widerstands skeptisch gezeigt, ob sich das Verfahren in Deutschland flächendeckend durchsetzen kann.