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Atomenergie: Hysterie hilft nie

Atomenergie: Hysterie hilft nie

Atomenergie: Hysterie hilft nie

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Atomenergie
 

Hysterie hilft nie

Die „German Angst“ macht uns keiner nach. Wir sollten von den Japanern, den „Preußen Asiens“ lernen, wie ein modernes industrialisiertes Land sich nüchtern und diszipliniert Risiken und Schicksalsschlägen stellt.
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Demonstration gegen Atomkraft Foto: Pixelio/Michael Grabscheit

Die „German Angst“ macht uns keiner nach. Es sind wohl nur deutsche Politiker dazu fähig, über ein verheerendes Unglück in zehntausend Kilometern Entfernung in Panik und hektischen Aktionismus auszubrechen und dabei ohne Rücksicht auf die Folgen dramatische Politikwenden zu verkünden, während die Betroffenen selbst in stoischer Ruhe den Kampf mit dem Schicksalsschlag aufnehmen, der sie heimgesucht hat. Kaltschnäuziger ist selten menschliches Leiden innenpolitisch instrumentalisiert worden als die Erdbeben-, Tsunami- und Reaktorkatastrophe in Japan durch die wahlkämpfende deutsche politische Klasse.

Gleich sieben deutsche Atomkraftwerke läßt die Bundesregierung als Reaktion auf den Kraftwerks-GAU im japanischen Fukushima vorerst stillegen. Nicht weil sich die Prämissen geändert hätten, unter denen eben noch eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten durchgesetzt wurde, die Angela Merkel jetzt freihändig einfach wieder aussetzt.

Keine Beantwortung, was die Alternative zur Kernenergie sei

Eine Antwort auf die Frage, aus welchen anderen Energiequellen denn in den nächsten Jahrzehnten der deutsche Strom kommen könnte, wenn der Bedarf durch Elektromobilität noch steil nach oben gehen soll, ist der Kanzlerin und ihrem Umweltminister Norbert Röttgen auch noch nicht eingefallen. Hochsubventionierte Solarzellen aus chinesischer Produktion sind es übrigens nicht, selbst wenn man jedes Dach damit vollpflasterte.

Der Grund, warum eine Entscheidung von solcher Tragweite mal eben aus dem Ärmel geschüttelt wurde, hat einen Zeithorizont von zwei Wochen: Die CDU-Vorsitzende fürchtet um die Wahlchancen ihrer Partei bei den nächsten Landtagswahlen, weil eine gutorganisierte Lobby professioneller Panikmacher durch die Straßen zieht mit sinnfreien Parolen wie „Fukushima ist überall“.

Ist es nämlich nicht. Nirgends in Deutschland stoßen vier tektonische Platten aneinander, und Tsunamis wurden in Hessen oder Baden-Württemberg auch noch nicht gesichtet. Jede Technologie birgt Risiken, dennoch wird Kernenergie in Deutschland wohl besser beherrscht als beinahe überall sonst auf der Welt.

Rote und grüne Zyniker benutzen eine Katastrophe aus Kalkül

Doch was zählen rationale Argumente, wenn rote und grüne Zyniker angesichts einer Katastrophe, die ihrem innenpolitischen Kalkül wie gerufen kommt, kaum noch die Zeit und den Anstand finden, wenigstens pro forma Erschütterung zu bekunden angesichts von vielen tausend, wahrscheinlich Zigtausenden Ertrunkenen und Erschlagenen, die eben nicht von Kernkraftwerken, sondern von Erdbeben und Flutwellen getötet wurden.

Die rot-grüne Hochstimmung ist aus der Perspektive des provinzpolitischen Tellerrandes freilich nachvollziehbar, liefert Fukushima doch eine willkommene Gelegenheit, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu erwischen: Das „Ende des Atomzeitalters“ zumindest auf der vermeintlichen deutschen Industrieinsel zu erzwingen und dabei noch der politischen Konkurrenz eine empfindliche Niederlage an der Wahlurne mitzugeben.

Dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus hat das öffentliche Hyperventilieren über die japanische Atomkatastrophe bereits die Schlußphase seiner Wahlkampagne verhagelt, in der die CDU mit dem grün-rot-linken Schreckgespenst die Stammwähler mobilisieren und so auf den letzten Metern doch noch die Nase vorn behalten wollte.

Jetzt könnte er der baden-württembergische CDU-Ministerpräsident mit der kürzesten Laufzeit werden – und der erste in 58 Jahren, der abgewählt wird. In Nordrhein-Westfalen schöpfen SPD und Grüne neue Hoffnung, wenn vor den wohl unausweichlichen Neuwahlen statt über das Haushaltsdesaster auf einmal über den Atomausstieg gestritten würde.

Auch die CDU betreibt Aktionismus aus Machtkalkül

Der Vorwurf eines „Wahlkampfs auf dem Rücken der Opfer dieser Katastrophe“, den der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Strobl erhob, fällt freilich auf die Koalitionsparteien selbst zurück. Nicht nur Angela Merkel hat ohne Zögern eine ihrer berüchtigten, vom Machtkalkül eingegebenen programmatischen Kehrtwenden hingelegt:

Auch Stefan Mappus opfert, um seine Haut zu retten, bereitwillig Kernkraftwerke, die eben noch für das Land unentbehrlich waren, und Umweltminister Röttgen, der sich vor den harten Oppositionsbänken in Düsseldorf fürchtet, agiert mit seiner Ausstiegsrhetorik grüner als die Grünen.

Das eigentlich Beunruhigende an dieser unwürdigen Vorstellung ist die stimmungsdemokratische Beliebigkeit, mit der für ein Industrieland überlebenswichtige Fragen wie die Zukunft der Energieversorgung bedenkenlos dem Machterhalt und dem wahltaktischen Kalkül untergeordnet werden.

Von den Japanern lernen, sich diszipliniert Risiken zu stellen

Die Vorstellung, alle Risiken beherrschen zu können, ist eine Illusion; der Glaube, alle Risiken abschalten zu können und Wohlstand zum Nulltarif zu genießen, ist es allerdings ebenfalls. Für die Versorgung der Welt mit Erdöl und Kohle sind schon weitaus mehr Menschen gestorben als durch jeden Atomunfall, Tschernobyl eingeschlossen.

Von den Japanern, den „Preußen Asiens“, könnte man lernen, wie ein modernes industrialisiertes Land sich nüchtern und diszipliniert Risiken und Schicksalsschlägen stellt. Man möchte sich nicht ausmalen, wie Politik und Gesellschaft in Deutschland mit einer Bündelung von Katastrophen umgingen, die auch nur annähernd dem gleichkäme, was Japan in diesen Tagen heimsucht.

(JF 12/11)

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