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Steueroasen: Wohin die Datenspuren führen

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Offshore-Leaks Datenleck erschüttert Steueroasen weltweit

Es ist das bisher größte Datenleck: Millionen Dokumente zeigen, wie mutmaßliche Fiskusbetrüger und ihre Dienstleister ein globales Netzwerk spinnen. Die Enthüllungen erlauben detaillierte Einblicke in ein dunkles System - und bedrohen das Modell der Steueroasen.

Hamburg - Die Firma Portcullis TrustNet  war bislang nur Leuten vom Fach ein Begriff. Dabei brüstet sich das Unternehmen, einer der größten Dienstleister für Offshore-Firmen zu sein, mit 16 Niederlassungen in der ganzen Welt und Kunden in 140 Ländern . Große Firma, wenig Aufmerksamkeit, so das Credo. Diskretion, Verschwiegen- und Verschlossenheit waren der Firma größtes Kapital. Selbst der Name signalisierte das: Portcullis ist die englische Bezeichnung für das Fallgitter einer Burg.

Nun aber ist das Fallgitter zerstört, und die selbsternannte Trutzburg der Steueroasen wird von der Presse belagert. Bei Portcullis - und ebenso bei der Firma Commonwealth Trust Limited  hat sich ein gewaltiges Datenleck aufgetan.

Rund 2,5 Millionen Dokumente über Steueroasen in aller Welt haben anonyme Informanten aus den Datenbeständen dieser zwei Unternehmen kopiert und einem Konsortium von Journalisten in aller Welt zugespielt. Monatelang haben Rechercheure das Material ausgewertet. Nun haben sie begonnen, ihre Ergebnisse zu publizieren.

Portcullis präsentiert sich auf seiner Web-Seite als eine Art Full-Service-Anbieter für Offshore-Geschäfte. Steuerberater, Rechtsanwälte, Vermögensverwalter, Bankenberater, Trustmanager: Die Firma verspricht ihren Kunden weitreichende Kontakte, um die Steuerlast zu minimieren. Kontakte, die Mittel und Wege wissen, die Identität von Geldgebern und Herkunft und Verbleib ihrer Gelder zu verschleiern. Dieser Full-Service-Ansatz wird nun vielen zum Verhängnis.

Spur in 170 Länder

Durch die 2,5 Millionen entwendeten Dokumente - der größte Teil sind E-Mails  - führt eine Datenspur in rund 170 Länder, zu etwa 120.000 Briefkastenfirmen und zu gut 130.000 Personen, die ihr Geld in Steueroasen geparkt haben: zu Politikern, Prominenten, Waffenhändlern, Oligarchen und Hunderten Deutschen. Die Korrespondenz umfasst einen Zeitraum von fast 30 Jahren.

Laut einer Studie der britischen Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network  waren 2012 zwischen 21 und 32 Billionen Dollar in Steueroasen gelagert. Zwar wird nur ein Teil davon mit illegalen Tricks vor dem Fiskus versteckt. Doch die Enthüllungen der internationalen Presse, Offshore-Leaks genannt, offenbaren nun tiefe Einblicke in diese Schattenwelt. Ausgehend von den Firmen Portcullis und Commonwealth lässt sich so umfassend wie nie zuvor rekonstruieren, wie das dunkle System der Steuervermeidung funktioniert.

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Steueroasen: Wohin die Datenspuren führen

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Artikel wie die der "Süddeutschen Zeitung"  über den 2011 verstorbenen Society-Playboy Gunter Sachs zeigen, wie allerlei Dienstleister und Menschen, die ihr Steueraufkommen minimieren wollen, ein weltumspannendes Netzwerk weben. Berichte wie der des kanadischen TV-Senders CBC  offenbaren, welche Verschleierungstechniken angewandt werden. Andere Veröffentlichungen verdeutlichen, wie sehr das dunkle System die Gesellschaft durchdringt: Es sind längst nicht nur Politiker, Stars und Finanzjongleure, die ihr Geld in Steueroasen bunkern, sondern auch mittelständische Unternehmer oder Dorfbewohner in Griechenland.

Ob ein Mitarbeiter die Daten entwendet hat oder sich ein Hacker von außen Zugriff zu den Servern von Portcullis und Commonwealth verschafft hat, ist nicht bekannt. Doch so oder so werden die Enthüllungen weitreichende Folgen haben.

Steueroasen droht die Vertrauenskrise

"Die laufenden Enthüllungen verdeutlichen, dass selbst ein weltumspannendes Netz aus Trusts, Mittelsmännern und Nebenkonten bisweilen nicht reicht, um die Spur des eigenen Geldes zu verwischen", sagt Sebastian Mondial, ein Datenjournalist, der an den Recherchen zu den Offshore-Leaks beteiligt war. "Weil die Daten dann eben doch wieder an wenigen Knotenpunkten zusammenlaufen."

Wie groß das Abschreckungspotential ist, zeigen die Reaktionen auf kleinere Enthüllungen. Auf den Datenträgern, die immer wieder den Finanzämtern deutscher Bundesländer feilgeboten werden, finden sich meist Angaben zu einigen Hunderten, maximal Tausenden Kunden, die ihr Geld in Steueroasen deponiert haben. "Schon das hat eine Flut von Selbstanzeigen verursacht", sagt Thilo Schaefer, Steuerexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Nun werden gleich 130.000 Personen überprüft. "Entsprechend könnte der psychologische Effekt dieses Mal noch viel größer sein."

Zumal die Enthüllungen schon erste reale Effekte haben. Das Kanton Bern hat laut "Süddeutscher Zeitung" angekündigt, den gegen Gunter Sachs erhobenen Vorwürfen nachzugehen und die Steuererklärungen des verstorbenen Millionärs erneut zu untersuchen.

Ob sich neben der Abschreckung auch konkret etwas ändert, ist aber noch nicht absehbar. Am Ende kommt es darauf an, welche Taten auf die laufenden Enthüllungen folgen. Im Falle der Schweiz hat sich gezeigt, was außenpolitischer Druck bewirken kann: Die Berner Regierung gab nach massiven Drohungen die Daten Tausender Kunden der Großbank UBS an US-Steuerbehörden heraus - was viele als Anfang vom Ende des Schweizer Bankengeheimnisses bewerten.

Stellt sich die Frage, ob anderen Steueroasen ähnlich beizukommen ist. Staaten wie die britischen Jungferninseln sind diplomatisch weit weniger angreifbar als etwa die Schweiz. Dennoch dürften die Enthüllungen weltweit eine politische Debatte anstoßen, wie härter gegen Steueroasen vorgegangen werden kann. Im Falle der britischen Jungferninseln etwa, die zu Großbritannien gehören, könnte die Regierung in London unter Druck geraten.

Der 4. April 2013 wird als Tag in die Geschichte eingehen, an dem Big Data das Vertrauen in die Steueroasen nachhaltig erschüttert hat. Deine Daten sind nirgends mehr sicher, lautet die Botschaft. Selbst wenn du sie atombombensicher auf einem Server unter den Schweizer Alpen deponierst, könnten sie irgendwann an die Öffentlichkeit gelangen.