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TV-Feministin: Durch die Jahre mit Alice S.

Foto: Paul Zinken/ dpa

Steuersünderin Alice Schwarzer Die Einzige und ihr Eigentum

Was Alice Schwarzer mit ihrem Geld anstellt, ist eigentlich ihre Sache. Dennoch ist es gut, dass ihre Steuersünde nun öffentlich wurde: Sie könnte Talkshow-Redaktionen dazu bringen, Schwarzers Telefonnummer aus dem Kurzwahlverzeichnis zu löschen.

Man kann sich jetzt natürlich herrlich aufregen. So wie Alice Schwarzer zum Beispiel, die nach der Enthüllung ihres Schweizer Steuergeheimnisses dem SPIEGEL einen Bruch des Persönlichkeitsrechts vorwirft; schließlich habe sie ihre (jedenfalls die noch nicht verjährte) Steuerschuld beglichen und sei nun gefälligst als unbescholtene Privatperson zu behandeln.

Oder man regt sich über Alice Schwarzer selbst auf, etwa über ihre Begründung  für das Schweizer Konto, das sie damals in den Achtzigern nur deshalb angelegt habe, weil "die Hatz gegen mich solche Ausmaße annahm, dass ich ernsthaft dachte: Vielleicht muss ich ins Ausland gehen". Man kann dies als Verhöhnung all jener Menschen verstehen, die tatsächlich aus ihrer Heimat flüchten mussten, wenn sich Alice Schwarzer retrospektiv zum Opfer stilisiert. Zum Opfer einer Verfolgung, die Schwarzer bekanntermaßen nicht in die Emigration trieb, sondern die darin mündete, dass sie eine TV-Talkshow ("Zeil um Zehn") moderierte, in der Jury einer populären Quizshow ("Ja oder Nein" mit Blacky Fuchsberger) saß und als Werbefigur für die "Bild"-Zeitung gebucht wurde.

Seit Menschengedenken in jedem Talk

Aber eigentlich kann es einem völlig egal sein: Wie viel Frau Schwarzer wann wofür in Rechnung gestellt hat, was sie mit ihrem Geld gemacht hat und warum, und ob sie die Zinsen auf ihr Vermögen gerade noch rechtzeitig versteuert hat, um der Strafverfolgung zu entgehen. Das alles mag man ihre Privatangelegenheit nennen. Und auch Schwarzers Selbstwahrnehmung ist letztlich nur ein Problem für den überschaubaren Kreis jener, die sich alltäglich mit ihr auseinandersetzen müssen oder einmal dem Missverständnis erlegen sind, Schwarzer als "Emma"-Chefredakteurin nachzufolgen bedeute tatsächlich, dort anstelle von Schwarzer Chefin zu werden. Gesellschaftlich relevant ist dabei nur eine Frage, eigentlich ein Fragezeichen, gesetzt auf Twitter von Katrin Göring-Eckardt, der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag: "Moralische Instanz?"

Seit Menschengedenken wird Alice Schwarzer zu jeder Talksendung eingeladen, in der auch nur im Entferntesten über so etwas wie Frauenrechte geredet wird. "Jede gesellschaftspolitische Frage, sei es die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Frauenquote, findet seit Jahrzehnten nur eine einzige feministische Antwort, nämlich 'die Antwort' von Schwarzer", sagt Miriam Gebhardt, Historikerin an der Universität Konstanz und Autorin des Buches "Alice im Niemandsland". Alice Schwarzer hält das Monopol auf die mediale Vermittlung des Feminismus in Deutschland.

Ob Schwarzer der Sache der Frauen (bei allen Verdiensten in der Vergangenheit) mit ihrer ewigen Dauerpräsenz als Ober-Feministin mittlerweile mehr schadet als nützt, ist eine Frage, die unter bewegten Frauen seit Jahren kontrovers diskutiert wird. Die bereits erwähnte Miriam Gebhardt konstatiert, der deutschen Frauenbewegung unter Schwarzer seien die Frauen abhanden gekommen. Im Blog "Mädchenmannschaft" findet sich nach einer eröffnenden Würdigung Schwarzers die Einschätzung der Autorin acclamie,  sie sei "auch eine Aktivistin, die die Bevormundung anderer Frauen zu einem zentralen Bestandteil ihres Feminismus gemacht hat". Und man kann - allerdings anonym - sogar die Ansicht hören, Schwarzer habe mit ihrer erdrückenden Machtstellung eine Weiterentwicklung des Feminismus in Deutschland nachhaltig verhindert. So weit scheint die Macht Schwarzers zu reichen, dass es sich viele sehr gut überlegen, ob sie sich auf einen offenen Schlagabtausch mit ihr einlassen wollen - und lieber davon lassen.

Verzerrung durch Omnipräsenz

Denn Alice Schwarzer hat auch eine starke Fürsprecherin: sich selbst. Wer ihre Einschätzungen nicht teilt, hat keine Freundlichkeit zu erwarten. Als Schwarzer im Zuge ihrer jüngsten Kampagne gegen Prostitution die These zur Kenntnis nehmen musste, es gebe auch Frauen, die sich freiwillig und selbstbestimmt prostituieren, reagierte sie in ihrem "Emma"-Blog unwirsch auf die sich so äußernden "Damen in den Feuilletons": "Ihre Überlegungen sind politisch so lebensfern wie intellektuell wirr und dazu ungetrübt von jeglicher Sachkenntnis. Aber sie werden gedruckt. Denn sie sind nützlich. Und ausgewiesen: als coole 'junge Feministin' - im Gegensatz zu der lästigen 'moralisierenden Altfeministin'."

Man kann es Alice Schwarzer nicht zum Vorwurf machen, dass sie ihre über lange Zeit bis zur Selbstverständlichkeit aufgebaute Vormachtstellung verteidigt. Das Problem ist vielmehr die durch ihre mediale Omnipräsenz geschaffene Diskurs-Verzerrung. Und die ist ein Problem der Medien.

Wer heute eine beliebige Talkshow im deutschen Fernsehen einschaltet, mag den Eindruck bekommen, Arnulf Baring sei ein zeitgemäßer, relevanter Historiker, Hans-Olaf Henkel habe nach wie vor eine leitende Position in der deutschen Wirtschaft inne und Alice Schwarzer spreche für die deutsche Frauenbewegung.

Tatsächlich sprechen und werben diese TV-Dauergäste vor allem für sich selbst: für ihre neueste Kampagne, ihr neuestes Buch, ihre nächste Talkshow-Einladung. Sie sind in den Medien präsent, weil sie als Instanzen gelten, und sie gelten als Instanzen, weil sie in den Medien präsent sind. Sie führen mit den immer gleichen Kontrahenten die immer gleichen, über Jahrzehnte eingeübten Debatten. Sie werden eingeladen, weil man sie kennt und weiß, was von ihnen zu erwarten ist: pointierte Phrasen.

Das ist bequem für die Redaktionen und beruhigend für die Zuschauer, doch mit der tatsächlichen Lebensrealität und fundierten Diskussionen haben ihre Positionen so wenig zu tun wie das Schweizer Konto Alice Schwarzers mit dem Bankauszug einer Supermarktkassiererin.

Mit Uli Hoeneß ist dem deutschen Talkshow-Zirkus bereits eine Dauerinstanz abhandengekommen. Wenn die TV-Kollegen nun auch die Nummer von Alice Schwarzer aus dem Kurzwahlverzeichnis löschen, dann hätte Schwarzers Schweizer Steuersünde doch eine gute Folge: Der Feminismus in Deutschland bekäme die Chance, als so vielfältig wahrgenommen zu werden, wie er ist.