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Euro-Krise Deutschlands oberster Populist

Erst fordert Arbeitsministerin von der Leyen für die Euro-Zone das Prinzip "Geld nur gegen Gold" - nun kritisiert Bundespräsident Wulff barsch die Retter der Währungsunion. Es ist höchste Zeit, dass endlich wieder Euro-Experten die Debatte bestimmen.
Bundespräsident Christian Wulff: Die Stimmung nicht zusätzlich anheizen

Bundespräsident Christian Wulff: Die Stimmung nicht zusätzlich anheizen

Foto: Karl-Josef Hildenbrand/ dpa

Hamburg - Bereits als niedersächsischer Ministerpräsident war Christian Wulff nicht gerade als begnadeter Ökonom aufgefallen. Und in seinem neuen Amt hat der Bundespräsident bislang kaum mit relevanten Inhalten von sich reden gemacht. Um sein Schweigen zu fast allen wichtigen Themen zu brechen, hat er sich nun etwas ganz Großes vorgeknöpft: die europäische Währungsunion und ihre existentiellen Probleme.

Zu viele Staaten hätten viel zu viele Schulden, beklagte Wulff an diesem Mittwoch vor Nobelpreisträgern in Lindau am Bodensee . Außerdem sei es problematisch, dass die Europäische Zentralbank immer mehr Staatsanleihen von Fast-Pleitestaaten aufkauft. Gemeinsamen Schuldverschreibungen aller Länder der Währungsunion, den sogenannten Euro-Bonds, erteilte er indirekt gleich eine doppelte rhetorische Abfuhr: "Mit wem würden Sie persönlich einen gemeinsamen Kredit aufnehmen? Für wen würden Sie persönlich bürgen?"

Das ist Populismus im fortgeschrittenen Stadium. Wulff hat in Teilen seiner Rede entweder viel von dem nacherzählt, was seit einer gefühlten Ewigkeit alle wissen - also die Allgemeinplätze präsidial geadelt, dass es zu viele Schulden gibt und die Notenbank ihre Unabhängigkeit aufs Spiel setzt. Oder er hat mit seinen Worten die Probleme noch verschärft. Zum Beispiel, indem er das komplizierte Für und Wider von Euro-Bonds auf dasselbe Niveau herunterbanalisierte wie einen Kleinkredit für die angeheiratete und irgendwie unsolide wirkende Verwandte dritten Grades.

Ängste der Deutschen sind groß

Natürlich muss Wulff die Ängste der Deutschen aufnehmen, dass die Euro-Krise ewig dauern und die Bundesrepublik am Ende eine gigantische Rechnung zahlen könnte. Wenn der oberste Vertreter der größten europäischen Wirtschaftsmacht sich allerdings unbedingt berufen fühlt, eine große Rede zum Thema zu halten, sollte er die eurokritische Stimmung nicht zusätzlich anheizen.

Vielmehr müsste er mutiger und konkreter den Weg nach vorne weisen - statt nur allgemein ein solideres Wirtschaften und eine faire Lastenverteilung zu fordern wie in seiner jüngsten Rede. Er müsste also bestenfalls realistische Ansätze zur Überwindung der aktuellen Krise aufzeigen. Schließlich wird es die eine ganz große Lösung eh nicht geben.

Wulff könnte bei den Deutschen leidenschaftlich dafür werben, dass unsere Zukunft als Exportnation nicht in einem demografisch angeschlagenen Schrumpfstaat liegt. Er könnte erklären, dass China, Indien und Brasilien uns Europäer in zehn oder 20 Jahren wahrscheinlich nur noch dann ernst nehmen werden, wenn wir als Einheit mit einer wichtigen Reservewährung im Rücken auftreten.

Und natürlich sollte er auch sagen, dass uns die Rettung der Währungsunion zwar viel Geld kosten wird, eine Erosion der Euro-Zone aber wohl deutlich teurer würde. Außerdem könnte er erwähnen, dass die Geldgemeinschaft gerade eine stabilere finanzpolitische Basis bekommt. Zwar nur Schritt für Schritt, aber immerhin.

Merkel muss ihre Politik besser erklären

Wulff könnte seine Rede auf die Formel bringen: "Europa muss deutscher werden und Deutschland europäischer." Das wäre ein verbindendes und kein trennendes Element - und somit für das Jahr 2011 zeitgemäßer. Mit seinen in Teilen wie ein Rundumschlag anmutenden Worten vom Mittwoch ist jedoch kaum jemandem geholfen.

Genauso wenig wie mit Ursula von der Leyens kruden "Geld nur gegen Gold"-Plänen, mit denen die Arbeitsministerin am Dienstag einen seltsamen Profilierungsversuch unternahm. Von den Drohgebärden all der Abgeordneten, die hoffen, nur dank ihres Widerstands gegen das Euro-Rettungspaket mal namentlich zitiert zu werden, ganz zu schweigen.

Der immer größer werdende Aufstand der Ahnungslosen zeigt, wie brisant die Lage ist. Die Dauerkrise verunsichert die Bevölkerung massiv - und das ist verständlich. Kanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble und viele andere mühen sich seit Monaten, die Währungsunion zu retten und zu reformieren. Es ist in ihrem Interesse, dass eine zunehmend unseriöse Debatte nun wieder in vernünftige Bahnen gelenkt wird.

Spätestens seit Wulff und von der Leyen sich als die großen Problemlöser gerieren, heißt das: Die Euro-Retter müssen ihre Politik endlich besser als bislang erklären.