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  • 16. Mai 2009 138 17 Min.

Ticker: Nach der gewaltsamen Auflösung eines Protests von Schwulen und Lesben in Moskau sind weiterhin 6 Schwule inhaftiert; sie sollen angeklagt werden, Gefängnis droht. Insgesamt waren ca. 32 Menschen zeitweilig festgenommen worden. Guildo Horn und ein paar Hamburger setzen die einzigen Zeichen eines Protests im Fernsehen.

10:10 Willkommen zu unserem Ticker zum "Slavic Pride", dem von Behörden wiederholt verbotenen Demonstrationszug von Schwulen und Lesben in Moskau am Tag des Eurovision Song Contest. Zum Einlesen: Frühere Berichte zum Thema.

10:20 Sollte es - wie von den Behörden angekündigt - ein hartes Vorgehen geben, wird die Niederlande überlegen, aus der Übertragung am Abend auszusteigen. Aus Deutschland ist nichts ähnliches bekannt, auch wenn Jury-Mitglied Guildo Horn der "Süddeutschen" sagte: "Ich konnte vor Wut nicht schlafen, als ich erfuhr, dass die friedliche Schwulenparade verboten ist. Wir leben im Jahr 2009, das ist ja wie im Mittelalter." Alex Christensen vom deutschen Beitrag Alex Swings Oscar Sings findet das Verbot nicht in Ordnung, "aber wir müssen hier unsere Sache machen und dürfen uns nicht vor einen Karren spannen lassen", sagte er der "SZ". Sein schwuler Kollege Oscar Loya sagte dem "Stern", es sei ein Sieg für die Homosexuellen auch in Russland, wenn er gewinnen würde und ihm Putin zum Sieg gratulieren müsste. Zuvor hatten die niederländischen Teilnehmer einen Boykott angedroht, wurden aber im Halbfinale herausgewählt.

10:30 Wir sind nicht vor Ort, versuchen aber, aus den unterschiedlichsten Quellen zu berichten. Eine der Quellen ist ein Live-Ticker der UK Gay News von vor Ort. Die Demonstration soll in Kürze starten, wird berichtet, und Botschaftsmitarbeiter aus Frankreich, Deutschland, Finnland, Großbritannien, Amerika und den Niederlanden stünden an der Seite, um Landsleuten im Notfall schnell zu helfen.

10:45 Die Organisatoren hoffen auf die Unterstützung von Lesben und Schwulen aus dem Ausland (unter anderem ist der britische Aktivist Peter Tatchell angereist), sind aber froh, über 50 eigene Teilnehmer aus Russland und Weißrussland zu verfügen. Die franzözische Delegation zum Eurovision Song Contest hat angekündigt, mit ihrer Akkredition ganz vorne zu demonstrieren.

10:50 Peter Tatchell twittert, er und insgesamt 20 Aktivisten seien verhaftet worden. Nach 5 Minuten sei er von der Polizei vor den Augen der Weltmedien in Gewahrsam genommen worden - auch Organisator Nikolai Aleksejew sei verhaftet. "Kürzeste Demo auf der ich je war", schreibt er.

Youtube | Videobeitrag von Russia Today, Stand ca. 11h
(Danke, erneut, an Christian aus den Kommentaren)

11:15 Auf Fernsehbildern des Senders "Russia Today" sieht man, wie eine Kundgebung von maximal 50 Leuten von einer Krawallpolizei aufgelöst wird. Es sei nicht mehr zu einer Demonstration gekommen, berichtet der Reporter, die Teilnehmer seien sofort verhaftet und in Bussen weggebracht worden. Wenig später seien weitere Aktivisten aufgetaucht und beim Versuch, der Weltpresse Interviews zu geben, ebenfalls verhaftet worden. Auf dem Platz seien derzeit nur noch Medien und Touristen.

11:20 Der Grünen-Politiker Volker Beck nennt die Verhaftungen in einer Presseerklärung "skandalös": "Gleich nach Beginn der Veranstaltung wurden 20 friedliche Demonstranten des Slavic Pride in Moskau verhaftet. Das Verbot des Gay Pride durch die Stadt Moskau und die Verhaftung friedlicher Demonstranten, die ihre Menschenrechte wahrnehmen, ist ein Skandal." Die Bundesregierung müsse sich unverzüglich für die Freilassung der Verhafteten einsetzen und sich nach ihrer Sicherheit in der Haft erkundigen. "Alle Eurovisionsteilnehmer und die übertragenden Fernsehanstalten sind aufgerufen, jetzt ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Man kann nicht einfach weggucken und nun zur Tagesordnung übergehen. Nun ist Zivilcourage gefragt", fordert Beck.

11:25 Auf den Bildern sind auch Gegendemonstranten von nationalistischen und religiösen Gruppen zu sehen, deren Protest anders als der Slavic Pride genehmigt worden war. Aus Reihen der Gegendemonstranten scheint es keine Verhaftungen gegegeben zu haben. Anders als vor zwei Jahren ist es aber offenbar auch nicht zu Gewalt gegenüber den Teilnehmern des Pride-Protests gekommen - die frühe Verhaftung scheint dem vorgebeugt zu haben.

11:35 Die Associated Press berichtet, einer der rund 50 Gegendemonstranten sei verhaftet worden - er hatte die Offiziellen des Kreml als "schwul" bezeichnet. Die Nachrichtenagentur berichtet von insgesamt rund 30 Menschen, die in der Nähe der Universität für die Rechte von Schwulen und Lesben protestiert hätten. "Homophobie ist eine Schande für dieses Land", sei einer der Slogans gewesen. Nach einer Minute sei die Polizei eingeschritten und habe unter anderem Peter Tatchell verhaftet, was er gegenüber den Kameras mit "das zeigt, dass die russischen Menschen nicht frei sind" kommentierte. Auch AP berichtet, nach den ersten Verhaftungen seien weitere Aktivisten aufgetaucht und bei Interviews verhaftet worden.

11:45 Unter den Verhafteten sei auch ein US-Bürger, berichtet AP. Die Nachrichtenagentur beschwert sich, die Polizei habe versucht, "die Medien mit Gewalt vom Ort der Auseinandersetzung zu vertreiben". Die Teilnehmer seien von der Spezialeinheit OMON verhaftet worden. DPA berichtet: "Teilweise im Würgegriff wurden ein Dutzend Demonstranten aus Russland und Weißrussland vor der staatlichen Lomonossow-Universität abgeführt. Die Demonstranten hatten bei der nicht genehmigten Kundgebung Plakate entrollt, auf denen die Einhaltung der Menschenrechte für Schwule und Lesben gefordert wurde." Auf Twitter hört man von Peter Tatchell nichts mehr, auch der Ticker auf UK Gay News ist verstummt.

12:00 Die Webseite des CSD-Organisators Nikolai Aleksejew, gayrussia.ru, ist nicht erreichbar. In der Nacht war es zu Denial-of-Service-Attacken auf einige internationale Homo-Seiten gekommen, darunter die Webseite des Washington Blade und Gays.com. Die Herrkunft der Attacken ist bislang ungeklärt. Gays.com erklärte, man sehe einen Zusammenhang mit geplanten Aktionen zum Internationalen Tag gegen Homophobie am Sonntag.

12:05 Der Sender Russia Today, der zwischenzeitlich seine Live-Berichterstattung aufgeben musste, weil die Polizei den Reporter des Platzes verwies und später von einem entfernteren Platz ebenfalls vertrieb, berichtet von 20-25 Verhaftungen. Auf neuen Bildern ist auch ein geschminkter Mann im Hochzeitskleid zu sehen, der mit Druck durch die Polizei verhaftet wird. Der Mann schmeißt seinen Blumenstrauß frustriert auf die Straße.

12:06 Peter Tatchell twittert, er sei aus der Polizeistation entlassen worden.

Youtube | Neue Footage bei Youtube: die Protestaktion, Verhaftungen, ein Interview mit Andy Thayer, eine weitere Verhaftung

12:15 Bei dem US-Bürger soll es sich um den Aktivisten Andy Thayer handeln, berichtet ein britischer Journalist auf Facebook, der offenbar in Kontakt zu Peter Tatchell steht. Seinem Bericht nach sind 35-40 Menschen verhaftet worden. Die anwesenden Diplomaten einiger europäischer Botschaften planten eine gemeinsame diplomatische Aktion.

12:25 Organisator Nikolai Aleksejew: "Ich rufe alle Künstler, die heute abend beim Eurovision auftreten sollen, das Event zu boykottieren und die Nachricht zu senden, dass die staatliche Unterdrückung von Menschenrechten in Russland nicht akzeptabel ist." Das über Facebook und das Blog Gays without borders verbreitete Statement beschwert sich über die Polizeibrutalität: "Die Polizei, die vom offen homophoben Bürgermeister Yury Luzhkov die Erlaubnis hatte, gewaltsam einzugreifen, hat mit ihren Waffen nicht zurückgehalten, obwohl die Medien der Welt zugeschaut haben." Die Ereignisse des Nachmittages hätten gezeigt, wie wenig sich Russland im Bereich der Menschenrechte bewegt hat. Über den Verbleib von Aleksejew und den weiteren Verhafteten liegen derzeit keine Informationen vor.

12:32 Mit dem Material der Nachrichtenagenturen berichten alle deutschen Online-Medien über den Vorfall. Ein Bericht auf Tagesschau.de enthält auch ein Video über den geplanten Protest aus den "Tagesthemen" vom Vortag. Oscar Loya sagt da: "Ohne die Schwulen gibts keinen Eurovision".

12:40 Der schwule Journalist Jan Feddersen berichtet in seinem offiziellen NDR-ESC-Blog, wie er mit Kollegen bei dem Protest auftaucht: "Man sieht, wie die Polizei Männer verhaftet und abführt, sie in Einsatzwagen sperrt. Zu hören sind Krankenwagen mit heulendem Einsatzton. Als wir auf dem Platz stehen bleiben und nur miteinander plaudern, werden wir harsch aufgefordert, weiter zu gehen. Ein Polizist, des Englischen mächtig, sagt mir, ich solle nur meine Zigarette auf dem Boden ausdrücken, was ja verboten ist, dann würde ich schon sehen, was ich davon habe. Es liegt ein unfassliches Klima der Bedrohung über der Szene - ein journalistischer Kollege flüstert mir zu, der Kern der Parade sei schon zerbröselt worden. Nikolai Alexeew, der Kopf der russischen Homobürgerrechtler sei verhaftet und abgeführt worden. Wir haben unsere Pässe in den Taschen, wir sind Journalisten, wir fürchten, jeden Moment verprügelt zu werden." Der Blog-Eintrag wägt auch das Verhalten der Schwulen ab, die nicht zu dem Protest gegangen sind: "Schade, dass es so viele Angsthasen gibt. Dass Oscar Loya nun erklärt, er wolle zu diesen Fragen keine Stellung beziehen, ist hingegen völlig okay: Er soll singen. Schlimm genug, dass russische Medien ihn verspöttelt haben als schwulen Mann."

12:50 Die russische Nachrichtenagentur Interfax fasst das Geschehen so zusammen: "Moscow police detain dozens of sex parade participants, including organizer".

13:05 Der Reporter von "Russia Today" hat erneut einen neuen Platz gefunden, kann ansonsten aber nichts neues berichten. Auf Youtube gibt es weitere Bewegtbilder aus Moskau: Politi Mod Demonstranter. Über Yahoo News Pictures sind Bilder der Verhaftungen abrufbar.

13:30 Der freigelassene britische Homo-Aktivist Peter Tatchel twittert, er sei "tief besorgt" über Organisator Nikolai Aleksejew: "Habe von ihm seit seiner Verhaftung nichts mehr gehört". Weitere Details zu den übrigen Verhafteten und ihrem derzeitigen Status sind weiterhin nicht bekannt. Laut Reuters wurden rund 35 Homo-Aktivisten und insgesamt 7 Gegendemonstranten festgenommen. Unter den verhafteten Schwulen befand sich auch ein Finne.

13:38 Gays without Borders berichten, Peter Tatchell sei der einzige Freigelassene. Die Aktivisten aus Russland und Weißrussland seien in verschiedenen Zellen untergebracht. Organisator Nikolai Aleksejew sei an einem weiteren Ort und nicht erreichbar, sein Handy sei beschlagnahmt. 32 Aktivisten seien festgenommen worden, ein Teilnehmer des verbotenen Protests sei bereits vor Gericht gebracht worden.

14:00 "Heute bin ich lesbisch", schreibt die ESC-Teilnehmerin aus Schweden, Malena Erdmann, auf ihrer Homepage: "Ich denke, es ist sehr traurig, dass sie diese Anerkennung der Liebe nicht erlauben. Ich bin nicht homosexuell, aber heute bin ich froh und stolz, mich selbst 'gay' zu nennen - um meine Freunde und Fans zu unterstützen."

14:10 Auf UK Gay News gibt es wieder Updates. Die Botschaft Weißrusslands soll sich weigern, ihren festgenommen Landsleuten zu helfen. Nicht festgenommene Aktivisten des Slavic Pride fordern die EBU auf, am Abend während der Übertragung des Eurovision Song Contest Aufnahmen der Polizeigewalt zu senden.

14:20 Es gibt auch gute Nachrichten an diesem Tag: In Riga demonstrieren derzeit zwischen 300 und 400 Teilnehmber beim Baltic Pride. Laut Reuters stehen Gegendemonstranten mit Bibeln am Rande, ansonsten wird aber von einer friedlichen Demonstration berichtet. Zuvor hatte ein Gericht die von der Stadtverwaltung verbotene Demonstration erlaubt.

14:33 Tagesschau.de bietet einen guten Audio-Beitrag der WDR-Hörfunk-Korrespondentin Christina Nagel. Die BBC bietet einen Video-Bericht, über die rechte Spalte kann man Berichte aus den Vorjahren erreichen. Der niederländische Sender NOS hat eigene Bilder von Demonstration und Gegendemonstration.

15:00 Die Nachrichtenagenturen haben nun mehr Hintergründe zu den Vorfällen. Der schwule Protest habe gezielt früher und an einem anderen Platz stattgefunden als vorher angekündigt - so kam es nicht zu einem Zusammentreffen mit den Gegendemonstranten. Einige Aktivisten erreichten den Protest nicht vor der Auflösung, nachdem Zivilpolizisten Autos aufgehalten hatten. Organisator Aleksejew wurde verhaftet, als er mit dem Mann in Frauenkleidern als verheiratendes Paar aufgetaucht war, berichtet AFP. Laut AP wurden weitere sechs schwule Männer bei einer weiteren Kundgebung in der Innenstadt verhaftet. Reuters berichtet, am Pushkin-Platz hätten anti-homosexuelle Aktivisten mehrfach einen schwulen Mann angegriffen. Sieben Gegendemonstranten wurden festgenommen. Das Statement, in dem Aleksejew zum Boykott des ESC aufruft, wurde laut AFP vor dem Gefängnis in seinem Namen verteilt. Zu ihm selbst gibt es seit der Verhaftung weiterhin keinen Kontakt.

15:30 Ein Leser berichtet, er hätte im Eurovisions-Blog des NDR von Jan Feddersen einen Link zur Berichterstattung auf queer.de gesetzt und darauf hingewiesen, dass die Aktivisten noch inhaftiert seien. Der Kommentar sei innerhalb von wenigen Minuten verschwunden. In den Kommentaren auf dieser Seite fordert Leser Christian alle Teilnehmer der heutigen Grand Prix Party auf dem Hamburger Spielbudenplatz auf, Flagge zu zeigen. "Ab 20:20 Uhr überträgt die ARD live vom Spielbudenplatz und die Szene sollte diese Chance nutzen ein politisches Statement abgzugeben. Stoppt Homophobie und Menschenrechtsverletzungen in Russland. Der einfachste Weg für Aufmerksamkeit zu sorgen ist die Regenbogenfahne".

16:10 Farid Müller, schwuler Abgeordneter der Grün-Alternativen Liste in Hamburg, twittert folgendes: "Bin gespannt,ob unser schwuler Grand Prix Sänger Oskar heute Abend beim Auftritt einen Zeichen gegen die russische Polizei-Willkür setzt? Denn ohne die Schwulen gäbe es auch kein Grand Prix...!Wenn Oskar Loya gewinnt den Grand Prix muss Putin ihm gratulieren...armes Russland.."

16:30 Aus Moskau weiterhin nichts neues. Wir arbeiten gerade an einem Bericht zum CSD in Riga: der war offenbar erfolgreich und friedlich, auch dank internationaler Beteiligung (Amnesty International, Europride Zürich).

17:00 Am Schmidt Theater in Hamburg wird zur Übertragung der ARD ab 20.20h eine Regenbogenflagge hängen, berichten ein Leser und Farid Müller. Die Organisatoren des Hamburg Pride rufen ebenfalls zum Protest auf: "Wir appellieren daher an alle Besucher der großen Party auf dem Spielbudenplatz Flagge zu zeigen - wenn Deutschlands Punkte aus Hamburg vergeben werden, soll ein Meer von Regenbogenfarben nach Moskau grüßen", so eine Presseerklärung des Vereins. Es müsse ein "klares Zeichen" gesetzt werden, "dass staatlich sanktionierte Homophobie und die Unterdrückung von Meinungsfreiheit und Menschenrechten nicht akzeptabel sind".

17:25 Ein Video von den Proben auf der offiziellen internationalen Seite des ESC, eurovision.tv, zeigt Oscar Loya mit einer Art Regenbogenjacke. Dezenter Protest oder Mode? Bei der Probe des Bühnenauftritts trägt er jedenfalls nur ein schwarzes Hemd, und die Aufnahmen sind von gestern.

17:26 Unser Bericht über den CSD in Riga

17:35 Der Schwulensender TIMM will heute um 20.10 eine Sondersendung mit den aktuellen Meldungen bringen. Auf der Timm-Webseite berichtet Korrespondent Andreas Strohfeldt, nur etwa 50 Demonstranten seien nahe der Staatlichen Lomonossow-Universität zusammengetroffen. "Diesen Ort besuchen traditionsgemäß Hochzeitspaare an ihrem Hochzeitstag. (...) Etwa 100 Journalisten konnten beobachten, wie die Demonstranten, die versuchten Plakate mit der Aufschrift 'Gleiche Rechte' aufzurollen, sofort festgenommen wurden. (...) Interessierte Touristen oder Eurovision Song Contest-Besucher sollen laut Augenzeugen nicht anwesend gewesen sein, was daran gelegen haben kann, dass der Demonstrationsort kurzfristig verlegt wurde und sich nicht im Zentrum der Stadt befindet, wie der ursprünglich von den Veranstaltern angedachte Puschkin-Platz."

18:00 Weiterhin keine News zu den Verhafteten. Aktivisten und Nachrichtenagenturen aus dem Ausland schätzen die Zahl der Menschen, die nach dem Protest im Park an den Sperlingsbergen festgenommen worden sind, auf 32 bis 40. Die russische Nachrichtenagentur Interfax spricht allerdings von 81 Inhaftierten, denn auch bei einem weiteren Protest in der Innenstadt seien allein 32 schwule Aktivisten festgenommen worden. In Moskau ist es nun acht Uhr abends, die große ESC-Show startet dort in drei Stunden.

18:15 UK Gay News berichtet aus Moskau, der US-Aktivist Andy Thayer und eine russische Demonstrationsteilnehmerin, die sich der Polizei als Journalistin ausgegeben hatte, seien freigelassen worden. Es würden noch 31 Menschen aus Russland und Weissrussland in der Polizeistation Raminskoye festgehalten und mit Videokameras befragt. Bisher sei keine Anklage erfolgt. Nicht inhaftierte Aktivisten, aber auch Journalisten brächten den Festgenommenen Wasser und Essen.

18:43 Die offizielle Eurovisions-Gemeinde hat derweil übrigens ein anderes Thema: die Aufregung um Dita Von Teeses Titten. Die Organisatoren des Eurovision Song Contest hatten die US-Amerikanerin, die im Hintergrund zum deutschen Beitrag tanzt, nach der ersten Generalprobe gebeten, mit "Rücksicht auf die kulturellen Unterschiede zu anderen Ländern" (ARD-Koordinator Thomas Schreiber) ihren Busen mehr zu verhüllen. Über Twitter gab sich Dita von Teese jedoch vor zwei Stunden kämpferisch; sie wolle der "Grand-Prix-'Zensur'" trotzen, fasst stern.de zusammen. Über die Polizeigewalt gegen Schwule twittert sie nichts.

19:00 Das hervorragende ESC-Blog des Vorwärts berichtet aus der "verbotenen Stadt", wie Reporter Marc Schulte zu spät zur ersten Protestkundgebung kam und danach alle Ausweichplätze von Hundertschaften der Polizei abgeriegelt waren. Es habe dann Chaos geherrscht in einer Menge aus Polizisten, Schwulen, Journalisten, Gegendemonstranten und Touristen. Die schönste Aussage in dem Bericht: "Wir sehen einige ESC-Fans - nicht die riesige Masse, aber sie sind gekommen - trotz Gefahr." Ein niederländischer Fan erzählt dem Blog, "dass er kurz zuvor von Einem (Mann) mit Hakenkreuz auf der Glatze mit einem Ei beworfen worden sei, das ihn nicht getroffen habe". Es gibt auch hier das Gerücht, dass auch Finnen verhaftet worden seien.

19:10 UK Gay News berichten aus Moskau, der einzige von der Polizei angeklagte und vor Gericht gebrachte Demonstrant sei von diesem als unschuldig befunden worden - die Polizei habe ihn darauf wieder zurück auf die Wache gebracht. Vor der Polizeistation Raminskoye gebe es Sorge um die verhafteten Teilnehmer aus Weißrussland - deren Botschaft weigere sich weiterhin, ihnen zu helfen. Die russischen Behörden sollen angeblich eine Ausweisung planen.

19:30 Die verhafteten Aktivisten berichten, die Polizei habe angekündigt, sie wegen Missachtung der Polizei anzuklagen. Damit drohen ihnen bis zu 15 Tage Gefängnis, berichtet UK Gay News.

19:35 Es ist nicht gerade ein Web-2.0-Event, dieser verhinderte Protest von Lesben und Schwulen. Es gibt bisher ganze vier Bilder bei flickr (das rechts stammt von zub4ik). Der beste Kommentar bei Twitter war, dass auf den Rücken der Polizisten umgekehrt Homo steht (wobei der Schriftzug für die Polizeieinheit OMON steht). Auf Youtube finden sich nur Berichte regulärer Fernsehsender und das oben verlinkte Rohmaterial. Auf die "alten" Medien ist Verlass: Bei CNN, Sky News, BBC und den deutschen Nachrichtensendern gab es Berichte, allerdings eher kurz und nachrangig. Russia Today sendet keine neuen Informationen mehr; das "heute-journal" hat soeben eine gute Zusammenfassung der Situation gezeigt.

20:15 Die "Tagesschau" muss dringend lernen, dass es auch Synonyme für "Homosexuelle" gibt - der Begriff fiel in Moderation und (ausführlichem) Beitrag gute hundert Mal. Gleich schaltet die ARD nach Hamburg - wird man Regenbogenflaggen sehen? Wir werden diesen Ticker übrigens noch bis in die Nacht weiterführen.

20:35 Im Hamburger Publikum, das leerer wirkt als sonst, sieht man im hinteren Bereich genau eine kleine Regenbogenflagge - sonst keine, dafür viele vermutlich vom Sender verteilte deutsche Nationalflaggen. An der Außenterasse des Schmitt-Theaters hängt ebenfalls eine Regenbogenflagge, doch die auffälligste ist die auf der Mütze von Guildo Horn. Der hält auch eine spontane Rede für Lesben und Schwule, die auf Applaus stößt. Seine zentrale Aussage in Richtung Polizei: "Jetzt hört mal auf mit dem Scheiß, ey!"

20:45 Auf dem Balkon des Schmidt Tivoli wird eifrig mit Regenbogenfahnen gewedelt, die der NDR dann auch mal kurz einblendet. Der Schriftsteller Wladimir Kaminer (Russendisko) wird zu den Vorfällen in Moskau befragt. Er behauptet: "Russland ist schwulenfreundlich, sie zeigen es nur nicht."

20:55 Zuvor war Mark Medlock aufgetreten, ohne ein Wort zu verlieren, aber vielleicht war das Mikro auch einfach nicht angeschaltet. Die Worte von Guildo Horn von zuvor: "Ich muss sagen, auch ich bin ein bisschen aufgeregt, weil ich habe heute ein paar Bilder aus Moskau gesehen. Wenn eine Schwulen- und Lesbendemo irgendwie zusammengeknüppelt wird, ist das nicht meine Welt. Das will der Grand Prix nicht, das wollen wir alle nicht. Der Grand Prix steht für Artenvielfalt, und der Grand Prix ist bunt (...) Hört auf mit dem Scheiß!"

21:13 Volker Beck twittert, er habe das Außenamt aufgefordert, sich für die Demonstranten einzusetzen. Noch immer sind 31 Männer inhaftiert, um 23 Uhr Ortszeit wird sich daran heute wohl nichts mehr ändern. Während bei diesen Männern wenigstens Kontakt zu Journalisten und Aktivisten besteht, ist vom CSD-Organisator Aleksejew seit Stunden nichts gehört worden. In der Zwischenzeit ist der Eurovision Song Contest 2009 gestartet, The Show must go on.

22:00 Während einige Länder Werbepause haben, wird ein "lustiger" Beitrag gezeigt, in der russische Polizisten erst Aufnahmen untersagen wollen, dann aber fröhlich singen. Bei der BBC weist der schwule Kommentator Graham Norton auf die Diskrepanz zu den Ereignissen am Nachmittag hin, bei der ARD schweigt Kommentator Tim Frühling.

22:01 Inzwischen gibt es neue Meldungen aus Moskau: alle weißrussischen und einige russische Demonstranten sind freigelassen worden. Sechs Schwule aus Russland sind noch in Haft, darunter Nikolai Bajew and Nikolai Aleksejew. UK Gay News schreibt, die Polizei könnte die Männer noch bis Montag festhalten und dann dem Gericht zuführen.

22:20 Oscar Loya zeigt während seines Beitrags für Deutschland Sixpack und Glitzerhose, ansonsten aber keinerlei solidarischen Hinweise oder Andeutungen der Solidarität mit der LGBT-Community.

22:25 Auch sonst bisher keine Solidaritätshinweise bei den Künstlern, man sieht auch keine Regenbogenflaggen oder -buttons im Publikum, wie es sich der CSD-Organisator schon vor einer Woche gewünscht hatte. Es ist auch keine Rundfunkanstalt aus der Übertragung ausgestiegen.

22:55 Die Nachrichtenagentur RIA berichtet, die Freigelassenen hätten eine Verwarnung bekommen. Ein Sprecher der Polizei wird mit den Worten zitiert, es habe keine illegalen Handlungen der Polizei gegeben, dies würden Videos der Verhaftungen und Verhöre belegen.

23:20 Bei der Schaltung zur Punktevergabe nach Hamburg ist am Schluss kurz eine Regenbogenflagge deutlich zu erkennen. Zuvor waren nur sehr, sehr viele Deutschland-Flaggen zu sehen, was Graham Norton bei der BBC so kommentierte: "Seems to be at some sort of demonstration. Or rally."

00:00 In Moskau ist es zwei Uhr morgens, wir erfahren nichts mehr von den Beteilgten der Demonstration. Den Eurovision Song Contest hat Norwegen gewonnen, Russland verloren und Oscar Loya hat sich irgendwie auch selbst disqualifiziert.

01:10 Seit Mitternacht ist übrigens Internationaler Tag gegen Homophobie. In der ARD fällt bei der Abschluss-Show (und der "Tagesschau" danach) kein Wort mehr über Homosexuelle, Regenbogenflaggen im Publikum werden nicht mehr gesichtet (und eigentlich auch keine erkennbaren Schwulen, was auch am sensationell albernen Ballermann-Programm auf der Bühne liegen kann und möglicherweise so gewünscht ist). Die Diskussion in Deutschland in den nächsten Tagen wird bestimmt werden von der Frage, warum "uns" (als Deutsche) Europa angeblich nicht leiden kann. Die Frage, warum Schwule noch immer unbeliebt sind, ist da wohl eher unwichtig.

Mit dieser leicht frustierten Kommentierung beenden wir diesen Ticker; wir danken unseren Lesern, speziell in Hamburg, und all den Kommentierern da unten und vor allem Allen, die heute in Moskau auf die Straße gegangen sind und uns von dort mit Nachrichten über die Demonstration versorgt haben.

Norbert Blech, Christian Scheuß

#1 HannibalEhemaliges Profil
  • 16.05.2009, 11:08h
  • "Nach 5 Minuten sei er von der Polizei vor den Augen der Weltmedien verhaftet worden - auch Organisator Nikolai Alekseev sei verhaftet worden."

    Ich hoffe, die Situation in diesem Drecksland eskaliert so richtig und Teilnehmer des ESC aus verschiedenen Ländern boykottieren den Contest heute abend!
    Unser schwuler Oskar sollte sich schämen, sich da so bedeckt zu halten! ICH wäre schon weg!
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#2 HannibalEhemaliges Profil
  • 16.05.2009, 11:16h
  • "ICH wäre schon weg!"
    Ich muss mich korrigieren: Idch würde bei meinem Auftritt nicht singen, sondern eine Protestrede halten und danach die Bühne verlassen. Man/n kann also noch hoffen!
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#3 ChristineAnonym
  • 16.05.2009, 11:21h
  • Ich bin geschockt und hoffe, dass den schwulen Aktivisten und ihren Unterstützern in Moskau nichts passiert. DIE GANZE WELT SCHAUT ZU!
    Sollten die Veranstalter oder Künstler des Eurovision Song Contests heute Abend ein Zeichen der Solidarität setzen, wären die Geschehnisse von heute Morgen trotzdem ein Sieg für den Kampf um Anerkennung und eine doppelte Blamage für die russische Obrigkeit.
    In Hochachtung für alle, die sich engagiert haben oder dies noch tun!
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