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Chile nach dem Beben: Chaos und Gewalt in Concepción

Foto: Leo La Valle/ dpa

Nasa-Berechnungen Chile-Beben hat Erdachse verschoben

Das Erdbeben in Chile hat heftige Auswirkungen auf den gesamten Globus. Laut Nasa-Forschern haben die Erschütterungen die Erdachse verschoben, die Erdumdrehung beschleunigt - und so die Tage verkürzt. Geologen warnen vor drastischen Folgen: Scheinbar erloschene Vulkane könnten ausbrechen.

Erdbeben vor der Küste Chiles

Das hat weite Teile des Landes ins Chaos gestürzt, die Zahl der Todesopfer stieg laut Regierung auf fast 800, es kam zu Plünderungen und Gewaltausbrüchen.

Aber auch die Erdkugel hat die Erschütterungen nicht so einfach weggesteckt. Das Beben - es war das fünftstärkste, das je gemessen wurde - hat die Erdachse verschoben: um acht Zentimeter, berichten Geophysiker der Nasa. Der Heimatplanet habe nun eine etwas schiefere Position, melden die Forscher. Das Beben hat der Erde demnach zudem einen Drall verpasst - sie dreht sich jetzt etwas schneller. Die Dauer eines Tages habe sich dadurch um 1,26 Millionstel Sekunden verkürzt, berichten die Forscher. Die Einbuße sei zwar zu gering, um sie messen, geschweige denn erleben zu können - aber berechnen ließ sie sich.

Wie heftig der Impuls war, verdeutlicht jedoch ein Vergleich: Würde man das Wasser im Drei-Schluchten-Staudamm in China entsprechend verschieben, würde sich der Planet nur um ein Zwanzigstel so stark beschleunigen wie beim Erdbeben vom Samstag.

Mit dem zusätzlichen Drall macht die Erde ein wenig Geschwindigkeit gut. Der Mond bremst ihre Umdrehung stetig ab, die Anziehungskraft des Trabanten wirkt wie ein Bremsklotz. Die astronomische Zeit fällt gegenüber der Zeit der Atomuhren daher stetig zurück. Früher kreiselte die Erde deutlich schneller, Urzeit-Wesen lebten in 23-Stunden-Tagen.

Damit wir nicht irgendwann im Dunkeln Mittag essen müssen, wird in der Silvesternacht alle paar Jahre eine Sekunde eingefügt, die sogenannte Schaltsekunde. Das Chile-Beben hat die nächste Schaltsekunde nun ein wenig hinausgezögert.

Schon der Tsunami 2004 hatte der Erde einen Drall verpasst

Ursache für die Beschleunigung der Erddrehung ist der Eistänzerin-Effekt: Wenn eine Eistänzerin bei einer Pirouette ihre ausgestreckten Arme anzieht, dreht sie sich schneller - die höhere Drehgeschwindigkeit ihrer Arme überträgt sich auf ihren Körper. Gleiches passierte am Samstag mit der Erde: Das Chile-Beben hat massenhaft Gestein ins Erdinnere verschoben, sogleich beschleunigte sich die Rotation des Planeten.

Auch das schwere Tsunami-Erdbeben Ende 2004 in Südasien hatte der Erde einen zusätzlichen Drall verpasst, es verkürzte die Tageslänge um acht Millionstel Sekunden. Obwohl jenes Beben aber noch deutlich heftiger ausfiel als das von Chile, hatte es weniger Auswirkungen auf die Erdachse - es verschob sie um sieben Zentimeter, also um einen Zentimeter weniger als das Chile-Beben.

Das Chile-Beben habe den größeren Effekt gehabt, weil das Gestein steiler ins Erdinnere geschoben wurde, schreibt Nasa-Forscher Richard Gross, der Autor der Berechnungen. Zudem ereignete sich das Beben am Samstag wesentlich weiter entfernt vom Äquator als das Tsunami-Beben 2004.

Nahe des Äquators wirken sich Erdstöße weniger auf die Achse aus, denn dort liegt die Achsenmitte. Die sogenannte Figurenachse der Erde teilt zwei Erd-Halbkugeln gleicher Masse. Ein Stoß in ihre Mitte am Äquator verschiebt sie nicht. Die Nord-Süd-Achse der Erde liegt etwa zehn Meter neben der Figurenachse, ihre Veränderung haben die Nasa-Forscher nicht berechnet.

Die schweren Erdstöße könnten Vulkane wachrütteln

Womöglich zeigt das Beben vom Samstag aber auch spürbare Spätfolgen - in Chile könnten Vulkane erwachen. Denn was den meisten Experten lange abwegig erschien, haben deutsche Forscher unlängst bewiesen: Erdbeben können Vulkane explodieren lassen. Nach besonders starken Beben in Kamtschatka im Jahr 1952, in Chile 1960, in Alaska 1964 und in Indonesien 2004 hatte es in der Umgebung deutlich mehr Eruptionen als sonst gegeben. Die Aktivität der Vulkane hielt jahrelang an.

Das war kein Zufall, haben Thomas Walter vom Geoforschungszentrum Potsdam und Falk Amelung von der Universität Miami belegt. Nach einem Beben weite sich das Gestein unter den Vulkanen, es werde durchlässiger für Magma und Gase.

Solch ein explosives Szenario drohe nun in Chile, mutmaßen Geoforscher der Universität Oxford im Wissenschaftsmagazin New Scientist. Die schweren Stöße vom Samstag könnten Vulkane wachrütteln. Der Blick in die Vergangenheit verheißt jedenfalls nichts Gutes: Nach einem äußerst starken Beben am 22. Mai 1960 vor der Küste Chiles brachen in den Monaten darauf fünf Vulkane aus.