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Angriff auf Web-Konzerne Aigner warnt vor Marktmacht von Google und Co.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner macht Front gegen die Internet-Wirtschaft: Kurz vor dem Cebit-Start beklagt die CSU-Politikerin die Macht von Konzernen wie Google oder Apple. Mit der Vernetzung und Vermarktung privater Daten sei eine Menge Geld zu verdienen - auf Kosten der Verbraucher.
Ministerin Aigner: "Bei manchen Erfindungen läuft es mir kalt den Rücken runter"

Ministerin Aigner: "Bei manchen Erfindungen läuft es mir kalt den Rücken runter"

Foto: ddp

Cebit

Ilse Aigner

München - Unmittelbar vor Beginn der Computermesse warnt Bundesverbraucherministerin (CSU) vor der Marktmacht der Internetkonzerne. "Wir erleben eine völlig neue Dimension der globalen Digitalisierung", sagte Aigner der "Süddeutschen Zeitung". Einige IT-Firmen verfügten mittlerweile über riesige Datenbanken, doch niemand wisse genau, wie Namen, Adressen und Bilder im Internet miteinander verknüpft werden.

"Mit der Vernetzung und Vermarktung privater Daten ist eine Menge Geld zu verdienen", sagte die Ministerin. "Branchenriesen wie Facebook, Apple, Google oder Microsoft können im Internet ganze Persönlichkeitsprofile erstellen. Sie wissen, wofür wir uns interessieren, was wir kaufen, wohin wir verreisen, mit wem wir befreundet sind."

Manche Verbraucher würden dadurch richtig interessant für die Wirtschaft, andere jedoch landeten womöglich auf schwarzen Listen oder bekämen Schwierigkeiten bei der Jobsuche, sagte Aigner. Den Vorschlag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), dass Unternehmen künftig jährlich den Bürgern Auskunft über gespeicherte Daten geben sollen, begrüßte sie. "Eine solche Selbstverpflichtung der Anbieter könnte eine Lösung sein" sagte sie. "Momentan finden Verbraucher nur mühsam heraus, wer was über sie weiß."

Vorwurf der Technikfeindlichkeit

Zugleich wies die Ministerin den Vorwurf aus der IT-Branche zurück, technikfeindlich zu sein. "Als Elektrotechnikerin kann ich mich für Innovationen sehr begeistern. Aber alles hat seine Grenzen", sagte Aigner. "Bei manchen Erfindungen wie etwa der Gesichtserkennungssoftware für Fotohandys zur Identifizierung von Menschen auf der Straße läuft es mir kalt den Rücken runter. Selbst George Orwell hätte sich das nicht träumen lassen."

Der Präsident des IT-Verbands Bitkom, August-Wilhelm Scheer, hatte die Bundesregierung im SPIEGEL für ihre Web-Politik kritisiert. Auf der einen Seite durchlöchere der Staat mit Projekten wie der Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchungen die Privatsphäre der Bürger. "Gleichzeitig drischt die Verbraucherschutzministerin auf Google ein, weil es angeblich die Privatsphäre verletzt. Das passt nicht zusammen", moniert Scheer.

Merkel attackiert Googles Straßenansicht-Dienst

Zuvor hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor den Risiken des WWW gewarnt. Die Politik müsse sich auch mit Gefährdungen aus dem Internet auseinandersetzen, sagte Merkel am Wochenende in ihrem wöchentlichen Internet-Podcast. "Das bedeutet nicht, dass wir die Freiheit des Internets unnötig einschränken wollen, aber es bedeutet eben auch, dass umfassend Rechtssicherheit für die Menschen gewährleistet werden muss."

Daher werde die Bundesregierung auch weiter dafür sorgen, "dass - zum Beispiel im Falle der Kinderpornografie - das Löschen von solchen Seiten möglich sein wird, um Menschen vor Gefahren zu schützen". Das Internet sei kein rechtsfreier Raum. Sie ermahnte die Nutzer, vorsichtiger mit ihren persönlichen Daten im Netz umzugehen. "Denn es ist ein Unterschied, ob die Freunde im sozialen Netzwerk Zugang zu meinen persönlichen Angaben haben, oder aber ob Suchmaschinen aller Art Zugriff auf diese Daten haben", so Merkel.

Merkel schaltete sich auch in den aktuellen Streit um Googles Straßenansichtdienst Street View ein, bei dem der Internetkonzern demnächst auch Straßenzüge deutscher Städte online zeigen will. "Diejenigen, die finden, dass dies ein Eingriff in ihre private Sphäre ist, können von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen", sagte Merkel. Das Verbraucherschutzministerium habe dafür auf seiner Internetseite einen Musterbrief vorbereitet.

Ausstellerschwund bei der Cebit

Die weltgrößte Computermesse Cebit wird Montagabend in Hannover von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero offiziell eröffnet. Spanien ist Partnerland der diesjährigen Cebit.

Bis Samstag stellen rund 4150 Unternehmen aus 68 Ländern ihre Produkte und Neuheiten aus. Damit verlor die Cebit nach einem kräftigen Einbruch im Wirtschaftskrisenjahr 2009 weitere Aussteller. Im vergangenen Jahr war die Ausstellerzahl auf rund 4300 gefallen - von mehr als 5800 Unternehmen im Jahr 2008.

Für das Publikum öffnet die Messe am Dienstag. Der Schwerpunkt der Cebit 2010 heißt "Connected Worlds" - mit Hilfe des Internet vernetzte Welten. Weitere zentrale Themen sind das schnelle mobile Internet, IT-Sicherheit, Verkehrstelematik und umweltfreundlichere Informationstechnik. Daneben gibt es zahlreiche Kongresse und Sonderschauen.

anr/dpa/apn/ddp