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Wissenschaftler als Autoren "Der Schwächere gibt meist nach"

Warum das Urheberrecht kaum dabei hilft, den Streit um die Autorennennung zu lösen und warum Studenten und Mitarbeiter gegen ihre Chefs oft den kürzeren ziehen, erklärt Ansgar Ohly, Rechtswissenschaftler an der Universität Bayreuth.

Frage: Das Urheberrecht soll "persönliche geistige Schöpfungen" schützen. Trotzdem scheint es bei der Auflistung der Autorennamen in vielen Fächern keine große Rolle zu spielen. Woran liegt das?

Ohly: Hier stoßen zwei unterschiedliche Zurechnungssysteme aufeinander. In den Naturwissenschaften und der Medizin geht es darum, über die Autorenschaft eine wesentliche Beteiligung an einer Studie oder an einem Experiment zu kennzeichnen, mit einer "persönlichen geistigen Schöpfung" hat das nichts zu tun.

Frage: Was heißt das konkret?

Ohly: Dass alle wissenschaftlichen Lehren und Theorien in einer Publikation frei verwendbar sind. Das Urheberrecht schützt lediglich die Ausdrucksform, also den eigentlichen Text, allenfalls noch die gedankliche Gliederung.

Frage: Man braucht also den Inhalt nur umzuformulieren und schon hat man kein Problem mit dem Urheberrecht?

Ohly: Im Prinzip schon. In einem bekannten Fall hat ein Professor eine Staatsexamensarbeit umgeschrieben und unter eigenem Namen veröffentlicht. Er ist trotz Klage wegen "Diebstahl geistigen Eigentums" nicht urheberrechtlich belangt worden. Diese Form des Plagiats gilt zwar als wissenschaftliches Fehlverhalten, ist in Bezug auf das Urheberrecht aber kein Problem.

Frage: Sind die wissenschaftlichen Inhalte denn in keiner Weise geschützt?

Ohly: Nicht direkt, Forschungsergebnisse sollen ja frei zugänglich sein, damit jeder mit ihnen weiterarbeiten kann. Eventuell gäbe es bei Missbrauch die Möglichkeit, wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu klagen, da man ein Recht auf Anerkennung der eigenen Leistung hat. Einschlägige Urteile gibt es dazu aber bislang nicht.

Frage: Aber das Urheberrecht gibt doch immerhin allen genannten Autoren die Verantwortung für den gesamten Text.

Ohly: Nein. Es gilt zwar die Vermutung, dass der angegebene Autor den Text auch wirklich verfasst hat, aber das Urheberrecht regelt nicht die Verantwortung für die Richtigkeit des Inhalts. Dass derjenige, der als Verfasser genannt wird, wissenschaftsethisch natürlich für seine Fehler geradestehen muss, steht auf einem anderen Blatt.

Frage: In der Praxis kann man aber bei größeren Projekten unter Umständen gar nicht beurteilen, ob die Arbeit der Kollegen korrekt war.

Ohly: In solchen Fällen kann man kenntlich machen, wer für welchen Textteil urheberrechtlich die Verantwortung trägt. Diese Möglichkeit wird aber extrem selten genutzt.

Frage: Meistens teilen sich die Autoren die Urheberschaft für den gesamten Text. Abgesehen von der Verantwortung für mögliche Fehler, was hat das noch für Konsequenzen?

Ohly: Zum Beispiel steht die Verwertung der Rechte allen Autoren zu. Deshalb zahlt auch die Verwertungsgesellschaft (VG) Wort eine Vergütung an alle Autoren.

Frage: Im Fall einer Ehrenautorenschaft, die ja ohnehin als schlechte wissenschaftliche Praxis gilt, würde der Professor also sogar mitverdienen?

Ohly: Ja, so ist es. Leider kommt es sogar vor, dass ein Mitarbeiter die Theorie eines Professors ausformuliert und die Gedankengänge strukturiert, ohne als Autor genannt zu werden. Er leistet also eine "persönliche geistige Schöpfung". Ein klarer Fall von Mitautorenschaft.

Frage: Könnte dieser Mitarbeiter die Anerkennung seiner Autorenschaft im Streitfall also über das Urheberrecht einklagen?

Ohly: Das wäre möglich. Aber in der Praxis gibt dann doch meist der Schwächere nach.

Das Interview führte Nicole Lücke für das Hochschulmagazin "duz"