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Eigentlich sollte die umstrittene Vorratsdatenspeicherung der "Verfolgung von schweren Straftaten" dienen - Justiz- und Innenministerium wollen den Zugriff allerdings schon bei Delikten mit einer Strafdrohung ab einem Jahr Haft ermöglichen. Außerdem wollen sie Internet-Daten zumindest drei Monate lang auch zur Klärung von Copyrightverletzungen verwenden dürfen. Christof Tschohl vom Boltzmann Institut für Menschenrechte, einer der Autoren des aktuellen Gesetzesentwurfes, warnt nun vor einem "Dammbruch" beim Datenschutz und plädiert für die teilweise Zurücknahme des Entwurfs.

Speicherung

Mit der Vorratsdatenspeicherung sollen sämtliche Verbindungsdaten von Internet-, Telefon- und Email-Anwendern künftig ein halbes Jahr lang gespeichert werden - und zwar bei allen Teilnehmern, ohne Vorliegen eines konkreten Tatverdachts. Damit können die Behörden künftig feststellen, wer, wann, wie lange, von wo aus, mit wem kommuniziert hat und welche Internet-Seiten er besucht hat. Verwendet werden sollen die Daten laut einer 2006 erlassenen EU-Richtlinie zur "Verfolgung von schweren Straftaten".

Justiz- und Innenministerium wollen nun aber schon beim Verdacht einer "mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Straftat" auf die Daten zugreifen dürfen. Darunter fällt nicht nur Schwerkriminalität, sondern etwa auch Delikte wie schwere Sachbeschädigung (z.B. Schadenssumme über 3.000 Euro). Darüber hinaus geht aus den Stellungnahmen der Ressorts zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes hervor, dass man die gespeicherten Internet-Daten zumindest drei Monate lang auch zur Klärung von Copyright-Delikten verwenden möchte.

Schadenersatz

Dem Co-Autor des Gesetzes, Christof Tschohl vom Boltzmann Institut für Menschenrechte, gehen diese Wünsche zu weit. Beim Copyright gehe es den geschädigten Konzernen in der Praxis nicht um Strafverfahren, sondern um zivilrechtlichen Schadenersatz, warnt Tschohl. Werde dazu auf die zur Bekämpfung der Schwerkriminalität gesammelten "Vorratsdaten" zurückgegriffen, dann drohe als nächstes der Zugriff zur Verfolgung von Ehrenbeleidigung im Internet: "Wenn man das aufmacht, dann haben wir einen Dammbruch."

Tschohl fordert angesichts der Begehrlichkeiten die Rücknahme der Novelle und eine Neufassung. Gespeichert werden sollen demnach nicht mehr alle Verbindungsdaten für Handy, Telefon, E-Mail und Internet, sondern nur noch jene Daten, die von den Telekom-Firmen tatsächlich für Verrechnungszwecke benötigt werden. In Zeiten der Flat-Rate-Tarife bei Internet und Handy wären das deutlich weniger, betont Tschohl: E-Mail-Verbindungen würden damit damit wegfallen, die Adressen der besuchten Internet-Seiten in den meisten Fällen ebenfalls.

Verhältnismäßigkeit

Außerdem plädiert Tschohl dafür, dass die Verwendung der Vorratsdaten bei jedem Delikt auf ihre "Verhältnismäßigkeit" geprüft werden sollte, statt starr auf eine Mindest-Strafdrohung abzustellen. So könnte man z.B. Kinderporno-Konsumenten im Internet verfolgen, auch wenn die Strafdrohung (wie vom Innenministerium moniert) weniger als ein Jahr Haft beträgt. In anderen Fällen - wenn etwa lediglich ein Inkassobüro über den Umweg einer Privatanklage die Identität eines Internet-Benutzers klären möchte - könnte man die Verwendung der Daten verweigern.

Update, 15:00

Das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) hat am Freitag betont, dass die von ihm angeregten Änderungen bei der Vorratsdatenspeicherung nicht auf die Rücknahme des gesamten Entwurfes hinauslaufen würden. Angesichts neuester Entwicklungen sollte jedoch die "flächendeckende Speicherpflicht" für Vorratsdaten überdacht werden, bekräftigte Christof Tschohl vom BIM gegenüber der APA. Die anderen Eckpfeiler des Entwurfes - etwa die Bestimmung, dass über die explizit im Gesetz erwähnten Punkte hinaus keine Verkehrsdaten gespeichert werden dürfen - sollten demnach erhalten bleiben.

Speicherung

Laut Tschohl könnten nur jene Daten gespeichert werden, die von den Telekom-Firmen für Verrechnungszwecke benötigt werden, und die von der EU-Richtlinie vorgeschriebenen Verbindungsdaten nur bei Vorliegen eines konkreten Verdachts. Tschohl verwies jedoch darauf, dass damit ein EU-Vertragsverletzungsverfahren drohen könnte. Angesichts neuester Entwicklungen in Europa - etwa der Forderung der neuen Justiz-Kommissarin Viviane Reding, die Vorratsdatenspeicherung zu überdenken, und dem Höchstgerichtsverfahren in Deutschland - könnten diese Änderungen sowohl politisch als auch rechtlich (in einem allfälligen Verfahren vor dem EuGH) argumentiert werden. Dies sei aber letztlich eine politische Entscheidung, so Tschohl. (APA)