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Interview zum EU-Gipfel: „Der Euro könnte zur Weich-Währung werden“
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Schuldenkrise Griechenland
dpa/J. Stratenschulte Die Stabilität des Euros ist in Gefahr
  • FOCUS-online-Redakteur

Wieder einmal treffen sich die Politiker, um den Euro zu retten. Im FOCUS-Online-Interview erklärt Martin Lück, Deutschland-Chefvolkswirt bei der UBS, warum es ohne eine Vergemeinschaftung der Schulden nicht gelingen wird.

Vor dem EU-Gipfel am Sonntag streitet Europa über den richtigen Weg aus der Schuldenkrise. Um mehr Zeit zu gewinnen, haben die Staats- und Regierungschefs für Mittwoch ein weiteres Treffen vereinbart. Von den großen Erwartungen ist nicht mehr viel übrig geblieben. Im FOCUS-Online-Interview erklärt Martin Lück, Deutschland-Chefvolkswirt bei der UBS, das Dilemma der Politik.

FOCUS Online: Es sieht danach aus, als würde der Gipfel am Wochenende wieder keine Lösung der Schuldenkrise bringen. Wird es langsam Zeit, die Euros in eine andere Währung zu tauschen und das Geld in Sicherheit zu bringen?



Martin Lück: Ich würde nicht darauf wetten, dass der Euro auseinanderfällt. Es gibt ein klares Bekenntnis der Politik zum Euro. Die Frage ist nur, mit welcher Stärke er weiter existiert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Lösung kommt, die dem Euro seine D-Mark-ähnliche Härte nimmt und seine Verankerung in einer unabhängigeb Zentralbank lockert. Kurz gesagt: Aus dem Euro würde ich nicht komplett rausgehen, diversifizieren aber schon.
Bild
UBS Martin Lück, Deutschland-Volkswirt bei der UBS

FOCUS Online: Das heißt, wir bekommen einen Weich-Euro?

Lück: Das ist durchaus möglich. Schauen Sie sich den Vorschlag der Franzosen an: Staatspräsident Nicolas Sarkozy will, dass sich der Euro-Rettungsschirm EFSF Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) leihen kann. Auf diese Weise will Sarkozy das Volumen des Fonds vergrößern. Seine Vorschlag läuft aber auf nichts anderes als pure Geldschöpfung hinaus: Der EFSF kauft Staatsanleihen, die er bei der EZB als Sicherheiten für neue Kredite einreicht. Mit dem Geld kauft er dann weitere Staatsanleihen, die erneut als Sicherheit für frisches Geld dienen. Das ist ein finanzielles Perpetuum Mobile. Der Euro würde stark darunter leiden.

FOCUS Online: Muss denn der Fonds unbedingt vergrößert werden?

Lück: Ja, wir brauchen einen größeren Rettungsfonds, um die Staaten vor Spekulationen zu schützen. Aber das Aufstocken ist schwierig: Die Euro-Staaten werden ihre Garantien nicht erhöhen können. Die Parlamente würden niemals zustimmen. Außerdem würden Deutschland oder Frankreich ihre Kreditwürdigkeit riskieren. Damit ist niemandem geholfen. Also muss das bestehende Volumen gehebelt werden, sei es über eine Versicherungslösung, bei der der EFSF für einen Teilbetrag der Anleihen garantiert – das wollen die Deutschen -, oder über die EZB, wie es die Franzosen bevorzugen.

FOCUS Online: Welche Lösung finden Sie am besten?

Lück: Wir werden zumindest um einen begrenzten Hebel über die EZB nicht herumkommen. Ich glaube nicht, dass die Versicherungslösung funktioniert. Die Skepsis an den Märkten ist zu groß. Viele Investoren fragen sich zum Beispiel, was ihnen eine Absicherung von 20 oder 30 Prozent nutzt, wenn ihnen ein Verlust von 50 Prozent oder mehr drohen kann. Man könnte aber die Versicherungslösung nutzen, um Zeit für einen Hebel zu gewinnen. Ich glaube nicht, dass wir ohne eine stärke Rolle der EZB und eine stärkere Geldschöpfung aus der Krise herauskommen, zumindest als Übergangslösung solange Eurobonds ausgeschlossen sind.

FOCUS Online: Was ist mit einem großen Schuldenschnitt für Griechenland und Co.?

Lück: Für Griechenland brauchen wir einen, keine Frage. Für alle Länder ist das aber nicht möglich. Einen Schuldenschnitt Italiens zum Beispiel würde keine Bank überleben. Der Staat müsste die Banken retten, bräuchte dafür Geld und dann stünden wir vor den gleichen Problemen wie jetzt.

FOCUS Online: Welche Möglichkeiten bleiben also?

Lück: Entweder kommt es zu einer Monetisierung der Schulden, das heißt, das Problem wird über die Geldpresse und Inflation gelöst. Oder es gibt eine Vergemeinschaftung durch Eurobonds, bei der alle Staaten gegenseitig für ihre Schulden haften. Die Frage ist jetzt, wie können wir schnell genug die Integration vorantreiben, um die Vergemeinschaftung möglich zu machen.

FOCUS Online: Bis dahin werden noch Jahre vergehen.

Lück: Das stimmt. Und um diese Zeit zu haben, müssen wir den Fonds vergrößern. Die Politik hat den Ernst der Lage erkannt. Aber sie kann den Weg Richtung Fiskalunion nur in kleinen Trippelschritten gehen. Sie muss die Menschen mitnehmen. Es gibt deswegen eine Diskrepanz zwischen dem, was die Finanzmärkte fordern und dem, was man den Menschen zumuten kann. Die Politik steht als Zerrissene in der Mitte. Das ist die große Problematik. Das macht das Handeln nicht einfacher. Dazu kommt, dass einzelne Länder noch unterschiedliche Vorstellungen haben.

FOCUS Online: Was wollen die Märkte?

Lück: Den Märkten würde eine „Bazooka-Lösung“ über die EZB gefallen, ein riesiger Fonds, der für Ruhe sorgt. Aber da müssen die Staaten aus ordnungspolitischen Gründen ganz klar dagegen halten. Auch Eurobonds kämen gut an. Aber auch da macht die Politik nicht mit. Wenn Eurobonds, dann nur auf einem ganz anderen Integrationsniveau. Es gibt also schon Lösungen, die die Märkte beruhigen würden. Nur kann die Politik diese Auswege aus der Schuldenkrise nicht gehen, ohne sich unglaubwürdig zu machen. Die Politik hat eine Verantwortung für die Bürger und nicht für die Finanzmärkte. Deshalb ist es richtig, dagegen zu halten und zu versuchen, die beste Lösung zu finden.

FOCUS Online: Welches Signal wünschen Sie sich vom anstehenden Gipfel?

Lück: Neben dem Mut zu einem Schuldenschnitt für Griechenland und einem Modell zur Rekapitalisierung der Banken wünsche ich mir ein klares Bekenntnis zur Vertiefung der fiskalischen Integration. Der Gipfel könnte zum Beispiel beschließen, eine Art europäisches Finanzministerium zu schaffen oder einen EU-Kommissar berufen, der die Haushaltspolitik der Euro-Staaten überwacht. Das wäre ein wichtiger erster Schritt.

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