Briefe und Reisetagebücher veröffentlicht: So schwärmte Kennedy von Hitler

Von: Von ANDREAS THEWALT

Er ist eine Legende und wurde mit seinem berühmten Satz „Ich bin ein Berliner“ in den Herzen der Deutschen unsterblich.

Doch kaum einer wusste bis zu dieser Woche, dass John F. Kennedy, lange bevor er am 26. Juni 1963 als US-Präsident seine berühmte Rede in Berlin hielt, schon in jungen Jahren dreimal Deutschland besucht hatte. 1937 und 1939, als Adolf Hitler und die Nazi regierten, und 1945, kurz nach Kriegsende, im Gefolge des US-Marineministers James Forrestal.

Kennedy bei seiner legendären Rede am 26. Juni 1963 vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin

Kennedy bei seiner legendären Rede am 26. Juni 1963 vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin

Foto: dpa

Der Aufbau Verlag veröffentlichte jetzt erstmals Kennedys Aufzeichnungen von diesen drei Reisen. Das eindrucksvolle Buch ist gerade erschienen unter dem Titel: „John F. Kennedy. Unter Deutschen. Reisetagebücher und Briefe 1937 - 1945.“

„Die Deutschen sind wirklich zu gut“

Die Eindrücke, die der junge Student Kennedy 1937, damals war er 20, auf seiner Europa-Tour notierte, zeigen einen lebenslustigen jungen Mann, der sich als Tourist unbeschwert vergnügt, zugleich mit wachem Verstand die Politik der Zeit verfolgt, bisweilen jedoch auch heikel-naive Urteile zu Papier bringt.

So notiert er am 3. August 1937, in Italien nach Lektüre eines Buches von John Gunther, einem amerikanischen Publizisten jener Zeit: „Habe Gunther ausgelesen und komme zu dem Schluss, dass Faschismus das Richtige für Deutschland und Italien ist, Kommunismus für Russland und Demokratie für Amerika und England.“

Wenig später ist Kennedy in Deutschland. In seinem Eintrag vom 21. August 1937 schwärmt er vom Rheinland: „Sehr schön, da an der Strecke viele Burgen liegen. Die Städte sind alle sehr reizend, was zeigt, dass die nordischen Rassen den romanischen gewiss überlegen zu sein scheinen. Die Deutschen sind wirklich zu gut – deshalb rottet man sich gegen sie zusammen, um sich zu schützen...“

„Die polnischen Mädels“

1939 reist Kennedy wieder durch Europa, ist auch wieder in Deutschland, bringt politische Analysen und Beobachtungen über die Politik der Nazis zu Papier, hat aber auch ganz andere Dinge im Kopf: Im Mai jenen Jahres ist er in der polnischen Hauptstadt Warschau, wohnt beim dortigen US-Botschafter Biddle und notiert im Mai: „Von der Politik abgesehen, amüsiere ich mich prächtig. Gestern Abend hat Mrs. Biddle eine Debütparty für mich gegeben, und obwohl die polnischen Mädels nicht so heiß sind, hatte ich richtig viel Spaß. Es ist wirklich verdammt interessant hier.“

1945, nach Ende des Krieges, ist Kennedy erneut in Deutschland, notiert erschüttert in Berlin, in manchen Straßen sei der „Gestank der Leichen überwältigend –süßlich und ekelerregend“. Und über die Lebenden schreibt der junge Amerikaner aus der zerbombten Metropole: „Die Menschen haben vollkommen farblose Gesichter – gelbstichig, mit blassbraunen Lippen.“

Görings Zigarren

Schließlich kommt Kennedy nach Berchtesgaden, speist in einem „luxuriös eingerichteten Gebäude“, das einst Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel als Hauptquartier gedient habe.

„Nach dem Essen wurden Zigarren angeboten, die man in Görings gepanzertem Wagen gefunden hatte."

Keitel war bis Kriegsende Chef des Oberkommandos der Wehrmacht und wurde 1946 als Kriegsverbrecher hingerichtet. Hermann Göring, einer der berüchtigsten Nazis und Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, wurde ebenfalls zum Tode verurteilt, beging aber vor seiner Hinrichtung Selbstmord.

Am Tag nach jenem Abendessen besichtigte Kennedy Hitlers einstigen Wohnsitz am Obersalzberg und anschließend das Kehlsteinhaus, Hitlers legendären „Adlerhorst“ (Eagles Nest), wie ihn die Allierten nannten.

Hinterher notiert Kennedy am 1. August 1945: „Wer diese beiden Orte besucht hat, kann sich ohne weiteres vorstellen, wie Hitler aus dem Hass, der ihn jetzt umgibt, in einigen Jahren als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten hervortreten wird, die je gelebt haben. Sein grenzenloser Ehrgeiz für sein Land machte ihn zu einer Bedrohung für den Frieden in der Welt, doch er hatte etwas Geheimnisvolles, in seiner Weise zu leben und in seiner Art zu sterben, das ihn überdauern und das weiter gedeihen wird. Er war aus dem Stoff, aus dem Legenden sind.“

War Kennedy fasziniert von Hitler?

Oliver Lubrich, der Herausgeber des neuen Buches, findet die Legenden-Passage, zwar auch „befremdlich“, sagte aber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Ich denke gleichwohl nicht, dass Kennedy Hitler bewunderte, vor allem nicht dessen Politik." Es gehe um das, was die Autorin Susan Sonntag als die unheimliche Faszination des Faschismus beschrieben habe. Lubrich: „Kennedy versucht, diese Faszination zu verstehen, die von Hitler offenbar immer noch ausging.“

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