Die Schäden, die das Internet anrichtet!

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Der Moderator spricht von den „Schäden, die das das Internet anrichtet“; eine „Kinderschützerin“ behauptet, es gäbe vier Millionen Websites mit Kinderpornographie; die Polizistin spricht von einer „Schwarzen Liste“ mit 1400 Einträgen – und keiner merkt, dass da irgendetwas nicht stimmt.

Am Dienstag lief auf arte eine die Sendung „Zur Sache“, in der sich Persönlichkeiten mit „aktuellen Fragen auseinandersetzen“. Thema war „Die Rechte der Kinder“ (hier als Videostream), anlässlich des 20. Jahrestags der UN-Kinderrechtskonvention am 20. November. Im letzten Drittel geht es auch übers Internet: Der Moderator Patrick Poivre d'Arvor leitete den Teil ein mit der Behauptung, dass das Internet großen Schaden anrichten würde. Offenbar bei denjenigen, die es selbst nicht kapieren – denn wie ist sonst die Behauptung von Valérie Wertheimer, der Präsidentin von Action Innocence, zu deuten? Sie behauptete, es gäbe 750.000 Pädophile, „die jeden Tag ins Internet gehen“ – und es gäbe quasi für deren Befriedigung vier Millionen Websites, auf denen „immer gewalttätigere“ Fotos und Filmaufnahmen von immer jüngeren Kindern dargestellt würden. 

Woher sie ihre Zahlen hat sagt sie natürlich nicht. Arte zeigt in einer Einblendung unter der Überschrift „Die Gefahren des Internets“: „480.000 Kinderpornografische Internetseiten“. Der Moderator wundert sich nicht über diesen Unterschied von fast Faktor zehn.

Anschließend berichtet kurz die Polizistin Adeline Champagnat über unterschiedliche Tätertypen um dann zu der französischen „Schwarzen Liste“ umzuschwenken: „unsere offizielle Blacklist in Frankreich umfasst 1400 Websites“. Warum fällt niemand die Diskrepanz zu den vier Millionen auf? Auf jeden Fall: Das passende Gesetz sei in Vorbereitung.

Während der ganzen Sendung verliert niemand auch nur ein Wort darüber, dass der eigentliche Skandal am Vorbild Deutschland darin liegt, dass Familienministerin Ursula von der Leyen weiterhin die Verbreitung von kinderpornographischen Darstellungen duldet anstatt die Entfernung zu erleichtern. Und wofür? Für ihre Wahlkampfshow.

 

Nun kann man sich aber gut vorstellen, wie diese ganzen Forderungen zustande kommen. Da werden Zahlen aus dem luftleeren Raum hervorgezaubert von Leuten, deren Job der kommerzielle Kinderschutz ist. Leute, die vom Internet keine Ahnung haben reden mit und haben große Angst vor dem unbekannten Wesen. Zum Beispiel vor den hunderte Millionen Accounts, die bei Facebook angemeldet sein sollen. „Ich finde das ist schon angsteinflößend, was da alles passieren kann“ sagt Cecilia Weldone, eine dänische Immobilienmaklerin. Und damit sie überprüfen kann was ihre Kinder machen wenn sie online sind, hat auch ihren eigenen Facebook-Account.

 

Es ist ein grausames Herumgestammel, und natürlich merken die Leute nicht, welchen Schaden sie anrichten. Und alles wird in einen Topf geworfen. Kinderpornographie, das (angeblich) massenhaft auftauchende Phänomen dass Erwachsene Kinderschänder sich ihre Opfer im Internet suchen, die Herausgabe persönlicher Daten, und die bulgarische Psychologin Vessela Banova hat noch etwas ganz furchtbares in Petto: 

„Man kann zum Beispiel neue Identitäten schaffen. Ich hatte mit einer 13-jährigen zusammen gearbeitet, die hatte im Internet sieben verschiedene Identitäten, um mit Jungs zu debattieren. Und dann hat sie sich immer ausgesucht, als wer sie jetzt auftreten möchte.“ 

Das Fazit ist unüberhörbar: das Internet ist böse. Auch ein bisschen toll, aber eher böse und eine große Gefahr. Für die Kinder, weil deren Eltern nicht damit umgehen können. Die Kinder müssen geschützt werden – und jeder vertritt das natürlich auf die eigene Weise, der eigene Job ist da natürlich der wichtigste.

Um sich vorzustellen, wer da geschützt werden soll, zum Abschluss noch ein Zitat von Valérie Wertheimer, der Frau mit den vier Millionen:

„Es gibt diesen Generationsgraben zwischen den Kindern, die mit 19 Jahren problemlos im Internet surfen, währenddessen die Eltern da immer noch keine Ahnung haben. Es ist deswegen schwer den Eltern verständlich zu machen, dass sie die Kinder begleiten müssen, dass sie erklären müssen, dass auf sie eine neue elterliche Verantwortung zugekommen ist.“ 

 

4 TrackBacks

Das Fazit ist unüberhörbar: das Internet ist böse. http://blog.odem.org/2009/11/schaeden-internet.html !ppd Mehr

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Teil drei des Rückblicks auf 2009 (Juli - Dezember).... Mehr

8 Kommentare

Sehr, sehr guter Beitrag. Danke hierfür!

"Wahlkampfshow" bringt es absolut auf den Punkt.
Es ist ein Skandal, wie sich komplett ahnungslose
Leute als Experten ausgeben und Redaktionen derart
falsche Informationen zulassen.

Da passen dann natürlich die aktuellen Vorhaben,
den deutschen Qualitätsjournalismus im Internet
kostenpflichtig zu machen. Für so tolle
Informationen sollte jeder ein kostenpflichtiges
Abo abschließen.

Aber ich will hier nicht pauschalisieren...
Es ist im Endeffekt auch egal, die besten Informationen
findet man ohnehin in Blogs. :-)

Man lese sich mal dieses Pdf durch:
http://62.50.74.219/aig/download/AiG_presentation_en.pdf und sehe wohin die Reise gehen soll:
[...]
Co-operation with computer professionals with a view to “cleaning up” content that may be accessed via the Internet and developing suitable IT tools.
[...]
4. To acquire and update the necessary legal knowledge in order to apply the appropriate lobbying techniques to government bodies and political authorities.
5. To mobilise Internet users to put pressure on IT professionals, especially access providers.
6. To mobilise the public to put pressure on public and political authorities.
[...]
Filtra
To assess filtering solutions that are available for private individuals and companies. The results will be published on our website; assessments will be periodically updated, and new products will eventually be added.
LogP2P
To participate in the development of a software solution specialised in the detection of files containing material that exploits or abuses children sexually on “Peer-to-Peer” (P2P) networks and to familiarise criminal authorities with this product.
AntiPedoFiles
To develop a database comprising file signatures containing child pornography in order to create a detection tool that can be used by specialised police forces and duly selected businesses belonging to the private sector.
[...]
1. Simplifying the process of identification of IP addresses with respect to Internet access providers within the context of preliminary inquiries carried out by the Department of Justice (Swiss Federal Law on the Surveillance of Mail and Telecommunications, Swiss Federal Ordonance on the Surveillance of Mail and Telecommunications, and cantonal criminal procedures).
2. Extend the application scope of the Swiss Law on Secret Investigations to include crimes and misdemeanours related to the trafficking of files containing child pornography and the sexual enticement of minors on the Internet.
[...]

Läßt mal mal das Wort "children" und "crimes against children" weg, erhält man die Wunschliste der Contentindustrie und diverser Law and Order Fuzzis, denn alle diese Softwarelösungen können ohne Probleme eben auch für andere Aufgaben eingesetzt werden, einem LogP2P ist es wurscht was es logt und das AntiPedoFiles-Programm kann recht schnell auch anderes raussuchen.....

bombjack

Naja, es geht wohl auch darum, von wirklich wichtigen Themen, die sich nicht im Internet abspielen, abzulenken. Etwa von der Pisastudie oder davon, dass immer noch Kinder zu Hause von ihren Eltern geschlagen werden und der Staat dagegen scheinbar machtlos ist. Man muss aber zeigen, dass man überhaupt versucht, irgend etwas zum Schutze der Kinder zu tun, selbst wenn man dabei zeigt, dass man nicht nur macht -sondern sogar hilflos ist. Außer Frage steht, dass Kinderpornographie zu Recht verbotenist. Es wäre, denke ich, sinnvoller, die Nutzer des Internets für den Kampf gegen Onlinekinderpornographie zu gewinnen und zu mobilisieren. Dabei würden aber die lieben Politiker und Experten etwas eingestehen, was sie ungern zugeben, nämlich, dass die Bürger durchaus in der Lage sind, selbständig zu denken, etwas einzuschätzen und Entscheidungen zu treffen. Statt dessen gängelt man die Bürger lieber mit Verboten, die an Hirnrissigkeit wohl nicht zu überbieten sind. Ist nur meine Meinung. Darf ich sowas wie eine eigene Meinung noch haben???

Kindern, die mit 19 Jahren problemlos im Internet surfen, währenddessen die Eltern da immer noch keine Ahnung haben

Sicher, dass das kein Fehler ist? Ich tippe sontan mal auf Kindern, die mit neun [Pause, Komma, Bis-Strich, wasauchimmer] zehn Jahren

Dass die generelle Verteufelung eines Mediums durch Personen, die es selbst nicht verstehen und kaum oder gar nicht nutzen, das eigentliche Problem ist, will ich mal nicht weiter zur Disposition stellen.

Ich finde das man so pauschal gar nicht sagen kann "dies oder das " ist schlecht für Kinder.
Das Internet bietet warscheinlich ein großes Potential an Informationen,doch genau wie in der "Welt", also "dort draußen" muss man nicht automatisch zum schlechten Mensch werden nur weil das Umfeld schlecht ist. Manchmal kommt es sogar dazu dass genau das Gegenteil eintritt, nämlich dass Jugendliche mehr Erfahrung haben durch das Internet und somit ein wenig vorbereitet werden auf die harte Realität.

Wie so oft wird auch diese "unschöne" Thema von der Politik schlichtweg missbraucht. Die tatsächliche Gefahr geht nicht vom WWW aus, sondern von profil- und machtgeilen Politikern. Jede Zensur ist für Kinderpornojäger kein Hindernis, sondern bestenfalls eine kurzfristige Herausforderung um etwaige Sperren und Zensuren zu umgehen oder ihr Material aus anderen Quellen zu beziehen. Unter der Zensur leiden natürlich alle, und ändern wird es doch nichts ... doch polemisch in die Medien gebracht, gibt es vielleicht die ein oder andere Wahlkampfstimme.

Wieder mal wird irgendetwas genommen um das Thema "mediale, schlechte Einflüsse" aufzubauschen... natürlich ist dies ein sehr ernstes und ebenso trauriges Thema... doch das Internet bietet uns doch auch mehr denn je einen globalen Austausch verschiedenster Möglichkeiten, schwarze Schafe bleiben dabei meistens nicht aus.

Die starke Abweichung zwischen den Zahlen stammt wahrscheinlich weniger von falschen Informationen als vielmehr von der angesprochenen Unkenntnis über das Internet. Wahrscheinlich sind es 1400 Domains mit insgesamt 4 Millionen Seiten.
Wie dem auch sei, das Internet an sich ist weder gefährlich noch böse. Mit Internet gibt es nicht mehr und nicht weniger Pädophile oder Gewaltverbrecher als ohne. Dass es von diesen genutzt wird, macht die Nutzung, z.B.für Kinder, zugegebenermaßen gefährlichER. Fängt man jedoch so an, sollte man seine Kinder zu Fuß und nicht mit dem Auto zur Schule bringen, denn mit dem Auto ist es ebenfalls gefährlichER.
Und deshalb stimme ich diesem Artikel zu, wenn er die Frage stellt: Warum machen Politiker das Internet nicht gefählichER für die Betreiber solcher Seiten? Alles andere ist ein Witz und ermuntert Pädophile nur, sich weiter im Netz breit zu machen.

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