Vom Leistungsschutzrecht zur Abmahnwelle

Warum neue Monopolrechte für Verleger nicht Google, sondern vor allem Blogger treffen dürften

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In der letzten Woche kündigte Rupert Murdoch in seinem eigenen Sender Sky News Australia an, dass er darüber nachdenke, den Zugriff von Suchmaschinen auf Artikel aus Zeitungen aus seinem Mediumimperium News Corporation einzuschränken, zu dem unter anderem die Londoner Times und die Boulevardzeitung The Sun gehören. Allerdings solle dies erst dann geschehen, wenn auf Bezahlinhalte umgestellt wird. Als Beispiel für solche Bezahlinhalte nannte er das ebenfalls zu seinem Medienimperium gehörige Wall Street Journal. Genau das jedoch spendiert Google: einen kostenlosen Zugang zu seinen kostenpflichtigen Artikeln - und zwar nicht nur zu einem kurzen Anriss, wie Murdoch suggerierte, sondern zum kompletten Text.

Das hat gute Gründe: Laut Hitwise kommt zusammengerechnet etwa 27 Prozent des Traffics auf WSJ.com von Google: 12 Prozent von Google News und weitere 15 Prozent von Google-Suchen. 44 Prozent der dadurch angelockten Besucher landen das erste Mal beim Wall Street Journal, womit Google die Einführungswerbung übernimmt, welche die Zeitung sonst durch teure Werbekampagnen selbst erledigen müsste.

Google reagierte auf die von anderen Medien bereitbillig aufgegriffenen Äußerungen Murdochs mit dem Hinweis, das Verleger nur zu sagen bräuchten, wenn sie ihre Inhalte aus den Google-Diensten ausgeschlossen haben wollten. Tatsächlich ist auch bei frei zugänglichen Artikeln eine Herausnahme aus den Ergebnissen der Dienste von Suchmaschinen trotz anderslautenden Gejammers deutscher Verleger mittels der Datei robots.txt technisch und rechtlich seit vielen Jahren und ohne Weiteres möglich: Allerdings wird diese Möglichkeit kaum wahrgenommen, weil die Medien gefunden werden wollen.

Schließlich käme auch kaum ein Verlag auf die Idee, Supermärkten oder Kiosken das Auslegen von Zeitungen oder Zeitschriften zu verbieten, weil dort potentielle Käufer Schlagzeilen lesen oder sogar Magazine durchblättern können. Die Auflage einer Zeitschrift, die so etwas durchsetzen wollte, dürfte bald auf das Niveau von unter dem Ladentisch gehandelten Special-Interest-Pornoheften sinken. Auf diesen Effekt angesprochen, meinte Murdoch, dass er lieber weniger, aber dafür zahlende Leser auf seiner Website hätte. Ob ihm das gelingen wird, ist fraglich: Zwar hat er mit dem sehr stark auf die Wirtschaftswelt ausgerichteten Wall Street Journal, das sowohl Special-Interest- als auch Publikumsmedium ist, eine größere Chance als mit anderen zu seinem Mediumimperium gehörigen Tages- und Boulevardzeitungen - trotzdem spricht viel dafür, dass der wirtschaftliche Schaden größer sein könnte als der Nutzen.

Selbst bei wissenschaftlichen Fachzeitschriften funktioniert das Paid-Content-Modell nur aufgrund indirekter öffentlicher Subventionen: Sie werden praktisch ausschließlich von Bibliotheken und Instituten abonniert, die sich jedem Preisdiktat beugen müssen. Dass Leser von auf Tagespolitik und Unterhaltung ausgerichteten Medien sich auf Vergleichbares einlassen würden, ist unter anderem deshalb unwahrscheinlich, weil sie völlig zurecht vor Micropayment-Modellen zurückschrecken, solange die Risiken weiter mit jeder neuen EU-Vorschrift zu ihren Ungunsten verlagert werden. Bevor ein Verbraucher einen Dienst ohne vernünftige Preiskontrolle akzeptiert, wechselt er gemeinhin lieber das Medium, aus dem er Information und Unterhaltung bezieht - vor allem in besonders kostenfallen- und dialergeschädigten Gegenden wie Deutschland. Aber selbst in den USA würden einer ganz frischen Forrester-Umfrage zufolge lediglich drei Prozent der Nutzer Micropayment als Zahlungsmodell bevorzugen.

Die Reaktionen auf die Murdoch-Äußerung geben auch einen Vorgeschmack darauf, was nach einer Einführung von neuen Monopolrechten für Zeitungsverleger hierzulande passieren könnte: Google dürfte im Zweifelsfall einfach auf jene Zeitungen verzichten, die Abgaben aus einem solchen Recht beanspruchen, weil der Konzern auch nach dem Inkrafttreten eines "Leistungsschutzrechts" klar am längeren Hebel sitzt - außer vielleicht, man würde per geheimer BKA-Sperrliste den Zugriff auf ausländische Medien verbieten (was aber zumindest bisher noch nicht in Sicht ist). Schon jetzt ist die Bedeutung der von deutschen Verlagen ins Netz gestellten Inhalte für den aus einer Suchmaschine entstandenen Konzern eher gering: TRG ermittelte, dass lediglich 5 Prozent der Inhalte auf der ersten Seite einer Suchanzeige verschwinden würden, wenn die 148 Unterzeichner der so genannten "Hamburger Erklärung" Google den Zugriff auf ihren Content verweigern würden.

Anteile auf der ersten Seite deutscher Google-Suchen

Deshalb wird kaum eine Zeitung solch ein Recht gegen Google geltend machen - schließlich könnte sie ja jetzt schon problemlos dafür sorgen, dass ihre Meldungen nicht in den Diensten des Suchmaschinengiganten aufscheinen. Eine Möglichkeit, die jedoch von keinem deutschen Presseverlag in Anspruch genommen wird.

Diese Nicht-Angewiesenheit von Google auf die Inhalte der Verleger macht auch eine weitere Option, über die derzeit gerade spekuliert wird (und die ebenfalls problemlos auch ohne neue Leistungsschutzrechte durchgeführt werden könnte), zu einem großen Risiko für die Contentanbieter: Die Sperrung ihrer Domains für Google bei gleichzeitiger Aufnahme in die Microsoft-Suchmaschine Bing, welche mit den Inhalten ihre Beliebtheit steigern und die Verleger deshalb bezahlen soll. Zwar sind Geldflüsse von Seiten Microsofts nach den guten Abverkäufen von Windows 7 wahrscheinlicher als von Seiten der Leser - aber es ist fraglich, wie lange sie fließen und ob diese Einnahmen den zu erwartenden Traffic-Verlust wettmachen würden. Jeff Jarvis äußerte bereits den Verdacht, dass die Gerüchte über Geheimtreffen eher das Ziel haben könnten, Konkurrenz zu Bing zu locken und dann die eigene Position bei Google auszubauen. Für solch eine Theorie würde sprechen, dass unter den deutschen Presseverlagen bisher ausgerechnet Burda und Axel Springer mit Abstand am meisten von Google profitieren.

Was also werden die deutschen Zeitungsverleger mit ihren neuen Monopolrechten anfangen, wenn sie sie nicht gegen Google einsetzen? Die Situation ist strukturell ähnlich wie bei Patenten: Zwischen Verlagsmedien würde es aufgrund eines "Gleichgewichts des Schreckens" wahrscheinlich einen Waffenstillstand geben. Und unseriöse Anwälte dürften sich schnell auf den einzig denkbaren Fall stürzen, der bleibt: Abmahnungen gegen Blogger. Bis die Rechtsprechung ein wahrscheinlich sehr unscharf formuliertes Gesetz verfassungsgemäß zurechtstutzt, dürften Jahre vergehen, in denen praktisch Alles beansprucht und für Vieles gezahlt werden wird.