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Protest für Job-Erhalt Zehntausende Opelaner rebellieren gegen GM

"Wir sind Opel!", "GM, hau ab!": Mit Großdemos und Streiks protestieren bundesweit Zehntausende Mitarbeiter des deutschen Autobauers gegen Stellenabbau und Werksschließungen. Betriebsratschef Franz wirft dem Mutterkonzern GM Erpressung vor, Kanzlerin Merkel will den Druck auf die Amerikaner erhöhen.
Protest für Job-Erhalt: Zehntausende Opelaner rebellieren gegen GM

Protest für Job-Erhalt: Zehntausende Opelaner rebellieren gegen GM

Foto: DDP

Frankfurt am Main - Sie brüllen: "Wir sind Opel!" Sie prügeln auf tragbare Trommeln ein. Sie reißen Plakate in die Luft, auf denen steht: "GM, hau ab!" Einen Tag nach dem geplatzten Verkauf des deutschen Autobauers an ein Bündnis aus dem Zulieferer Magna und russischen Investoren zeigen die deutschen Opelaner in bundesweiten Großdemonstrationen ihre geballte Wut.

An allen vier Opel-Standorten in Deutschland gehen zur Stunde die Mitarbeiter auf die Barrikaden. Zehntausende protestieren gegen den Mutterkonzern General Motors, rügen das Verhalten der Amerikaner mit derben Worten.

"Es stinkt uns einfach an, was da abgeht", wettert Betriebsratschef Harald Lieske in Eisenach. Es sei ungeheuerlich, dass GM nun erst Ende März 2010 ein Sanierungskonzept für Opel vorlegen wolle, beschwert sich IG Metall-Landeschef Oliver Burkhard in Bochum.

Am lautesten und heftigsten aber protestierte Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz. "Wir werden gemeinsam für unsere Zukunft streiten. Wir geben uns nicht geschlagen, wir sind selbstbewusst, denn wir sind Opel", rief er vor dem Stammwerk in Rüsselsheim. Franz forderte mehr Eigenständigkeit für den deutschen Autobauer. "Die Adam Opel GmbH muss in eine deutsche Aktiengesellschaft umgewandelt werden", rief er. "Wir wollen kein Anhängsel sein, das von Detroit aus durchregiert wird."

Der lautstarke Protest der Opelaner hat gute Gründe. Die Mitarbeiter fürchten, dass General Motors den deutschen Autobauer wesentlich härter sanieren wird, als es der Zulieferer Magna getan hätte.

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Protest: Opelaner rebellerien gegen Mutterkonzern

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Bislang ist über die Pläne des Mutterkonzerns noch wenig bekannt. GM wolle rund 10.000 der insgesamt gut 50.000 Arbeitsplätze bei Opel in Europa streichen, sagte GM-Vizepräsident John Smith am Mittwochabend. Das wären in etwa genauso viele, wie Magna abbauen wollte. In Deutschland sollten nach Plänen des österreichisch-kanadischen Autozulieferers mehr als 4000 Jobs wegfallen.

"Hört auf mit dem Geschwätz von der Insolvenz"

Deutliche Unterschiede gibt es jedoch schon jetzt im Verhandlungsstil. Während der Zulieferer Magna bei der Vorstellung seiner Sanierungskonzepte eher zurückhaltend auftrat, pokert GM offen mit der Angst um deutsche Arbeitsplätze. Entweder werde Opel einem harten Sparprogramm unterzogen oder dem Autobauer drohe die Insolvenz, sagte eine Sprecherin.

Franz bezeichnete diese Drohung als versuchte Erpressung und Einschüchterung. "Hört auf mit dem Geschwätz von der Insolvenz, das ist geschäftsschädigend", rief der Betriebsratschef unter dem Beifall der Opel-Beschäftigten.

Zugleich kündigte Franz an, der Opel-Betriebsrat wolle sich noch heute an die EU-Kommission wenden. Mit dem Sanierungsplan, den GM in diesem Jahr vorgelegt habe, drohe Opel eine Restrukturierung zulasten der Standorte in Belgien und Deutschland. Sollte GM diesen Plan mit Hilfe von Staatsgeld aus Großbritannien und Spanien umsetzen, sei dies ein Fall von Wettbewerbsverzerrung, den der Opel-Betriebsrat auf den Tisch von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes bringen werde.

Merkel will Druck auf GM erhöhen

Unterstützung bekommen die Arbeitnehmer aus der Politik. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte an, den Druck auf den US-Autokonzern erhöhen zu wollen. "Die Bundeskanzlerin wies darauf hin, dass die Bundesregierung darauf dringen werde, dass General Motors schnellstmöglich eine neue Konzeption zu Opel vorlegt und der Brückenkredit bis Ende November zurückgezahlt wird", teilte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm mit.

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Verhandlungsodyssee: Der lange Kampf um Opel

Foto: INA FASSBENDER/ Reuters

Mit US-Präsident Barack Obama habe die Kanzlerin vereinbart, sich zum Thema Opel laufend abzustimmen. Merkel hatte sich am Dienstag in Washington mit Obama getroffen. Bei ihrem Rückflug wurde bekannt, dass der GM-Verwaltungsrat einen Rückzug vom Opel-Verkauf beschlossen hatte.

GM will schon in Kürze seinen Sanierungsplan für die deutsche Opel vorlegen. Dies kündigte Konzern-Chef Fritz Henderson am Donnerstag an. Wie hoch der Stellenabbau ausfallen würde, wollte er indes nicht sagen. Henderson kündigte zudem an, die offenen Schulden im Rahmen des von der Bundesregierung geleisteten Brückenkredits zurückzuzahlen. Die Entscheidung gegen eine Verkauf von Opel an Magna ist Henderson zufolge im 13-köpfigen GM-Verwaltungsrat einstimmig gefallen.

Beck fordert Gesamtkonzept für Opel in Europa

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck zeigte sich über den GM-Beschluss erbost. Er sei "selten so wütend und enttäuscht" in seinem Leben gewesen wie nach der GM-Entscheidung. Staatshilfen für den Autobauer Opel hält er grundsätzlich zwar für möglich. Voraussetzung sei aber, dass General Motors bei Opel auf Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verzichte. "Wir brauchen ein Gesamtkonzept für Opel Europa", forderte der SPD-Politiker bei einer Protestkundgebung.

Der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch kritisierte am Donnerstagvormittag bei einer Kundgebung am Stammwerk in Rüsselsheim, man sei wegen der Entscheidung von General Motors, den Opel-Magna-Deal platzen zu lassen, "in Wahrheit wieder so weit wie im November 2008".

Bevor man deutsche Staatsgelder ausgebe, müsse ein Sanierungskonzept her und der Brückenkredit zurückgezahlt werden. Doch man verschließe sich keineswegs Gesprächen über Unterstützung bei der Lösung der Krise: "Wir werden uns nicht mit verschränkten Armen daneben stellen und sagen, dass uns das Unternehmen nicht mehr interessiert", teilte Koch mit. "Wir wollen, dass Opel in Deutschland und Europa eine Zukunft hat."

Die Kernaussage ist damit klar: Die deutsche Politik ist zu Verhandlungen mit GM über eine staatliche Unterstützung bereit - aber diese werden hart und dürften lange dauern. In dieselbe Richtung hatte sich schon Volker Kauder geäußert, der Unionsfraktionschef im Bundestag. Wenn ein Plan von GM vorliege, könne man über deutsche Hilfen für die Sanierung von Opel reden, sagte er. "Die Amerikaner dürfen nicht glauben, dass sie Deutschland in irgendeiner Form erpressen können."

ssu/AFP/AP/dpa/Reuters