Tom Sawyer nutzte einen einfachen psychologischen Trick, um seine Freunde fürs Zäunestreichen einzuspannen: Er tat so, als hätte er großen Spaß daran und machte ihnen den Mund wässrig. Dann ließ er sie für sich schuften und sich dafür sogar noch mit einem Apfel und anderen Schätzen entlohnen. Eine ähnliche Technik nutzen Firmen im Internet, wenn sie Menschen zu freiwilligen Arbeiten heranziehen wollen. Portale wie Flickr, YouTube oder del.icio.us zum Beispiel sind darauf angewiesen, dass ihre Inhalte vernünftig sortiert und beschriftet werden. Nur dann lassen sich die Galerien voller Bilder, Links und Videos komfortabel durchsuchen. Dazu braucht es sinnvolle Schlagworte, sogenannte Tags. Leider sind Computer alleine noch nicht besonders gut darin, Bilder- und Sprache zu erkennen. Dafür braucht es Menschen. Nur, wer soll die bezahlen?

Richtige Bibliothekare und Archivare würden systematisch vorgehen, wären aber teuer. Doch können diese Aufgabe mit guten Resultaten auch ganz normale Menschen bewältigen, wenn es nur genug von ihnen sind – "Social Tagging" nennt sich das. Markus Krause und Hidir Aras von der Universität Bremen haben untersucht, wie man Freiwillige dazu bringt, diesen Dienst an der Gemeinschaft zu leisten: Indem man ihnen kleine Spiele anbietet und damit ihren Wettbewerbsgeist herausfordert.

Die Bremer Forscher sind allerdings nicht die ersten, die auf diese Idee gekommen sind. Luis van Ahn von der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh hat für seine Doktorarbeit das sogenannte ESP Spiel entwickelt: Ein kleines Online-Game, das als Zugabe zuverlässige Beschreibungen von Bildinhalten ausspuckt. Dabei werden zufällig zusammengestellten Zweierteams Bilder, Töne oder Texte gezeigt, mit der Aufforderung, das Gesehene mit einem Begriff zu belegen. Wer am häufigsten den gleichen Begriff eintippt wie sein Partner, gewinnt. Laut van Ahn könnten alle Google Bilder innerhalb weniger Monate beschriftet sein, würden ESP Games ähnliche Popularität erreichten wie übliche Online-Spiele. 

Krause und Aras schlagen ein leicht modifiziertes Spielmodell vor, das den Prozess noch weiter beschleunigen könnte: Hier denken sich die Spieler die Begriffe nicht selbst aus, sondern müssen ein einmal gewähltes Stichwort in Bezug setzen zu bestimmten Teilen einer Webseite. Klingt komplizierter als es ist. Auch hier gibt es für Übereinstimmungen Punkte, praktischerweise fallen dabei jede Menge zuverlässiger Tags für eine Webseite an, die Suchenden später das Leben erleichtern.

Auch das Spiel "Magic Bullets" setzt auf Zweierteams, die sich über die Bedeutung eines Symbols einigen müssen. Wer die schnellsten Treffer erzielt, hat gewonnen. Die Symbole finden Verwendung bei Sicherheitsabfragen von Webseiten, in sogenannten Captchas. Jeder hat schon mal eines dieser verzerrten Wörter abtippen müssen, um Zugriff auf eine bestimmte Information zu bekommen. Wer "Magic Bullets" spielt, trägt dazu bei, diese Barriere besser zu machen und so Spam und Junkmail einzudämmen.

Wer sich weder für Bilder noch für Captchas interessiert, kann sich spielerisch an der Faltung von Proteinen beteiligen. Auch das ist ein Problem – laut der deutschen Wikipedia eines der größten der Biologie überhaupt – für dessen Erforschung es zwar Software gibt, bei der die computergestützte Forschung aber bei weitem nicht schnell genug vorankommt. Mit Hilfe von Zoran Popovic, einem Spieledesigner von der University of Washington, wurde ein Spiel entwickelt, dass auch Nicht-Biologen zu Hobbyforschern macht, die grünliche Würste im dreidimensionalen Raum verbiegen. "'Foldit' versucht, die Struktur von Proteinen vorherzusagen, indem es den Vorteil der menschlichen Intuition und den Wettbewerbsgedanken nutzt, der die Spieler antreibt, immer bessere Lösungen zu finden", heißt es auf der Seite. Foldit ist dabei zugleich angetreten, von den möglicherweise überlegenen Herangehensweisen des Menschen zu lernen, um später auch Computern beizubringen, wie ein Mensch zu falten. Und vielleicht faltet just in diesem Moment einer der hunderttausend Hobbyforscher, die Foldit bereits heruntergeladen haben, an dem Eiweiß, aus dem das Medikament der Zukunft entstehen wird.