Die Geschichte kennt Revolutionen leiser Natur. Es müssen zur gesellschaftlichen Umwälzung keineswegs die Köpfe rollen. Es verändern sich mitunter die Gesten und Redeweisen, die Balance zwischen Nähe und Ferne, der Sex und die Liebe, kurzum: das soziale Bindegewebe, die Ordnung der Affekte.

Mit Empörung hätten Politiker noch vor gut einer Dekade eine Einladung zu Stefan Raabs Bundestagswahl-Diskussionsrunde ausgeschlagen. Aus Angst vor der Inflation ihrer Ausstrahlung und der Beschädigung ihrer Würde. Es wäre das Todesurteil eines Marlon Brando gewesen, hätte er seinen Tagesablauf inszeniert wie die Stars allerneuester Prägung, die – wie der amerikanische Präsident – im Internet in Sozialen Netzwerken sich der Allgemeinheit offenbaren. Charisma lässt sich nicht mehr durch zeitweilige Abwesenheit steigern, sondern offenbar nur durch Dauerpräsenz in Dauerkommunikation. Das ahnen all jene Abteilungsleiter, Politiker, Musiker und Blogger, die sich einen Freundeskreis auf Facebook , Myspace oder aSmallWorld errichten. Sie ahnen völlig zu Recht, dass Zurückgezogenheit nicht mehr als Ausdruck veredelten Charakters verstanden wird oder gar als Signum schillernder Geheimnisse. Sondern als Arroganz überkommener Macht.