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Schöne Büros wirken wie Doping für Arbeitnehmer

Würden Sie nicht auch gerne in einem Büro arbeiten, das so gemütlich ist wie das heimische Wohnzimmer? Oder an einem Arbeitsplatz mit "Chillout"-Bereich, Pingpong-Tischen und Rutschen? Büroeinrichtungen müssen nicht langweilig und deprimierend sein – das sollten sie auch nicht, sagen Arbeitspsychologen.

Ungemütliche Großraumbüros mit oder ohne Stellwände, graues Einheitsmobiliar und leer gefegte Schreibtische, die – in Zeiten des „Desk Sharing“ – nicht mehr individuell gestaltet werden können. An solchen trostlosen Orten verbringen viele Arbeitnehmer ihren Tag, während zu Hause eine schöne Wohnung auf sie wartet, die sie viel zu selten sehen. „Aus ökonomischer Sicht mag das ja alles sinnvoll sein. Im Großraumbüro kann man natürlich mehr Hühner auf die Stange setzen“, sagt Professor Michael Kastner, Leiter des Instituts für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin in Herdecke. „Aus einer psychologischen Sicht ist das aber nicht so sinnvoll.“

Wenn Unternehmen ihre Büroräume planen, spielen ansprechendes Design und Wohlfühlatmosphäre meist eine untergeordnete Rolle. Selbst Chefs, die privat Bio-Eier kaufen, weil sie wissen, dass sie besser schmecken als Eier aus der Legebatterie, kommen oft nicht auf die Idee, dass glückliche Mitarbeiter, die sich in ihrem Büro wohl fühlen, auch bessere Arbeit leisten. Dabei gibt es immer wieder Untersuchungen, die das bestätigen: So konnte in einer Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart ein Zusammenhang zwischen „Office-Design“ und „Office-Performance“ nachgewiesen werden. Mit der richtigen Bürogestaltung soll sich die Leistung der Mitarbeiter um bis zu 36 Prozent steigern lassen.

Es gibt aber auch Unternehmen, die sich intensiver mit dem Thema Bürogestaltung auseinandersetzen. Sie legen Wert darauf, dass ihre Büroräume nach außen hin repräsentativ sind und zugleich das Wohlbefinden, die Motivation und Produktivität der Mitarbeiter steigern. Das Architekturbüro Jump Studios hat beispielsweise für den Energy-Drink-Hersteller Red Bull in London eine äußerst originelle, dreigeschossige Firmenzentrale entworfen. Statt Fahrstuhl verbindet hier eine Rutsche die Stockwerke miteinander. Es gibt außerdem Pingpong-Konferenztische und eine Dachterrasse mit traumhaftem Blick über das Londoner West End. Diese ungewöhnliche Bürogestaltung soll – im Sinne eines Corporate Design – die Firmenphilosophie widerspiegeln und außerdem den Menschen Spaß machen, die dort arbeiten.

Mit einer nicht ganz so spektakulären, aber ebenfalls sehr attraktiven Bürogestaltung gewann der Osnabrücker Logistikdienstleister Hellmann Worldwide Logistics im vergangenen Jahr den „Best Office Award“ der Büroeinrichtungsmesse Orgatec in Köln. Ausgezeichnet wurden „zukunftsweisende Bürokonzepte“. Das Büro entstand in einem historischen Getreidespeicher und konnte durch Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit und flexible, vielfältige Arbeitsbereiche überzeugen. Es gibt dort „Think Tanks“, Ruhezonen, Bibliotheken, einen Musikbereich, eine Sektbar und ein Kaminzimmer. Außerdem können die 160 Mitarbeiter selbst entscheiden, ob sie lieber in einem schlicht und sachlich eingerichteten Bereich oder in einem wohnzimmerartigen Ambiente arbeiten möchten.

Büros, die nicht nur zwangsläufig zum zweiten Zuhause werden, sondern sich auch wie ein Zuhause anfühlen, sind bei vielen Arbeitnehmern – und sogar bei einigen Chefs – sehr beliebt. So hat der Architekt und Designer Davide Rizzo für sich und sein neunköpfiges Team eine große Altbauwohnung in Berlin-Mitte in ein Büro verwandelt, das man auf den ersten Blick für eine stilvoll eingerichtete Privatwohnung halten könnte. Das Mobiliar wurde größtenteils von Rizzo selbst entworfen: die 2,80 Meter breiten Schreibtische, die verspiegelten Sideboards, in denen sich Aktenordner verstecken, und die beeindruckende Deckenleuchte aus Muranoglaskugeln, die im Konferenzraum hängt.

Dazu kommen Vintage-Stücke und Designklassiker, ein ausgestopfter Schwan vom Pariser Flohmarkt und afrikanische Federhüte, die als Wandschmuck dienen. „Dies ist kein typisches Architektenbüro, denn die sehen meist spießig und clean aus. Mir ist es aber wichtig, dass mein Büro ein bisschen kuschelig ist“, sagt Rizzo. An das geräumige Arbeitszimmer im Wohnzimmer-Stil, in dem Rizzos Mitarbeiter sitzen, grenzt ein begrünter Balkon mit Sonnenliege. Die Atmosphäre ist familiär und entspannt. „Wir laufen hier alle barfuß herum“, erzählt Rizzo.

Ein farbenfrohes Büro als Inspiration

Am anderen Ende der Stadt, in Berlin-Charlottenburg, befindet sich ein weiteres, außergewöhnliches Büro. Carola Hoffmann, Inhaberin der „az“ Personalvermittlungsagentur, hat eine knapp 500 Quadratmeter große Etage im Dachgeschoss des „Kantcenters“ angemietet, die von Grollmitz Zappe Architekten in eine moderne, farbenfrohe Bürowelt verwandelt wurde. Das Orange des Firmen-Logos, knalliges Rot, Grün und Gelb, geschwungene Formen und Kreiselemente bestimmen den Look der neuen Büroräume. Eine farbige Glaswand teilt die so genannte Teamzone, in der die 14 Mitarbeiterinnen sitzen, von den Kommunikations- und Servicezonen ab. Auf der anderen Seite der Glaswand befinden sich Interviewräume, eine große Küche und ein „Chillout“-Bereich mit Sofas.

Wer eintönige, graue Büroumgebungen gewohnt ist, wird sich hier – angesichts der psychedelischen Farben und Formen – fühlen wie ein Anzugträger, der sich versehentlich auf das Hamburger Schlagermove-Festival verirrt hat. „Frau Hoffmann wollte manchmal sogar noch mehr Farben als wir. Wir konnten sie kaum bremsen“, erzählt Stefan Zappe, der verantwortliche Architekt. „Zuhause wohne ich auch extrem farbenfroh“, sagt Carola Hoffmann. „Ich bin mindestens 40 oder 50 Stunden in der Woche hier in diesem Büro. Da möchte ich gerne einen Ort haben, an dem ich mich inspiriert fühle. Ich liebe es, hier zu arbeiten. Und meine Mitarbeiterinnen auch.“

Doch warum trauen sich andere Chefs nicht, originelle Büros zu gestalten? Carola Hoffmann vermutet, dass das mit der Branche und der Unternehmensphilosophie zusammenhängt. „Aufregendes Bürodesign findet man ja eher bei jungen, kreativen Unternehmen, zum Beispiel im Bereich der Neuen Medien. Wir fallen in der Personaldienstleistungsbranche, die eigentlich eine konservative und nahezu angestaubte Branche ist, komplett aus dem Rahmen. Das war aber auch mein Ziel,“ sagt Hoffmann.

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Im Gegensatz zu den meisten anderen Chefinnen hat Carola Hoffmann kein Einzelbüro, sondern sitzt mit ihren Mitarbeiterinnen zusammen in der offenen Teamzone. Ursprünglich war das Büro so konzipiert, dass die Frauen ihren eigenen Rollcontainer jederzeit unter einen anderen Schreibtisch schieben können. In der Praxis hat sich dieses Konzept jedoch nicht durchgesetzt. „Ich fände es ideal, wenn wir jeden Tag oder jede Woche die Plätze wechseln würden. Doch etwa der Hälfte meiner Mitarbeiterinnen ist das nicht zumutbar. Die brauchen einfach ihren festen Arbeitsplatz“, sagt Hoffmann. Nicht jeder Chef ist so verständnisvoll.

Ein trostloses Büro kann ein Kündigungsgrund sein

Dabei ist das Bedürfnis, sich am Arbeitsplatz häuslich einzurichten, ganz natürlich. „Der Mensch ist von der Evolution her ein Höhlentier und braucht ein privates Umfeld, das er selbst gestalten kann“, sagt Professor Michael Kastner vom Institut für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin (IAPAM). „Für mich ist der ideale Arbeitsplatz einer, wo man seinen eigenen Schreibtisch hat und auch ein Familienbild aufstellen oder ein Blümchen gießen kann.“ Doch gerade dieser Gestaltungswillen der Mitarbeiter wird heutzutage in vielen Betrieben ausgebremst. Poster und Grünpflanzen sind oft verboten, damit das Gesamtbild nicht gestört wird und die Büros nicht unordentlich wirken.

Dabei gäbe es eine wesentlich freundlichere und nachhaltigere Methode, übertriebenen Schreibtischschmuck zu verhindern: Nach Ansicht des Psychologen nimmt die Dekorationswütigkeit der Mitarbeiter in einem ansprechend gestalteten Arbeitsumfeld automatisch ab. Die größten Anhäufungen von lustigen Wandsprüchen, Urlaubspostkarten und Stofftieren findet man meist in besonders freudlos und karg eingerichteten Büros – wie zum Beispiel in typischen Behördengebäuden.

Warum also legen Chefs so wenig Wert auf eine schöne Bürogestaltung? „Die meisten Entscheidungsträger sind Logik-Denker, die alles unter dem rationalen Aspekt betrachten. ,Psycho-logische‘ Prozesse sind ihnen fremd“, sagt Kastner. Auf Dauer kann diese Denkweise aber zu Problemen führen. „Wenn das Gefühl von Heimat für die Mitarbeiter verloren geht, lohnt sich das ökonomisch langfristig nicht, weil dann die guten Leute weglaufen.“

Ein trostloses Büro kann für Arbeitnehmer durchaus ein Grund sein, sich nach einem anderen Job umzusehen. „Wenn die ersten guten, jungen Mitarbeiter gehen, glauben die Chefs, dass man ihnen woanders einfach mehr Geld geboten hat. Fragt man die Leute aber, warum sie gegangen sind, dann ist es meist wegen dieser ganzen kulturellen Geschichten. Dazu gehört auch die Bürogestaltung“, meint Kastner. Und so mancher Arbeitnehmer wird ihm wohl aus eigener Erfahrung zustimmen.

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