Degler denkt:Asmussens Rollenspiel

Peer Steinbrücks Staatssekretär Jörg Asmussen gibt in der internationalen Finanzkrise den Feuerwehrmann. Bis vor kurzem war er noch "Zündholzlieferant".

Dieter Degler

Es ist schon bemerkenswert, welche Blüten die internationale Finanzkrise treibt. In den USA gilt Finanzminister Henry Paulson als großer Retter - er hat zuvor die Bank Goldman Sachs geleitet, die das Geschäft mit Subprime-Kreditpapieren betrieb. In Deutschland haben wir auch einen Paulson. Er heißt Jörg Asmussen und ist jüngster Staatssekretär der Bundesregierung.

Degler denkt: Jörg Asmussen kennt sich gut in der Finanzwelt aus - und ist Minister Steinbrücks rechte Hand.

Jörg Asmussen kennt sich gut in der Finanzwelt aus - und ist Minister Steinbrücks rechte Hand.

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Der Mann ist kein Akten-Umschichter. Er wirkt taff, cool und energisch. Eher Typ Manager als Typ Beamter, eher kompetent und sympathisch als langweilig. Von solchen Leuten kann man eigentlich nur träumen, wenn man sich den idealen öffentlichen Dienstmann vorstellt.

Seine Karriere begann, damals noch wegen des falschen Parteibuchs gedämpft, unter Theo Waigel. Bei Oskar Lafontaine, der sich nun wünscht, dass die für die Finanzkrise verantwortlichen Manager "hinter Schloss und Riegel" verschwinden, avancierte der Sozialdemokrat zum Referenten eines Staatssekretärs, dann, unter Hans Eichel und Peer Steinbrück, marschierte der Karrierebeamte schier unaufhaltsam weiter nach vorne.

Vor fünf Jahren, mit 37, übernahm er als jüngster Ministerialdirektor im Berliner Apparat die Leitung der Abteilung für Nationale und Internationale Finanzmarkt- und Währungspolitik, und von da an war er so etwas wie ein Regierungsbeauftragter für die Förderung von ASB-Finanzprodukten. ASB sind asset backed securities - und die Auslöser von Finanzmarktkrise und anstehender Rezession.

Wie ein Finanzthriller

Um diese Papiere, mit denen viele Banken lange Zeit beste Erträge erwirtschafteten, machte sich Asmussen regelrecht verdient. Unter seiner geistigen Schirmherrschaft und tätiger Mithilfe wurde 2003 die True Sale International GmbH (TSI) gegründet, eine Handelsplattform und Lobbyvereinigung zur Förderung der Geschäfte mit ASB. Gesellschafter waren vom Start an 13 Banken, deren Namen sich heute lesen wie die Besetzungsliste für einen Thriller über die Finanzkrise. Dabei waren nicht nur die KfW, die HSH-Nordbank, die WestLB und die Bayerische Vereinsbank, sondern auch der bisherige Hauptdarsteller Hypo Real Estate, damals noch vertreten durch die Hypovereinsbank.

Im Beirat von TSI wirkte bis zum Sommer diesen Jahres Abteilungsleiter Asmussen. Er machte sich auch verdient im Aufsichtsrat der KfW, und auf ihn ist wohl auch jene Passage im schwarz-roten Berliner Koalitionsvertrag von 2005 zurückzuführen, nach welcher der deutsche Finanzmarkt von "überflüssigen" Regulierungen befreit und "Produktinnovationen und neue Vertriebswege" gefördert werden sollen.

Nur keine unnötigen Pflichten

Parallel zu seinen TSI-Aktivitäten brachte Asmussen als Mitglied des Aufsichtsrats der KfW-Tochter IKB Schwung in die Finanzwelt. Die IKB ist jenes Institut, das sich gemessen an seiner Größe am heftigsten auf dem Markt für US-Hypothekendarlehen verspekuliert hat und von der Bundesregierung wegen drohender Insolvenz für einen Pappenstiel an den Finanzinvestor Lone Star verschachert wurde. Auch im Verwaltungsrat des deutschen Banken-Kontrollgremiums, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), saß - damit bei Banken wie der IKB nichts schiefging - ein besonders wachsamer Mann: Dort kontrollierte Jörg Asmussen Jörg Asmussen.

Nebenher beförderte der Finanzexperte sein Lieblingsthema in klugen Aufsätzen, beispielsweise in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen: Dort warb er einerseits für den "Einsatz neuer Finanzierungsinstrumente", wozu dem Finanzministerium ja auch die Boston Consulting Group geraten habe, und andererseits dafür, dass seitens des Finanzministeriums darauf geachtet werden müsse, "dass den Instituten keine unnötigen Prüf- und Dokumentationspflichten entstehen werden, wenn sie in 'gängige' ABS-Produkte mit gutem Rating investieren". Denn: Es "war uns stets wichtig, dass sich auch der Markt für asset backed securities in Deutschland stärker als bislang entwickelt".

Lesen Sie auf der zweiten Seite: Was der Fall Asmussen lehrt.

Asmussens Rollenspiel

Ob man dem Shootingstar im Hause Steinbrück persönliches Fehlverhalten vorwerfen kann, ist eher fraglich. Vielleicht ein paar sehr schwerwiegende Irrtümer und Nachlässigkeiten, sicher auch mangelnde Sensibilität, wenn ihm nicht auffällt, dass es zu Interessenkonflikten führt, wenn jemand sich selbst kontrollieren soll.

Fleißig am Regiebuch mitgeschrieben

Was der Fall Asmussen lehrt, ist vielmehr: Es waren, erstens, nicht nur gierige und skrupellose Banker, welche die aktuelle Krise ausgelöst haben. Die Politiker, die heute "Haltet den Dieb" schreien, haben beim Finanzdrama nicht nur zugesehen, sondern an dem Stück mitgeschrieben. Herr Steinbrück und seine Kabinettschefin sollten also behutsam sein und an ihren Staatssekretär denken, wenn sie allzu laut Schuldzuweisungen verteilen.

Zweitens: Wenn der Staat demnächst noch tiefer in die Bankenwelt eindringt, um sie vor Schlimmerem zu bewahren, zugleich aber die Regeln für ihr Handeln erlässt und sie am Ende auch noch kontrollieren soll, wird das System nicht grundsätzlich geändert, sondern mutmaßlich verschlimmbessert.

Und drittens: Es wird unvermeidlich sein, über staats- und bankenferne Kontrollinstanzen und ebensolche Rating-Agenturen nachzudenken, wenn sich das Desater nicht wiederholen soll.

Bleibt es beim aktuellen, mit heißer Nadel gestrickten Rettungsplan, liefert die Regierung Merkel die Finanzbranche wieder jenen Strukturen aus, die sie mit an den Rand des Abgrunds geführt haben.

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