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Segway-Tour: Hightech-Fahrt zur Almhütte

Foto: Rudolf Stumberger

Segway-Bergtour Im Rollkonvoi zur Almhütte

Nach vorne lehnen heißt Gas geben, nach hinten bremsen - und ansonsten hilft nur Vertrauen: Wer auf einen Segway-Roller steigt, muss den Kopf ausschalten. Rudolf Stumberger wagte sich mit dem futuristischen Hightech-Gerät auf eine Geländefahrt ins Berchtesgadener Land.

"Das ist eine Genießertour!", sagt Peter Beierl. "Aha", denke ich mir und sehe hinunter auf das seltsame Gefährt, auf dessen Bodenplatte fünf Leuchtdioden grünlich aufleuchten. "Jetzt kannst aufsteigen", sagt der Peter. Und dann stehe ich auf diesem Ding mit seinen zwei Rädern, die mit immerhin vier PS dahinrollen können, halte diesen fahrradähnlichen Lenker in den Händen, und dann bewegt sich dieses Gerät wirklich, und der Peter gibt freundliche Ratschläge: "Den Kopf, den musst du ausschalten!" "Aha", denke ich mir wieder, und was dann folgt, ist eine mehrstündige Tour entlang der Wege des Obersalzberges bei Berchtesgaden.

Der Peter, der ist ein Hiesiger, wie es in Bayern heißt, und beruflich macht er mit seiner Firma Mountain Entertainment alles, was man in den Bergen an "Events" so anstellen kann: vom "Paragliding" über "Schnupftabaken" bis hin zum "Kramperl laufen", was auch ein gebürtiger Bayer wie ich noch nicht so richtig identifizieren kann. Mit dabei bei diesen Veranstaltungen sind gerne Gruppen von Managern, die sich auf diese Weise geistig für den firmeninternen Kleinkrieg rüsten und natürlich auch normale Touristen.

So wie die vierköpfige Familie Hover, die sich jetzt wie ich auf diesen Hightech-Geräten vorwärtsbewegt. Segway ist der Name dieser "Personal Transporter" aus den USA, die mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h fahren können, eine Reichweite von 38 Kilometern aufweisen und Strom als Energiequelle nutzen. Sie sehen ein bisschen aus wie antike Streitwagen - zwei Räder und vorne dran eine Lenkgabel.

Mit den geländegängigen großen Reifen und der speziellen Spurbreite lassen sich Sandböden, Gras oder auch Schlamm überwinden. Befahren lassen sich sowohl Waldwege wie unbefestigte Wanderpfade. Kommen einem Menschen mit diesen Gefährten entgegen, glaubt man, in einem dieser Science-Fiction-Filme aus den siebziger Jahren zu sein. Seit drei Jahren hat der Peter nun geführte Segway-Touren im Programm, sechs an der Zahl, und die heutige führt in einem großen Schlenker rund um das Kehlsteinhaus, das in schwindelnder Höhe am Fels klebt.

Gewicht nach hinten heißt bremsen

"Mit diesen Dingern zu fahren bringt einfach Spaß", sagt Michael. Der 52-Jährige macht hier im Berchtesgadener Land Urlaub mit seinen beiden Kindern und seiner Schwester, und sie sind auf den Geschmack gekommen: Das ist bereits ihre zweite Tour. Und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum sie unbekümmert Gas geben und wie Zinnsoldaten aufrecht stehend auf ihren Elektrorollern dahinzurollen beginnen.

Ich hingegen bin noch im Experimentierstadium. Gewicht nach vorne verlagern: Das Ding fährt. Gewicht nach hinten verlagern: Das Ding bremst. Lenkstange nach links: Es fährt nach links. Sonst ist nichts. Kein Hebel, kein Gaspedal, keine Bremse. "Du musst einfach Vertrauen haben", muntert mich der Peter auf und sagt: "Dann pack' mas."

Also packen wir es an. Solange ich mich mit diesem Science-Fiction-Gerät auf gerader Ebene befinde, geht es gut. Gewicht nach vorne verlagern, es fährt! Lenkstange nach links: Es fährt nach links! Doch das sind nur die Vorspiele des Kommenden. Denn der Peter, der vor mir fährt, biegt jetzt in einen Waldweg ein, und der geht ziemlich, also ich muss sagen wirklich sehr steil nach oben. Das ist dann der Moment, wo der Peter wieder sagt: "Den Kopf, den musst ausschalten!" Weil mein Kopf sagt, wenn es so schräg nach oben geht, muss das mein Körper irgendwie ausbalancieren, des Gleichgewichts wegen.

Dafür aber, so lasse ich mich belehren, ist nicht mehr mein Kopf zuständig. Sondern fünf Gyroskope und zwei Kreiselsensoren. Die messen das sich verändernde Terrain und meine Körperposition hundertmal pro Sekunde, schneller als mein Gehirn denken kann, sagt der Werbeprospekt. Ich bin mir nun nicht sicher, wie schnell mein Gehirn normalerweise denkt, aber anscheinend hat der Segway mich jetzt überholt: Plötzlich habe ich es geschafft und stehe unversehrt oben auf dem Abhang. "Geht doch", sagt der Peter.

Männergespräche über Solarzellen und die Zukunft

Wir fahren weiter über Stock und Stein, überqueren die eine oder andere Straße und nähern uns auf dem Waldweg wieder der Urlauberfamilie. Für den 16-jährigen Christian und die 15-jährige Sofia scheint das Segway-Fahren das Normalste auf der Welt zu sein, es geht flott dahin. Wir passieren eine Herde Kühe, die uns stoisch, aber mit einem gewissen Interesse mustert. Zwischendurch lichtet sich der Wald und gibt den Blick frei auf die Berge des Berchtesgadener Landes.

Schließlich schwenkt unsere Segway-Kolonne nach rechts und wir machen bei einer unbewirtschafteten Berghütte Rast: ein Brünnlein, ein WC mit ausgeschnittenem Herzchen, ein weitschweifender Blick ins Tal. Ich bin froh über die Pause, das Segway-Fahren ist im Grunde überhaupt nicht anstrengend, aber mir tun irgendwie die Fußsohlen weh. "Das vergeht", sagt der Peter, und wir Männer vertiefen uns in ein Fachgespräch über die möglichen Kapazitäten von Strom-Akkus, Solarzellen und generell über die Zukunft.

Eine gute halbe Stunde und mehrere Abfahrten später erreicht unser Hightech-Konvoi die Scharitz-Kehl-Alm. Früher hätte man hier die Pferde getränkt, wir aber lehnen die Segways an die Hauswand und stöpseln sie an die Steckdose an. Während sich die Geräte mit Strom aufladen, tun wir Ähnliches mit Kasspatzen, Schweinebraten und Apfelschorle. Der Höhepunkt der Genießertour ist erreicht. Hinten erhebt sich mächtig die Felswand des Hohen Göll, davor weht flatternd eine blaue Fahne im Wind, darunter grasen zwei schwarze Ziegen, rechts lockt die urige Almhütte mit deftiger Kost, und dahinter laden sich die Akkus der Segways auf: eine alpenländische Szenerie wieder mal zwischen Hightech und Lederhose.

Wanderer grüßt Segway-Roller

So gegen 14 Uhr läuft noch einmal der Science-Fiction-Film aus den siebziger Jahren an: Eine Gruppe von Menschen bewegt sich im Gänsemarsch lautlos rollend auf utopischen Gefährten durch die eingezäunten Almwiesen. Gegrüßt von Wanderern, die sich noch archaisch auf zwei Beinen durch die Welt bewegen. Sie mögen die Elektroroller als wenig in die Landschaft passend empfinden, doch längst haben ja auch Mountain-Biker die Berge erobert.

Was jetzt noch kommt, ist ein bisschen Regen, ein sehr schmaler Waldpfad, garniert mit Wurzeln und hölzernen Regenrinnen, ein munteres Auf und Ab entlang des "Höllgraben" und schließlich das Ausrollen auf dem Wiesenplatz, an dem das ganze Abenteuer begann.

"Was, sind wir schon da?" ruft enttäuscht der 16-jährige Christian. "Es tut auch gut, wieder auf eigenen Beinen zu stehen", denke ich. "Du", sagt der Peter zu mir und schaltet irgendwie meinen Segway-Roller aus, "wir machen auch Touren bis hinauf zum Kehlsteinhaus, ned ganz 1800 Meter hoch."

"Aha", sage ich und winke zum Abschied, während die anderen noch eine Ehrenrunde drehen.