Die Rennstrecke führt mitten durch die Vorstadt. Plötzlich steht ein Mann auf der Fahrbahn. Statt auszuweichen, steuert das Auto direkt auf ihn zu. In Panik hebt der Mann seine Arme. Blut spritzt auf die Windschutzscheibe. Wieder ein Bonuspunkt.

Die Szene stammt aus "AdRacer". An dieser eigens zu Forschungszwecken entwickelten Rennsimulation untersucht die Universität Luxemburg die Wirkung von In-Game Werbung. Und fand dabei heraus, dass Gewalt in Spielen das Erinnerungsvermögen der Gamer eher trübt als befördert. Und nicht nur das. Die Marken wurden auch durchschnittlich negativer wahrgenommen. Für In-Game-Werbetreibende ist das ein interessanter Befund. Versuche, die Markenbekanntheit durch gewalthaltige Computerspiele zu steigern, könnten "nach hinten losgehen", sagt André Melzer, der die Luxemburger Forschungsgruppe leitet.

Computerspiele könnten als ideales Markenumfeld gelten, ist der Spieler doch emotional und hochkonzentriert bei der Sache. Marktforscher prophezeien dem In-Game Advertising so auch eine goldene Zukunft. Analysten der Citigroup rechnen damit, dass sich der weltweite Markt für Spielewerbung bis 2014 auf 700 Millionen Euro nahezu verdoppeln wird.

Doch noch fehlt vielen Unternehmen der Mut, sich auf die neue Werbeform einzulassen. Das hat mit dem wechselhaften Image der Computerspiele in der  Öffentlichkeit zu tun, aber auch mit der Tatsache, dass die Werbeagenturen noch keine einheitlichen Reichweiten vorlegen können. "Wir brauchen dringend Standards", fordert deshalb Carsten Szameitat vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Die Technik gibt es bereits: Schon jetzt lässt sich messen, wie oft, wie lange und aus welchem Blickwinkel Werbung vom Spieler betrachtet wird. Unlängst hat der BVDW einen Arbeitskreis "eGame Advertising"  gegründet, der Marktdaten sammeln und vereinheitlichen soll.

Auch die Spieler selbst sind nicht ausschließlich begeistert. Natürlich gibt es Studien, die besagen, dass knapp die Hälfte aller Spieler der Werbung "aufgeschlossen bis positiv" gegenübersteht. Und natürlich sind sich Marketing-Experten darüber einig, dass In-Game-Werbung nur gut gemacht sein muss, um zu funktionieren. Ein häufig angeführtes Beispiel für gelungenes Product Placement ist die "Red Bull"-Werbung im Strategiespiel "Worms 3D": Findet der Spieler eine Dose des süßen Gesöffs, kann er kurzzeitig schneller laufen und höher springen. Doch nicht jede Werbung ist so geschickt ins Spielgeschehen integriert. Erst kürzlich zog die Firma Sony den Zorn der Gamer auf sich, weil Werbebanner im Rennspiel "Wipeout HD" die Ladezeiten verdoppelten. Ein frustrierter Spieler dokumentierte die Panne mit einem Youtube-Video - Sony reagierte und wies seine Ingame-Werbefirma "Double Fusion" an, die Werbung schleunigst abzuschalten.

In dem Kriegsspiel "Battlefield 2142" hängen Werbebanner an jeder Ecke - und erinnern die Spieler ständig daran, dass sie sich nicht in einer futuristischen Kampfarena, sondern in der Gegenwart befinden, der sie doch gerade zu entfliehen suchen. Immer wieder taucht in Online-Foren die Forderung auf, Spiele mit In-Game-Werbung doch bitteschön günstiger zu verkaufen. "Der Publisher bekommt Geld, die Werbefirma bekommt Geld, der Spieler bekommt nichts", schreibt ein frustrierter Gamer im Arstechnica-Forum. Allerdings liegen die Produktionskosten bei Spiele-Blockbustern, sogenannten Triple-A-Games, mittlerweile regelmäßig im zweistelligen Millionenbereich. Im Vergleich dazu sind die Werbeeinnahmen noch sehr gering.

Der Siegeszug der Browser- und Online-Games dürfte das In-Game-Advertising entscheidend beeinflussen. Die meisten dieser Spiele sind kostenlos und finanzieren sich durch einen Mix aus Abo-Gebühren, Micropayments und Werbung. Die Technik, die dabei zum Einsatz kommt, ist "für Werbeeinblendungen geradezu ideal", schwärmt Buchautor und Marketing-Experte Ludger Stammermann. Gerade aus Browser-Games ließe sich bestens auf werbliche Online-Angebote verlinken, sagt Stammermann Für Werbekunden sind solche Spiele vor allem deshalb attraktiv, weil sie in kurzer Zeit sehr viele Nutzer anziehen - und mit ihren Community-Funktionen und ständigen Updates auch in der Lage sind, die Nutzer über einen langen Zeitraum zu binden. Ein ebenfalls vielversprechendes Werbeumfeld sind Handy- und iPhone-Spiele: Adgames wie etwa das Rutschenspiel von Barclaycards erzielten binnen weniger Wochen mehrere Millionen Downloads.

Mit der zunehmenden Bedeutung von In-Game Advertising dürften auch die Bedenken der Verbraucherschützer wachsen: Schon jetzt sammeln Spielehersteller und Agenturen eifrig Nutzerdaten, um ihre Werbung besser auf den Spieler zuschneiden zu können. Auch die Jugendschützer sind alarmiert, weil Werbung in Computerspielen immer jüngere Zielgruppen anvisiert. Für die Politik ist In-Game-Werbung bis jetzt bestenfalls ein Randthema. Als Werbeträger indes haben Politiker die Computerspiele bereits für sich entdeckt. Als Präsidentschaftskandidat ließ Barack Obama im Rennspiel "Burnout Paradise" plakatieren. In Deutschland wirbt die Piratenpartei gegen das Verbot von "Killerspielen" - mit einer Graffiti-Kampagne im Spiel "Counter-Strike".