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Islamkritik Offener Mordaufruf gegen Publizisten Abdel-Samad

Wegen eines islamkritischen Vortrags ist der Publizist Hamed Abdel-Samad Ziel einer Hetzkampagne geworden. Im ägyptischen TV hat ein Salafist und Verbündeter von Präsident Mursi nun zum Mord an dem Deutsch-Ägypter aufgerufen. Im Interview erklärt Abdel-Samad die Hintergründe.
Publizist Abdel-Samad bei Auftritt im deutschen Fernsehen: Hetze gegen den Politologen

Publizist Abdel-Samad bei Auftritt im deutschen Fernsehen: Hetze gegen den Politologen

Foto: Karlheinz Schindler/ dpa

SPIEGEL ONLINE: Herr Abdel-Samad, der Scheich Assem Abdel-Maged, einer der Führer der militant-islamistischen Bewegung "Dschamaa Islamiya", hat im ägyptischen Fernsehen offen dazu aufgerufen, Sie zu ermorden. Wie ist es dazu gekommen, und wie haben Sie von dem Aufruf erfahren?

Abdel-Samad: Es hat am vergangenen Dienstag angefangen, als ich in Kairo einen Vortrag über religiösen Faschismus gehalten habe. Kurz darauf begann im Internet eine Hetzkampagne gegen mich, auf Facebook erschienen mehrere Seiten mit Fotos von mir, auf denen "Wanted Dead!" geschrieben war. Außerdem wurden die Adressen von Orten in Kairo veröffentlicht, an denen ich mich regelmäßig aufhalte. Obwohl diese Seiten mehrfach gemeldet wurde, ist sie mit kurzen Unterbrechungen seit fast einer Woche online. Die Vorwürfe gegen mich wurden schließlich auch auf mehreren ägyptischen Fernsehsendern wiederholt und Video-Ausschnitte aus meinem Vortrag gezeigt. Am Freitagabend hat Abdel-Maged dann auf dem Sender Al-Hafez alle Ägypter dazu aufgerufen, mich sofort zu ermorden.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es einen bestimmten Aspekt an Ihrem Vortrag, an dem die Islamisten Anstoß nehmen oder geht es generell gegen Ihre kritische Auseinandersetzung mit dem Islam?

Abdel-Samad: Es geht speziell um meine Ausführungen in dem Vortrag dazu, dass sich der religiöse Faschismus im Islam nicht erst mit dem Aufstieg der Muslim-Brüderschaft ausgebreitet hat. Meiner Meinung nach ist er im Islam selbst begründet, nämlich als der Prophet Mohammed den Islam als Monokultur durchsetzte. Video-Mitschnitte zu diesen Aspekten meines Vortrags haben die Islamisten ins Internet gestellt und den Mordaufruf anbei gefügt.

SPIEGEL ONLINE: Wie ernst nehmen Sie die Drohungen?

Abdel-Samad: Sehr ernst, sie sind schließlich sehr direkt. Außerdem versucht Abdel-Maged, die Vorwürfe gegen mich zu instrumentalisieren und meine Religionskritik als repräsentativ für alle Oppositionellen darzustellen. So will er die Kritik an Präsident Mursi und dessen Politik diskreditieren. Am 30. Juni ist in Kairo eine Massendemonstration gegen Mursi geplant. Um die Bewegung zu schwächen, verkündet Abdel-Maget nun, alle Oppositionskräfte würden wie ich denken.

SPIEGEL ONLINE: Wie schätzen Sie die Verbindungen zwischen Mursi und Abdel-Maged ein?

Abdel-Samad: Abdel-Maged ist in meinen Augen ein enger Verbündeter von Mursi. Mitte Mai hat er zum Beispiel als Sprecher von Dschamaa Islamiya zu einer Unterstützungskampagne für Mursi aufgerufen und dafür plädiert, dass Mursi in jedem Fall im Amt bleiben soll. Gemeinsam mit anderen islamistischen Organisationen wollen sie ebenfalls am 30. Juni demonstrieren - aber eben für Mursi.

SPIEGEL ONLINE: Welche Konsequenzen fordern Sie von deutschen und ägyptischen Politikern angesichts des Mordaufrufs?

Abdel-Samad: Ich finde es unhaltbar, dass Mursi es nicht verurteilt, wenn im ägyptischen Fernsehen offen und mehrfach zum Mord gegen eine Person aufgerufen wird. Als deutscher Staatsbürger erwarte ich zugleich von Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle, dass sie den Aufruf aufs Schärfste kritisieren und Präsident Mursi dazu aufrufen, ihn ebenfalls zu verurteilen.

Das Interview führte Hannah Pilarczyk