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Holocaust-Äußerung: Piraten fürchten um Ansehen
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Ein Parteiaktivist gerät wegen Äußerungen zum Holocaust unter Druck. Mitglieder der Piratenpartei fordern seinen Ausschluss, die Parteispitze wiegelt noch ab.

Blogger Chris ist empört. Eigentlich hatte er in der Piratenpartei einen würdigen Vertreter seiner Interessen gefunden. Doch nun musste er erfahren, dass die Partei mit Bodo Thiesen offenbar einen Holocaustleugner in ihrer Mitte duldet. „Es ist nicht liberal, es hat nichts mit Freiheit zu tun – es ist schlicht und ergreifend ein No-Go, gesellschaftlich, politisch, im Netz sowieso, wenn man einem Holocaust-Relativierer – oder gar -Leugner – eine Bühne zur Verfügung stellt“, schreibt er im Weblog fixmbr. Chris’ Konsequenz ist deutlich: Er will die Partei verlassen.

Auch im Forum der Piraten ist am Montag eine Meinung vorherrschend: Thiesen schade dem Ansehen der Partei. „Dies war das erste Mal, dass ich gezweifelt habe, ob ich nicht doch der falschen Partei beigetreten bin“, schreibt Caedus. Ihm wäre es am liebsten, wenn der Störer ausgeschlossen werde. Eine Meinung, die viele im Forum teilen.

Thiesen sieht sich verleumdet


Parteiaktivist Thiesen hatte vor einigen Jahren in Internetforen Holocaustleugner verteidigt und erklärt, Hitler habe den Zweiten Weltkrieg nicht gewollt. Ein Thema, das auf dem Wilhelmsburger Parteitag am Sonntag wieder hoch kochte. Thiesen saß dabei als stellvertretender Protokollant auf dem Podium. Als ein Delegierter verlangte, die Vorwürfe gegen ihn erneut zu thematisieren, blaffte er: „Wer glaubt, ich hätte den Holocaust geleugnet, soll zur Staatsanwaltschaft gehen und hier nicht Verleumdungen gegen meine Person aussprechen.“

Jens Seipenbusch, frisch gebackener Vorsitzender der Piraten, versucht, die Wogen zu glätten: „Die Holocaustäußerungen sind eine alte Geschichte“, erklärt er. Kein Grund zur Sorge. Nachdem Thiesen im Mai 2008 in einer E-Mail an die Mitglieder Position zugunsten einer Abhandlungen von Germar Rudolf – einem verurteilten Holocaustleugner – bezog, habe der Bundesvorstand sofort reagiert. Thiesen bekam eine Verwarnung mit der Auflage, sich nicht mehr unbedacht zur deutschen Nazizeit zu äußern. „Mit solchen Äußerungen darf man besonders in Deutschland den Holocaust nicht relativieren“, so Seipenbusch. Nach dem Beschluss habe sich der 28-Jährige nicht wieder zum Nationalsozialismus geäußert. Weil er die Auflagen damit erfüllt hat, darf er Mitglied der Piraten bleiben.

Im Internet hatte Thiesen seine Position so verteidigt: „Ich bin ein kritischer Mensch, der keine Probleme damit hat, bei anderen Menschen anzuecken“, schreibt er dort. „Meine Ansichten darüber, was in Deutschland tatsächlich geschehen ist, hat keinen Einfluss auf meine politischen Forderungen. Ob nun die Juden (und die nicht-jüdischen Opfer, die ich in Folge nicht jedes mal separat aufzählen werde) in Auschwitz vergast wurden oder auf anderem Wege getötet wurden, spielt für die Entscheidung, jedes Menschenleben unabhängig von der Hautfarbe, Religion usw. schützen zu müssen, keine Rolle.“ Damit war das Thema für die Piraten zunächst abgehakt.

Faschistische Bestrebungen abgelehnt


„Die Diskussion ist jetzt nur wieder neu entfacht, weil wir viele neue Mitglieder hinzugewonnen haben, die davon noch nichts mitbekommen haben“, meint Seipenbusch. Er verweist darauf, dass die Partei in ihrer Satzung eindeutig faschistische Bestrebungen ablehnt. In einer Stellungnahme, die auch Thiesen unterschrieben hat, heißt es auf der Internetseite der Partei, dem Piraten-Wiki: „Ein faschistisches Regime […] trägt die Verantwortung für den Überfall auf Polen, den daraus resultierenden Zweiten Weltkrieg und den systematischen Massenmord an unzähligen Menschen aufgrund ihrer Religion, ihrer ethnischen Herkunft oder politischen Überzeugung.“

„Hier wird, glaube ich, deutlich, dass Herr Thiesen keinesfalls den Holocaust bestreitet oder Zweifel an der Schuld der Deutschen am Zweiten Weltkrieg oder dem Tod von sechs Millionen Juden und anderen Opfern hat“, sagt Seipenbusch. Doch offenbar überlegt der Bundesvorstand, diese Aussage nochmals von Thiesen einzufordern. „Wir werden ihn wohl auffordern, sich klar und unmissverständlich zum Holocaust zu äußern“, erklärt der Vorsitzende. Komme er dieser Aufforderung nicht nach, könne das Konsequenzen bis hin zum Parteiausschluss nach sich ziehen.
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