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Verkehrssicherheit SMS-Tippen am Steuer erhöht Unfallgefahr drastisch

Autofahren und Telefonieren vertragen sich nicht: Die Aufmerksamkeit sinkt, die Unfallgefahr steigt. Jetzt haben Forscher erstmals Lastwagenfahrer mit Kameras beobachtet und untersucht, wie gefährlich das SMS-Tippen am Steuer ist. Das Resultat ist alarmierend.

Hamburg - Das Lenkrad in der Hand, das Handy am Ohr: Dieses Bild ist im Straßenverkehr noch immer alltäglich, trotz Bußgeldern und Warnungen vor erhöhter Unfallgefahr. Manche Zeitgenossen beschränken sich nicht aufs Telefonieren. Sie lesen und schreiben gern auch Textnachrichten (SMS), während sie sich durch den Straßenverkehr schlängeln.

Das ist offenbar noch weit gefährlicher als das Telefonieren ohne Freisprechanlage, wie eine in den USA durchgeführte Untersuchung jetzt nahelegt. Erstmals, so die Forscher des Virginia Tech Transportation Institute (VTTI), habe man Lkw-Fahrer mit Kameras bei ihrem Tun beobachtet. 18 Monate lang wurden mehr als hundert Trucker auf diese Weise gefilmt, Kostenpunkt: rund sechs Millionen Dollar.

Das alarmierende Ergebnis: Die Unfallgefahr stieg auf das 23-fache des Normalwerts, wenn der Fahrer mit SMS-Nachrichten beschäftigt war. Das sei deutlich mehr als bei anderen Arten der Ablenkung (siehe Tabelle). Im Vergleich zu diesen bewege sich das Risiko durch die Handy-Tipperei "in einem eigenen Universum", sagte Rich Hanowski, der die Studie an dem Institut beaufsichtigte, der "New York Times". Die Untersuchung  soll an diesem Dienstag offiziell vorgestellt und später in einem Fachmagazin veröffentlicht werden.

Die Forscher hatten nicht nur die Zahl der Zwischenfälle beim SMS-Tippen gezählt, sondern auch gemessen, wie lange die Fahrer ihre Augen beim Eingeben und Lesen von Nachrichten von der Straße nahmen. In den Momenten vor einer Kollision oder einem Beinahe-Unfall hatten die Fahrer typischerweise fast fünf Sekunden lang auf den Bildschirm ihres Handys gestarrt, statt auf den Verkehr zu achten. 125 Meter legt ein Lastwagen in dieser Zeit bei einem Tempo von 90 km/h zurück.

Handy-Benutzung im Auto: Gefahren am Steuer

Art der Handy-Nutzung Risiko eines Unfalls oder Beinahe-Unfalls

Leichte Fahrzeuge / Pkw
Wählen einer Numer 2,8-mal so hoch wie ohne Ablenkung
Sprechen und Hören 1,3-mal so hoch wie ohne Ablenkung
Greifen nach einem Objekt 1,4-mal so hoch wie ohne Ablenkung

Schwere Fahrzeuge / Lkw
Wählen einer Numer 5,9-mal so hoch wie ohne Ablenkung
Sprechen und Hören 1,0-mal so hoch wie ohne Ablenkung
Greifen nach einem Objekt 6,7-mal so hoch wie ohne Ablenkung
SMS schreiben / lesen 23,2-mal so hoch wie ohne Ablenkung
Quelle: VTTI

Zwar seien Lkw größer und schwerfälliger als Pkw, räumen die Forscher ein. Doch die Ergebnisse seien durchaus auf Pkw übertragbar, da deren Fahrer üblicherweise ein ähnliches Verhalten zeigten wie Trucker. VTTI-Direktor Tom Dingus hält die Botschaft der Studie für eindeutig: Nachrichten während des Fahrens zu schreiben "sollte verboten werden". Derzeit sei dies aber nur in 14 der 50 US-Bundesstaaten der Fall.

Wenn man in Deutschland ein Handy beim Autofahren auch nur in die Hand nimmt und dabei erwischt wird, sind 40 Euro und ein Punkt in Flensburg fällig. Verursacht man auf diese Art einen Unfall, können die juristischen und finanziellen Folgen noch weit gravierender ausfallen.

Erst vor kurzem hatte die University of Utah eine 18 Monate lange Studie mit Studenten durchgeführt und dabei festgestellt, dass die Crash-Gefahr beim Nachrichten-Tippen auf das Achtfache des normalen Werts stieg. Allerdings fuhren die Teilnehmer nur in einem Fahrsimulator - und nicht im wirklichen Straßenverkehr wie die gefilmten Trucker.

David Strayer, der an der Simulator-Untersuchung beteiligt war, erklärte sich den Unterschied zwischen 8- und 23-fach gesteigertem Unfallrisiko mit zwei Faktoren: Lkw seien schwieriger zu lenken, und die Studenten seien womöglich etwas besser darin, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen. In beiden Fällen aber sei es "verrückt", Nachrichten am Steuer zu tippen, betonte Strayer.

Derzeit führt das Virginia Tech Transportation Institute auch eine weitere Studie zum SMS-Tippen unter Pkw-Fahrern durch, und zwar insbesondere unter Teenagern. Erste Ergebnisse lassen laut "New York Times" darauf schließen, dass sich die Risikosteigerung in ähnlichen Dimensionen bewegt wie unter Lkw-Fahrern.

mbe